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Debatte > Digitalisierung

Premium geht anders: Das Analoge hat eine Zukunft

Strategieberater Falk S. Al-Omary erläutert in einem Gastbeitrag, wo Digitalisierung ihre Grenzen hat und warum der Faktor Mensch letztendlich nicht nur unverzichtbar ist, sondern Qualität garantiert.

Digitalisierung
Die Digitalisierung hat ihre Grenzen. Der Faktor Mensch bleibt unverzichtbar. Quelle: Shutterstock

Termine platzen, nicht selten kurzfristig. Absprachen werden nicht eingehalten, Versprechen gebrochen. Der Handschlag gilt kaum noch etwas. Die Zuverlässigkeit nimmt ab, sowohl bei Mitarbeitern und Lieferanten als auch gegenüber den Kunden. Die deutsche Wirtschaft hat ein Commitment-Problem. Viele Unternehmer werden dies bestätigen. Die ehemals „deutschen Tugenden“ Pünktlichkeit, Fleiß und Disziplin zählen nur mehr wenig.

Chillen und Work-Life-Balance stehen weitaus höher im Kurs als Verantwortungsübernahme und Pflichterfüllung. Und nun auch noch der Wunsch nach einer 4-Tage-Woche, natürlich bei vollem Lohnausgleich. Life kostet schließlich Geld. Work ist nur Mittel zum Zweck, lästige Unterbrechung der Freizeitaktivitäten, die den eigentlichen Sinn des Lebens definieren. Etwas Schaffen, anderen dienen, Ergebnisse produzieren? Wozu? Was habe ich davon? Hedonismus allenthalben, der desto ausgeprägter ist, je weniger individuelles Produktivitätspotenzial vorhanden ist.

Irgendetwas fehlt fast immer

Hinzu kommen der generelle Fach- und Arbeitskräftemangel, überbordende Lohnkostensteigerungen, Sprach- und Kommunikationsdefizite bei immer mehr Arbeitnehmern sowie fehlende soziale und berufliche Qualifikationen. Dies alles führt zu immer weniger Service und bringt auch diejenigen in die Bredouille, die an sich und ihre Produkte höchste Ansprüche stellen oder Dienstleistungsexzellenz anstreben. Irgendetwas in der Liefer- und Prozesskette fehlt heute fast immer.

Der Kunde gerät allzu oft aus dem Fokus

Diejenigen, die noch wollen, meistens die Unternehmer selbst oder Mitarbeiter „vom alten Schlag“, sehen ihre Chance, dieser Nivellierung und Commitment-Verarmung zu entkommen, in der Digitalisierung. Immer mehr Roboter, Algorithmen und KIs treten an die Stelle menschlicher Produktivität. Eine generelle Lösung bringt dies indes nicht sicher. Denn: Viele Unternehmen digitalisieren zwar Prozesse, um Lücken zu schließen, nehmen aber dabei meist die eigene Perspektive ein. Bekämpft wird der Mangel. Lösungen für intern vorhandene Defizite werden gesucht. Es dominiert die „Wir-Perspektive“. Der Kunde mit seinen Wünschen gerät dabei allzu oft aus dem Fokus.

Schlechtes bleibt schlecht

Die negativen Beispiele der Digitalisierung und somit Kundenwünsche finden sich an den Fahrkartenautomaten von Verkehrsbetrieben, bei „digitalen“ Behördenleistungen oder den Service-Apps und Hotlines von Energieversorgern. Es sind diese abschreckenden Beispiele, die vor allem eines belegen: Es hat keinen Sinn, schlechte und nicht am Kunden ausgerichtete Prozesse von der analogen in die digitale Welt zu übertragen. Schlechtes bleibt schlecht, auch wenn es statt in Aktendeckeln in der Cloud abgelegt wird.

Mangel ist ansteckend

Exzellenz, Premium, Servicequalität erfordern jedoch die radikale Orientierung am Kunden. Der interne Mangel an Personal oder Aufopferungsbereitschaft ist meist ein schlechter Ratgeber im Rahmen der Digitalisierung. Denn: Mangel ist ansteckend. Er überträgt sich und lässt den Kunden unzufrieden und frustriert zurück. Chatbots sind weder in der Lage, dem Kunden in seinem Reklamationsärger Respekt und Empathie zu zollen, noch aus der Beschwerde soziales Kapital zu generieren. Der Hotel-Check-In und -Check-Out mittels QR-Code ersetzt nicht das Gefühl des Willkommenseins. Und der Ferndiagnose des Hausarztes oder Handwerkers ohne reale Inaugenscheinnahme darf zurecht misstraut werden. Checklisten und Algorithmen ersetzen menschliche Interaktion nicht.

Und so bleibt ein Gefühl der Unzufriedenheit zurück. McDonalds wird immer teurer – der Inflation und dem Personalmangel sei Dank. Zugleich aber übernimmt der Gast einen Großteil der Arbeit. Er bestellt selbst – am Terminal. Er scrollt sich durch x Auswahlmöglichkeiten und Varianten, zahlt am Ende bargeldlos und reiht sich dennoch in der Ausgabeschlange ein. Eine Verbesserung? Eher nicht. Der Kunde hat mehr Arbeit, mehr Stress und weniger Beratung, zahlt aber einen höheren Preis. Dem entgegen stehen zwar das Designambiente der McCafés und der neue Am-Platz-Service, das ungute Gefühl, dass hier etwas nicht zusammenpasst, wird aber dadurch eher verstärkt. Diese Widersprüchlichkeit ist eher die Regel als die Ausnahme. Das Gefühl, dass die Digitalisierung weit überwiegend dem Anbieter nutzt, nicht jedoch dem Kunden, macht sich an vielen Stellen breit.

Über den Autor: Falk S. Al-Omary ist Strategieberater rund um die Themen Marke, Medien, Meinungsbildung und Markteinführung sowie erfahrener Krisenkommunikationsmanager. www.al-omary.com

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