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Warum der Nagelsmann-Rauswurf ein schlechtes Signal für Führungskräfte ist

Früher hieß es, Bundesligisten ticken wie jedes Unternehmen, nur härter. Aus der Causa Nagelsmann sollten Verantwortliche etwas lernen: So ein Umgang mit Führungskräften, gerade mit jungen Talenten, führt zu nichts Gutem. Ein Kommentar von Thorsten Giersch. 

Julian Nagelsmann sollte als Trainer beim FC Bayern München eine Ära prägen - nun ist er freigestellt.

Julian Nagelsmann sollte eine Ära prägen und hatte in dieser Saison in der Champions League acht Siege in acht Spielen vorzuweisen – ein Rekord selbst für den FC Bayern München. Doch nun ist der 35-Jährige nicht mehr Trainer. Die Clubführung sah vor allem die Ziele der kommenden Saison in Gefahr, was sich im extrem schnelllebigen Fußballgeschäft krude anhört.
 
In keiner anderen Branche gilt das Leistungsprinzip so stark und so kurzfristig wie in der Bundesliga. Trainer können innerhalb von wenigen Wochen vom gefeierten Star zum gefallenen Engel werden. Es gibt Clubs unter diesen Unternehmungen mittelständischer Prägung, die halten auch in schwierigen Wochen an ihrem Coach fest: der SC Freiburg wird dafür gerade belohnt.
 
Die heutigen Teenager kennen Entlassungen am ehesten aus dem Fußball, wo sonst ist in den Medien derart häufig davon die Rede? Diese jungen Leute, die sich gerade mit ihrer Berufswahl beschäftigen, sehen insbesondere am Beispiel Jürgen Nagelsmann, was es heißt, eine Führungskraft zu sein, Verantwortung zu übernehmen, an Ergebnissen gemessen zu werden. Aber leider auf die perverse Art. Und bewusst oder unbewusst schrecken solche Nachrichten davor ab, Führungskraft zu werden.
 
Es gibt diverse Argumente, die gegen Nagelsmanns Rauswurf sprachen – wichtige Spieler wie Joshua Kimmich und Leon Goretzka lieferten sie. Dennoch ließ man den jungen Trainer in einer Situation fallen, die keineswegs dramatisch zu nennen ist. Dass er allem Anschein nach von seinem Rauswurf aus den Medien erfuhr und nicht zuerst von den Verantwortlichen beim FC Bayern, macht es noch schlimmer. Respekt und Wertschätzung gehen anders.

Warum die Wirkung des Rauswurfs so heikel ist
 
Wer will heute noch Führungskraft werden? Immer weniger, wenn man den Umfragen und Gesprächen mit Verantwortlichen aus dem Mittelstand glauben möchte. Und der Trend ist hier kein Freund. Erstens reißen sich junge Leute immer seltener um Führungsverantwortung – auch weil die Generation der Erben es zum Teil nicht nötig hat, diesen anstrengenden Weg zu gehen, um Vermögen aufzubauen. Zum zweiten kommt mit der sogenannten Expertenlaufbahn eine Alternative auf, die vielen als deutlich attraktiver erscheint: Die Vergütung ist ähnlich, aber man arbeitet mehr in spannenden Projekten als mit bürokratischen Belangen inklusive des Umstands, einen nennenswerten Teil seiner Zeit mit teils renitenten Mitarbeitern sprechen zu müssen.
 
Und das hat nicht nur in der Theorie etwas mit Julian Nagelsmann und dem Verhalten des FC Bayern München zu tun. Jungen Leute ist es wichtig, etwas zu bewegen. Wenn man einem Superstar wie Nagelsmann, der wie gesagt eine Ära prägen sollte, in so einer Situation die Aufgabe „wegnimmt“ und das auch noch auf die Art und Weise – was ist dann erst in der freien Wirtschaft los? Mit denen, die nicht über das Talent verfügen wie Nagelsmann? Will man sich das antun?
 
Nun muss der FC Bayern keine Rücksicht nehmen und aufgrund einer Vorbildfunktion auf einen Trainerwechsel verzichten. Doch allein schon die Versäumnisse in der Kommunikation zeigen, dass man die Nachhaltigkeit, die der Club sich auf die Fahnen geschrieben hat, viel zu eng interpretiert: Nachhaltigkeit ist mehr als Umwelt, und die Frage, ob es bei Heimspielen Papp- oder Plastikbecher gibt. Das E in ESG ist wichtig, ja, aber es gibt auch soziale Aspekte (S) und gute Unternehmensführung, Governance (G). Mut gilt in Unternehmen als wesentliches Kriterium, um innovativ zu sein. Dazu gehört auch, mit jungen Talenten gewisse Risiken einzugehen. Ihnen Vertrauen zu schenken. Dieses Image zu haben, ist für Arbeitgeber eminent wichtig. Der FC Bayern hat es nun nicht mehr.

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