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Debatte > Update Whistleblowing

Das Hinweisgeberschutzgesetz kommt

Bundestag und Bundesrat haben am 11. und 12. Mai dem Kompromiss des Vermittlungsausschusses zum Hinweisgeberschutzgesetz endlich zugestimmt. Arbeitsrechtler Philipp Schäuble fasst zusammen, was für Unternehmen demnächst gilt.

Dr. Philipp Schäuble
Dr. Philipp Schäuble ist Partner der Kanzlei McDermott Will & Emery in München. Bild: McDermott Will & Emery

Was lange währt, wird zumindest besser. Reichlich verspätet hat der deutsche Gesetzgeber die EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern umgesetzt. Auch wenn das Hinweisgeberschutzgesetz große Herausforderungen für Unternehmen mit sich bringt, sind mit der vermittelten Fassung einige wesentliche Kritikpunkte ausgeräumt: Unternehmen müssen weder anonyme Meldungen ermöglichen noch immaterielle Schäden ersetzen. Auch reduziert sich die maximale Bußgeldhöhe von 100.000 Euro auf die Hälfte.

Das Hinweisgeberschutzgesetz setzt zwar die EU-Whistleblower-Richtlinie um, geht in der Sache aber darüber hinaus: In den Schutzbereich des Gesetzes fallen beispielsweise strafrechtlich und bußgeldrelevante Verstöße, steuerrechtliche Verstöße sowie Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben zur Geldwäsche, Produktsicherheit, Sicherheit des Straßenverkehrs, Förderung erneuerbarer Energien, zum Umweltschutz und Verbraucherschutz.

Wer im Vorfeld oder im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit Informationen über solche Verstöße erlangt und diese meldet oder offenlegt, gilt als hinweisgebende Person im Sinne des Gesetzes. Sie oder er soll sich dann an eine interne und externe Meldestelle werden können, ohne mit Repressalien rechnen zu müssen. Eine Offenlegung soll hingegen nur unter besonderen Umständen geschützt sein.

Neben den externen Meldestellen – im Wesentlichen bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin), dem Bundesamt für Justiz und dem Bundeskartellamt – werden Unternehmen in die Pflicht genommen, interne Meldestellen einzurichten sowie den Meldungen nachzugehen und Folgemaßnahmen zu ergreifen.

Unternehmen ab 50 Mitarbeiter brauchen eine Meldestelle

Grundsätzlich sollen Unternehmen mit mindestens 50 Arbeitnehmern Meldestellen errichten; kleinere Betriebe sind damit nicht betroffen. In besonders sensiblen Bereichen, wie dem Bankwesen und dem Wertpapierhandel, besteht die Pflicht allerdings unabhängig von der Unternehmensgröße.

Größere Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten müssen unmittelbar ab Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes eine interne Meldestelle einrichten, andernfalls riskieren sie empfindliche Bußgelder. Für Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten gilt eine Umsetzungsfrist bis zum 17. Dezember 2023.

Anders als im ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehen, müssen Unternehmen keine anonymen Meldungen ermöglichen, dürfen also ihre Meldestellen grundsätzlich so ausgestalten, dass Hinweisgeber namentlich in Erscheinung treten müssen. Lassen sie freiwillig anonyme Meldungen zu, sollen diese aber auch bearbeitet werden.

Verpflichtend ist zudem die Dokumentation der Meldung, auch wenn sie telefonisch erfolgt, um die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens nachweisen zu können. Die Dokumentation ist (mindestens) zwei Jahre nach Abschluss des Verfahrens aufzubewahren.

Ablauf des Meldeverfahrens

Das Verfahren läuft wie folgt ab: Nach Erhalt einer Meldung muss die interne Meldestelle der hinweisgebenden Person den Eingang binnen sieben Tagen bestätigen. Sie prüft zunächst, ob ein Verstoß im Sinne des Gesetzes vorliegt, und dann die Stichhaltigkeit der Meldung. Dazu steht sie im ständigen Austausch mit der hinweisgebenden Person und erfragt gegebenenfalls weitere Informationen. Die Meldestelle entscheidet anschließend über die Folgemaßnahme – beispielsweise die Einleitung einer internen Untersuchung oder aber die Einstellung des Verfahrens aus Mangel an Beweisen. Innerhalb von drei Monaten ab Eingangsbestätigung der Meldung informiert die Meldestelle die hinweisgebende Person über die getroffenen Folgemaßnahmen und die Gründe dieser Entscheidung.

Unternehmen sollen Anreize dafür schaffen, dass sich Hinweisgeber vorrangig an die internen Meldestellen wenden und klare, leicht zugängliche Informationen über die Nutzung des internen Meldeverfahrens bereitstellen. Die Ressourcen externer Stellen sollen so geschont werden. Wie entsprechende Anreize ausgestaltet werden könnten, lässt das Gesetz allerdings offen.

Repressalien gegenüber Hinweisgebern sind verboten

Hinweisgebende Personen dürfen keinen Repressalien ausgesetzt werden. Das Vorliegen einer Repressalie wird vermutet, wenn die hinweisgebende Person geltend macht, nach erfolgter Meldung oder Offenlegung benachteiligt worden zu sein. Der Arbeitgeber muss dann beweisen, dass die Benachteiligung nicht im Zusammenhang mit der Meldung steht. Werden Repressalien festgestellt, ist das eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro belegt werden kann. Darüber hinaus macht sich der Arbeitgeber schadensersatzpflichtig. Anders als im früheren Gesetzentwurf vorgesehen sind aber nur materielle Schäden zu ersetzen, Anspruch etwa auf Schmerzensgeld besteht nicht.

Wer als hinweisgebende Person vorsätzlich oder grob fahrlässig eine Falschmeldung abgibt, kann dafür ebenfalls belangt werden und muss den entstandenen Schaden ersetzen.

Besteht im Unternehmen ein Betriebsrat, stellt sich die Frage nach dessen Beteiligungsrechten. Diese sind zwar ausgeschlossen, wenn sich der Arbeitgeber lediglich seine gesetzlichen Pflichten erfüllt. Möchte der Arbeitgeber aber über die gesetzlichen Regelungen hinausgehen, muss er den Betriebsrat einbinden. Davon abgesehen steht es ihm frei, den Betriebsrat aus freien Stücken zu beteiligen und eine freiwillige Betriebsvereinbarung zum Hinweisgeberschutz abzuschließen.

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