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Debatte > Serie Bürokratie

Gelesen, gelacht, gelocht: In einer Krise nicht mehr handlungsfähig

Bürokratie hält Apotheker nicht nur vom Einsatz für ihre Kunden ab. Sie lähmt auch Innovationen und kostet die gesetzlichen Krankenkassen jährlich 900 Millionen Euro.

Bundestagsabgeordneten Andrew Ullmann (FDP) hat Post bekommen: Einen achtseitigen Brandbrief von Daniela Hänel, Vorsitzende der Freien Apothekerschaft.
Bundestagsabgeordneten Andrew Ullmann (FDP) hat Post bekommen: Einen achtseitigen Brandbrief von Daniela Hänel, Vorsitzende der Freien Apothekerschaft. Bildnachweis: picture alliance/dpa | Annette Riedl

Wohl nirgendwo so sehr wie bei medizinischen Berufen wünschen sich die Menschen zu Recht Kontrolle, Dokumentation und Nachweispflichten. Das leuchtet auch den Apothekern und Apothekerinnen ein. Trotzdem ist einer von ihnen jetzt der Kragen geplatzt. Daniela Hänel, Vorsitzende der Freien Apothekerschaft, hat vor Ostern einen Brandbrief an die Politik geschickt, genauer an den Bundestagsabgeordneten Andrew Ullmann (FDP). Der hatte sich zuvor skeptisch gegenüber dem Vorwurf der Apotheker geäußert, überflüssige Bürokratie halte sie vom Dienst am Menschen ab. 

Hänel zürnt: „Wir werden überreguliert. Durch diese Bürokratie, Dokumentation und Einhaltung sämtlicher Gesetze, Verordnungen, Richtlinien, Vorgaben, Auflagen, Lieferverträge ist ein pharmazeutisches Arbeiten, so wie es im Studium gelehrt wird, nicht mehr möglich“. Die Frau vom Fach warnt eindringlich: „Wir sind durch die Überregulierung nicht mehr handlungsfähig, um Krisensituation jeglicher Art meistern zu können.“

Hänel steht mit ihrer Kritik nicht allein. In einer Apokix-Umfrage erklärten 2022 rund 97 Prozent der Befragten, ihr Papierkram habe in den vergangenen fünf Jahren stark zugenommen. Die Hälfte stresse nichts mehr in ihrem Beruf als Bürokratie. Bei 38 Prozent verschlinge der Aufwand mehr als vier Stunden pro Arbeitstag, bei 21 Prozent sind es drei bis vier Stunden und bei 22 Prozent zwei bis drei Stunden. Zeit, die ihnen auch zur Kundenberatung fehlt. Das ist doppelt bitter, weil die konkurrierenden Versandapotheken dank günstiger Preisen für nicht beratungsintensive Medikamente immer stärkeren Zulauf bekommen. 

Zudem verhindere die Bürokratie Innovationen. Fast 80 Prozent der Apothekenleiter sei dadurch abgehalten worden, neue Leistungen in ihrer Apotheke anzubieten oder auszubauen – zum Beispiel Hilfsmittelversorgung oder der Durchführung von Corona-Schnelltests.  Die via-Bürokratiestudie 2022 hat aus dem Verwaltungsaufwand die Folgekosten für die gesetzlichen Krankenversicherungen errechnet. Zusammengefasst: Im Durchschnitt erfordert ein GKV-Rezept rund 3,25 Minuten Bürokratiezeit. Das kostet die deutschen Krankenkassen mindestens 900 Millionen Euro im Jahr. Jede Apotheke werde im Mittel mit 49.000 Euro belastet. Es geht aber nicht nur um Geld. Diese Summe zur Bewältigung der Bürokratie entspricht laut der Studie rund 14.000 Vollzeitstellen. 

Die Details, mit welchen Vorgaben die Pharmazeuten täglich zu kämpfen haben, lieferte Hänel in ihrem Brandbrief an den FDP-Bundestagsabgeordneten gleich mit. Es ist eine achtseitige Spiegelstrich-Liste. Beim Lesen wird einem schwindelig. 

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