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Debatte > Gleichberechtigung

Vom Männerland zum Kinderland

Deutschland ist nicht übermäßig familienfreundlich. Wer Gleichberechtigung will, muss das ändern. Unternehmen sind frauenfreundlicher als die Gesellschaft, findet Thorsten Giersch

Deutschland ist kein besonders familienfreundliches Land. In internationalen Umfragen liegen wir weit hinten. Besonders deutlich wurde die gesellschaftliche Stellung von Kindern während der Corona-Hochphase – sie litten und leiden mit Abstand am stärksten. Es mangelt hierzulande an Infrastruktur bei der Kinderbetreuung, was die Teilzeitquote hochtreibt. Ein Grund dafür ist, dass die Berufe Lehrer und Erzieher ein großes Imageproblem haben. Die Liste ließe sich beliebig fortführen. Kindergelderhöhungen kaschieren das nur.
Eines muss die Politik verstehen: Bei Unternehmen hat die Wende zu mehr Familienfreundlichkeit längst viel stärker eingesetzt als beim Rest der Gesellschaft. Der Grund ist der Personalmangel. Er lässt Betrieben keine andere Wahl, als Frauen und Familien zu fördern. Wer Führungskraft ist, gratuliert aufrichtig zur Schwangerschaft und ermuntert, mehr als zwei Monate Elternzeit zu nehmen. All das ist in immer mehr Unternehmen zur Regel geworden oder auf dem Weg dahin.

Was noch längst nicht auf dem Weg ist, ist die Mentalität der Gesellschaft. Hier regiert noch viel zu oft das alte Rollenverständnis. Wie oft wird ein Mann gefragt, wie er das mit Kind und Karriere hinbekommen hat? Wie oft eine Frau? Ähnlich ist es bei der Pflege von Angehörigen, was rund zwei Millionen Deutsche und bald noch viel mehr betrifft. Familienarbeit wird hierzulande weit weniger geachtet als Lohnarbeit.
Wer als Mann den Samstag mit Baumarkt und Gartenarbeit verbringt, gilt gerade bei der älteren Generation als Macher – anders als der, der samstags vier Stunden in der Küche steht, putzt, die Wäsche macht und den Rest des Tages das Kind betreut. Doch genau solche Unterstützung brauchen Frauen, wenn sie unter der Woche Performance bringen sollen. „Ernährer der Familie“ zu sein, bedeutet eben auch, das Essen auf den Tisch zu stellen – anstatt zwingend der Hauptverdiener zu sein. Die Mentalität zu ändern, damit der soziale Druck sinkt, kostet nichts. Es ist aber dennoch die größte Herausforderung überhaupt.

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