Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Debatte > Gleichberechtigung

Übertriebene Ansprüche bei Kind und Karriere

Wer Familie und Berufsleben in Einklang bringen will, muss sich ehrlich machen: Kind und Karriere gleichzeitig zu optimieren, funktioniert nicht, kommentiert Anke Henrich.

Karriere und Kinder passen für viele Frauen nicht optimal zusammen.

Ach, Ursula, damit hast du Müttern keinen Gefallen getan! Die ehemalige Bundesministerin von der Leyen hat mit ihren sieben Kindern eine steile Karriere zur mächtigsten Frau Europas hingelegt. Das ist vielleicht schön für die ehrgeizige Mutter und hoffentlich auch für die Kinder. Es ist allerdings definitiv kein Modell für 99,9 Prozent aller berufstätigen Mütter. Denn ganz gleich, wie gut sich Mütter organisieren, wie oft sie „Lean in. Women, Work, and the Will to Lead“ der Ex-Facebook-Chefin Sheryl Sandberg unter Freundinnen getauscht haben: Kind und Karriere bekommt niemand verlustfrei unter einen Hut. Nicht in Deutschland und nicht anderswo.
Das Normalokind weint, weil es schon wieder als Letztes von der atemlos und bis eben noch arbeitenden Mutter aus der Kita abgeholt wird. Da hilft auch die eine Stunde Quality-Time-Vorlesen am Abend nicht. Das Mäuschen schätzt dieses Konzept nicht. Das Mäuschen will seine Eltern, wenn es seine Eltern braucht. Zugleich vierteilen sich die gute Mutter und der gute Vater, um allen intrinsischen und extrin­sischen Qualitätskriterien gerecht zu werden.

Das ist kein Problem flexibler Arbeitszeitmodelle oder längerer Elternzeit in fortschrittlichen Unternehmen. Es ist die schlichte, schmerzhafte Erkenntnis: Egal, was die Gesellschaft Frauen und Männern verspricht, berufstätige Mütter und Väter können nicht alles haben. Sie müssen Abstriche akzeptieren: an ihren eigenen Bedürfnissen, an ihren Karrieren, erst recht an den vielleicht nur 20 Lebensjahren, die sie mit ihren Töchtern und Söhnen tatsächlich teilen.
Berufstätige Mütter bilden wunderbare Netzwerke. Davon können Väter lernen. Noch besser wäre es jedoch, wenn sich nicht so viele Frauen fortwährend wechselseitig beurteilen und bewerten würden. „Momzilla“ – was für ein passender Ausdruck. Väter sind entspannter, davon können Mütter lernen. Der neuste Sport in der Mutter-Olympiade ist die „bedürfnisgerechte Erziehung“. Viele Anhängerinnen scheinen das als Auftrag zur Selbstaufgabe zu interpretieren. Alles, wirklich alles dreht sich ums Kind, bis Supermama ausgelaugt zusammensackt. Dabei ahnt sie noch gar nicht, wie Mutter Natur zurückschlagen wird. Viel Spaß damit, wenn das Kind in die Pubertät kommt. Schließlich hat der ­Teenie schon mit der Muttermilch aufgesogen: Meine Wünsche sind hier Befehl.
Zwei Ansätze sind klüger. Wirklich Frieden schließen mit der Tatsache, dass niemand überall perfekt sein kann. Und: die eigenen Bedürfnisse ernst nehmen. Auch aus Kindern solcher Eltern wird was Ordentliches.

Ähnliche Artikel