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> Wahlen in Bayern und Hessen

Die SPD kann sich jetzt nicht mehr durchwursteln

19 Millionen Deutsche haben gewählt und der Ampel-Regierung einen mächtigen Denkzettel verpasst, allen voran Kanzler Scholz und seiner SPD. Der Rechtsruck macht der Exportnation Sorge – was es jetzt braucht, kommentiert Thorsten Giersch.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dürfte sich nach den Wahlen in Bayern und Hessen Gedanken machen.

Es war keine Standpauke vom Trainer, was die SPD und Kanzler Olaf Scholz da am Sonntagabend bei den Wahlen in Bayern und Hessen zu hören bekommen haben – es war eine schallende Ohrfeige vom Wahlvolk. 19 Millionen Menschen leben in den beiden Bundesländern, die auch in wirtschaftlicher Hinsicht wahrlich nicht zu den unwichtigsten gehören. In Bayern wurde die SPD nur fünfstärkste Kraft mit kaum zu glaubenden 8,5 Prozent der Stimmen, und in Hessen schaffte es Bundesinnenministerin Nancy Faeser nicht mal annähernd, Amtsinhaber Boris Rhein Paroli zu bieten – und der CDU-Mann ist ja nun auch (noch) kein politisches Superschwergewicht: 15,2 Prozent holte die prominente Kandidatin laut Hochrechnung und wurde damit im ehemaligen SPD-Stammland, wo Hans Eichel, Albert Osswald, Holger Börner, Christian Stock und Georg-August Zinn jahrzehntelang die Ministerpräsidenten stellten, nur viertstärkste Kraft.

Überraschend kam das alles nicht: Laut Umfragen sind vier von fünf deutschen mit der Arbeit der Bundesregierung unzufrieden. Die Stimmung im Land ist wirklich besorgniserregend. Zugegeben hat die Ampel Regierung noch einen mächtigen Reformstau geerbt. Aus 16 Jahren Angela Merkel, Ukraine. Krieg macht es nicht einfacher, wirklich wie eine angekündigte „Fortschritts-Koalition“ zu agieren, die SPD, Grüne und FDP ja sein wollten. Aber das Bild der ersten zwei Jahre ist so desaströs, wie das Wahlergebnis am Sonntag es zeigt. Manchmal ist Politik eben auch gerecht.

Die CDU holte in Hessen ein gutes Ergebnis, kann den Erfolg der AfD aber weiter nicht einbremsen. Das mag auch an der Fehlerserie vom Vorsitzenden Friedrich Merz liegen. Markus Söder hat in Bayern mit 36,7 Prozent das schlechteste CSU-Ergebnis seit den 1950er-Jahren eingefahren. Gelinde gesagt macht ihn das nicht zum geborenen Kanzlerkandidaten der Union bei den Bundestagswahlen in rund zwei Jahren. Wer profitiert, sind die Rechten: In Bayern kamen die Freien Wähler und die AfD laut Hochrechnung auf 15,8 und 14 Prozent der Stimmen – also rund 30 Prozent haben rechts von der CSU gewählt. Wenn das noch kein Weckruf ist, was braucht es dann noch? Will Scholz wirklich als der Kanzler in die Geschichte eingehen, in dem die Rechten zur Volkspartei wurden?

Was die SPD im Kern falsch macht, zeigt sich besonders am Beispiel von Nancy Faeser: Wie man Wahlkampf in Hessen machen kann, ohne dass der Hauptjob als Bundesinnenministerin leidet, ist normalsterblichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht zu erklären. Ja, solcherlei hat es in der CDU auch schon gegeben – zum Beispiel Norbert Röttgen, der nach seiner Niederlage 2012 in NRW von Angela Merkel übrigens als Bundesumweltminister entlassen wurde. Aber im Jahr 2023 hat die Bundesinnenministerin wirklich sehr viel zu erledigen, und so mancher zweifelt daran, ob Faeser das optimal hinbekam in den vergangenen Monaten.

Die SPD macht es dem Rest der Bevölkerung zur Unzeit vor, wie man in Krisenzeiten eben nicht agieren sollte. Dass Motto lautet: Wie man möglichst viel vom Kuchen abbekommt, ohne Risiken einzugehen. Der „Scholzomat-Kanzler“ ist nun auch nicht gerade die fleischgewordene Mutprobe. Genau diese Vollkasko-ohne-Selbstbeteiligungs-Mentalität wird Deutschland in die Armut führen. Es braucht jetzt mehr Risiko statt Kalkül, was dem Wahlvolk zuzumuten sein könnte – und was nicht. Mehr „Das richtig Tun“ statt „Das (womöglich) Unbeliebte lassen“.

Durchwursteln kann sich Scholz nicht mehr. Es braucht zum Beispiel eine Ansage, wie es in der Migrationsfrage weitergehen soll. Und was die Regierung für den Industriestandort Deutschland zu tun gedenkt. Vom Angang der Dauerbaustellen Bildung, Pflege- und Rentensystem wagt so mancher auch noch zu träumen. Ja, die SPD würde für Gerhard Schröders Agenda 2010 mächtig abgestraft. Das, was Deutschland am Ende gut tat, wurde zwischenzeitlich vom Wähler nicht positiv beurteilt. Solcherlei könnte wieder passieren. Aber hat die SPD wirklich etwas zu verlieren? Wohl kaum angesichts der Ergebnisse vom Sonntagabend.

 

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