Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Debatte > Sicherheit in Kriegszeiten

„Das Sondervermögen wird nicht reichen“

Probleme bei der Einsatzbereitschaft, ein schwieriger Aufbau der Truppe und die fordernde Unterstützung im Ukraine-Krieg: Alfons Mais, Generalleutnant und Inspekteur des Heeres, spricht im Interview über die Herausforderungen für die Bundeswehr.

Alfons Mais, Bildquelle: Bundeswehr

Schon zu Beginn des russischen Einmarschs in die Ukraine haben Sie den Zustand der Bundeswehr so bezeichnet, dass das „Heer mehr oder weniger blank dasteht“. Die Auslandseinsätze der Bundeswehr nehmen wegen der globalen Krisenherde zu, parallel dazu muss sie die Bündnis- und Landesverteidigung gewährleisten. Die Aufstockung des Heeres und des Materials erfolgt aber nicht im entsprechenden Maß. Wie ist es um die Einsatzbereitschaft des Heeres bestellt? 

Alfons Mais, Generalleutnant und Inspekteur des Heeres: Im Rahmen der Zeitenwende sind viele Veränderungen eingeleitet worden. Der Verteidigungsminister hat das Thema Beschleunigung der Beschaffung ganz oben auf seine Prioritätenliste gesetzt. Er geht daran, die Prozesse an die Anforderungen der Zeitenwende anzupassen. Seit vorletzter Woche ist ein Bündel an Vorgaben festgelegt worden. Marktverfügbarkeit, Geschwindigkeit, Deregulierung sind nur einige Stichworte. Aber auch hier gilt: Neben dem unabdingbar notwendigen Material für eine Vollausstattung müssen wir uns auch um strukturelle Verbesserungen, Ausbildungsanpassungen und insbesondere unser Personal kümmern. Ich bin der festen Überzeugung, wir haben schon einige wichtige Schritte gemacht, die Richtung stimmt, es geht vorwärts, aber wir haben auch noch einiges vor uns. 
 

Mit dem zugesagten Sondervermögen von 100 Milliarden Euro des Bundes und dem Umbau der Bundeswehr sind erste Schritte zur Stärkung der Truppe eingeleitet worden. Was braucht die Bundeswehr Ihrer Meinung nach am dringendsten?

Im Sondervermögen ist ein großer Anteil für die Verbesserung der Führungsfähigkeit der Bundeswehr und insbesondere der Landstreitkräfte vorgesehen. Dafür bin ich sehr dankbar, denn das adressiert das größte Defizit der jüngeren Vergangenheit. Daneben gilt es im Heer die Kampftruppe durch weitere Schützenpanzer PUMA zu stärken und durch den Aufbau radbeweglicher, sogenannter „Mittlerer Kräfte“ flexibler und breiter auszubauen. Gleichzeitig müssen wir neuen Bedrohungen, zum Beispiel durch Drohnen, begegnen, um unsere Truppe zu schützen. Darüber hinaus zeigt uns der Ukraine-Krieg, wie wichtig weitreichende Artillerie und Kampfdrohnen auf dem modernen Gefechtsfeld sind. Hier haben wir noch Lücken. 

Wo sehen Sie aktuell und in den nächsten Monaten für die Bundeswehr den größten Einsatz- und Handlungsbedarf?

Zunächst einmal gilt es, das Sondervermögen, die 100 Milliarden Euro, die uns zur Verfügung gestellt wurden, rasch, zielgerichtet und zur Verbesserung der materiellen Einsatzbereitschaft der Truppe umzusetzen. Dennoch ist schon absehbar, dass das Sondervermögen nicht reichen wird, die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr für die Landes- und Bündnisverteidigung umfassend wiederherzustellen. Dazu müssen die finanziellen Mittel für die Bundeswehr weiter kontinuierlich gesteigert werden. Ansonsten verpufft die Anschubfinanzierung durch das Sondervermögen. Für das Heer heißt das zunächst, alle bereits verfügbaren personellen und materiellen Ressourcen zu mobilisieren, um die anstehenden Verpflichtungen zu erfüllen. So ist die zeitliche Lücke zu überbrücken, bis beschleunigte Beschaffung, die Investition des Sondervermögens und eine hoffentlich steigende Finanzlinie die Basis für eine Steigerung der Einsatzbereitschaft insgesamt verstärken. 

Der andauernde Krieg in Europa fordert die Bundeswehr. Kann Deutschland die Materiallieferungen für die Ukraine sowie die Ausbildung ukrainischer Soldaten auch noch länger gewährleisten und finanzieren? 

Der Unterstützungsumfang ist eine politische Entscheidung. Angesichts der eigenen Auftragslage schmerzen die Abgaben in der Truppe natürlich, aber sie sind wichtig und nachvollziehbar, insbesondere dann, wenn die Nachbeschaffung verzuglos eingeleitet wird. Wir dürfen aber nicht nur auf das Material schauen. Gute Ausbildung und hohe Motivation sind Schlüsselfaktoren für den Erfolg. Der Verteidigungswille der Ukraine und die Entschlossenheit ihrer Soldaten, die wir ausbilden dürfen, beeindruckt uns alle. 

Im Ukraine-Krieg ist kein Ende absehbar. Wann rechnen Sie mit einem Ende der Auseinandersetzung? 

Wie und wann dieser Krieg zu Ende geht, ist eine Frage, die uns alle beschäftigt. Und ich bin ehrlich: Ich möchte hier keine Prognose wagen. Da spielen zu viele Faktoren eine Rolle. 

Debatte auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel 

Zum Thema „Sicherheit in Kriegszeiten schaffen: Ein besserer Schutz für Staat und Wirtschaft im globalen Krisenzeitalter“ spricht Alfons Mais am 3. Mai auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee. Zu den weiteren namhaften Experten der Diskussionsrunde zählen: Horst Teltschik, Architekt der Deutschen Einheit, Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesverteidigungsministerin a. D., und Gerda Hasselfeldt, Bundesgesundheitsministerin a. D. sowie Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes. Das Gespräch wird via Livestream übertragen: www.ludwig-erhard-gipfel.de 
 

Ähnliche Artikel