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Einkauf, Marketing und Marken > Grüne Beschaffung

Nachhaltiger Einkauf: Fertigungskosten können signifikant sinken

Ein nachhaltig aufgestellter Einkauf ist nicht nur fürs Gewissen gut. Mittelständler müssen spätestens dann umsteuern, wenn ihre Großkunden neue „grüne“ Standards verlangen. Warum davon auch Zulieferer profitieren, erklärt der Beschaffungsexperte Wanja Wellbrock.

Volkswagen hat vor Kurzem damit begonnen, seinen gesamten Einkauf nach Nachhaltigkeitskriterien auszurichten. Wie beurteilen Sie diesen Schritt?

Daran kann man ablesen, dass die strategische Relevanz der nachhaltigen Beschaffung immer wichtiger für Unternehmen wird. Für Konzerne, wie Volkswagen, die in der öffentlichen Wahrnehmung kritisch beurteilt werden, ist das eine Chance, ihr Image zu verbessern. Nachhaltigkeitsaspekte werden für Endverbraucher immer mehr zu einem Kaufkriterium. 

Wie sieht ein nachhaltiger Einkauf aus?

Dabei werden Nachhaltigkeitskriterien wie Energieverbrauch, CO2-Ausstoß, Umweltverträglichkeit oder soziale Verantwortung für Mitarbeiter von Vorprodukten oder Rohstoffen als wichtige Einkaufsentscheidungen berücksichtigt. Das heißt, die Entscheidungen werden nicht mehr nur aufgrund von Preis, Qualität und Service getroffen. Heute ist der Fokus primär auf ökologische Nachhaltigkeit ausgerichtet, in den nächsten Jahren werden aber auch soziale und ökonomische Nachhaltigkeitsaspekte an Bedeutung gewinnen werden. 

Was bedeutet das für Zulieferer von Konzernen, die ja oft aus dem Mittelstand kommen?

Im Hinblick auf unternehmensübergreifende Wertschöpfungsketten und Outsourcingraten von bis zu 80 Prozent können sich auch KMU nicht dieser Thematik entziehen. Die Zulassung als qualifizierter Lieferant ist immer mehr von der Einhaltung klarer Nachhaltigkeitsaspekte abhängig, allerdings findet das etwas immer zeitverzögert statt.

Das hört sich so an, als würden KMU ihren Einkauf weniger aus Überzeugung umstellen als vielmehr auf Verlangen der Endprodukthersteller (OEM)?
Man kann hier schon eine Defensivstrategie feststellen. Letztendlich geht es den Unternehmen zumeist um die Vermeidung eines wirtschaftlichen Schadens. Vereinzelt gibt es aber auch Beispiele, die sich durch eine klare Offensivstrategie auszeichnen und Nachhaltigkeit als Differenzierungskriterium gegenüber der Konkurrenz nutzen.

 

Was würde denn passieren, wenn sich ein Zulieferer weigert nachhaltige Produkte zu liefern?

Bei einer Missachtung könnten sich solche Betriebe nicht mehr als Zulieferer qualifizieren und es bestünde die Gefahr von Sanktionen, zum Beispiel in Form von Strafzahlungen. Man darf nicht vergessen, der OEM steht in der Bringschuld. Für KMU ergeben sich dadurch aber eher Vorteile: Bislang konnte der Großkunde die Daumenschrauben mehr und mehr anziehen bis dem Lieferanten die Luft ausging und er Insolvenz anmelden musste. Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit steht eine langfristige strategische Win-Win-Partnerschaft im Fokus.

Wann gilt eine Supply Chain als nachhaltig?
Sie muss auf allen Ebenen ökologisch, sozial und ökonomisch sein. Nicht nur im eigenen Unternehmen, sondern auch bei den vorgelagerten direkten und indirekten Lieferanten sind Standards sicherzustellen und grundlegend zu kontrollieren. Dafür ist Transparenz unabdingbar. 

Was sind die größten Herausforderungen bei der Umstellung?
Man muss intern ein Verständnis für ein nachhaltiges Vorgehen im Einkauf schaffen. Vor allem langjährige Mitarbeiter und Führungskräfte müssen verstehen, dass sich ihre Entscheidungskriterien verändern. Dies kann zu Beginn auch mit höheren Einstandspreisen verbunden sein.

Definition Nachhaltiger Einkauf

 

Nachhaltigkeit – ganz generell – versucht Ökonomie, Ökologie und soziale Verantwortung in Einklang zu bringen. Beim nachhaltigen Einkauf stehen nicht mehr nicht mehr nur klassische Kriterien wie der Preis, die Qualität und der Service im Mittelpunkt, sondern Nachhaltigkeitsaspekte. Um diese zu gewährleisten, müssen die Lieferanten einem Nachhaltigkeitskodex zustimmen, der auch regelmäßig überprüft wird und damit Transparenz schafft. Ziel ist es, die Nachhaltigkeitskriterien auf die gesamte Liefer- und damit Wertschöpfungskette auszudehnen.

Wie lange dauert eine solche Umstellung in etwa?

Die Implementierung eines nachhaltigen Einkaufs ist keine kurzfristige Angelegenheit, sondern sie ist mit sehr viel Aufwand und Zeit verbunden. Eine komplette Integrierung nachhaltiger Aspekte in alle Beschaffungsprozesse kann somit durchaus mehrere Jahre in Anspruch nehmen.

Hat ein nachhaltiger Einkauf auch einen positiven betriebswirtschaftlichen Mehrwert?
Er kann einen erheblichen betriebswirtschaftlichen Mehrwert liefern, der aber vielleicht kurzfristig nicht immer gleich erkennbar ist, sondern erst mittel- bzw. langfristig. Oftmals sind Nachhaltigkeitsstandards überhaupt erst die Voraussetzung für die erstmalige Aufnahme von Geschäftsbeziehungen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass ein nachhaltiger Einkauf auch zu reduzierten Einkaufspreisen führen kann, indem zusammen mit dem Lieferanten eine Optimierung der Fertigungsprozesse beim Lieferanten vorgenommen wird und hierdurch die Fertigungskosten teilweise signifikant reduziert werden können.

Wodurch können die Fertigungskosten so stark sinken?
Zu einem nachhaltigen Einkauf gehört auch eine möglichst ressourcenschonende Produktion, was zwangsläufig zu einer Prozessoptimierungen führt. Die Einkäufer agieren deshalb wie interne Berater, die in Kooperation mit Produktion, Entwicklung und anderen Abteilungen die internen Prozesse umgestalten. Das hat wiederum Einfluss auf die zu beschaffenden Teile. Da kann ein komplettes Umdenken des bisherigen Endproduktes verbunden sein, dadurch können so Produktinnovationen entstehen.

Wie wirkt sich nachhaltiger Einkauf auf den Preis des Endprodukt aus?

In vielen Fällen kann sich der Preis für das Endprodukt mittel- und langfristig erhöhen, da die Kunden den Mehrwert eines nachhaltigen Produktes assoziieren und hierfür bereit sind einen höheren Preis zu zahlen.


So wird Ihr Einkauf nachhaltig 

 

1. Ausgangslage erfassen: Analysieren Sie die bisherige Beschaffungspraxis und –struktur. Daraus können Verbesserungspotential für Lieferkette ableiten. 


2. Strategie definieren: Klären Sie ab, wie Sie sich positionieren möchten. Diese Strategie muss anschließend anhand konkreter Vorgaben konkretisiert werden, zum Beispiel durch die Erstellung von Verhaltenskodizes für die Lieferanten.


3. Maßnahmen festlegen: Erarbeiten Sie konkrete Schritte, um die Beschaffungsstrategie in die Tat umzusetzen. Je nach Abhängigkeit des Risikos einzelner Lieferanten sollten Sie unterschiedliche Maßnahmen festlegen, sodass KMU ihre Ressourcen möglichst schonend einsetzen können.


4. Umsetzung sicherstellen – Setzen Sie die Maßnahmen kontinuierlich bei Ihren Zulieferern um. Definieren Sie Nachhaltigkeitsrisiken und überprüfen Sie die Einhaltung durch ein Monitoring – bei Zulieferern, die Sie nicht so gut kennen, auch vor Ort.


5. Messen und berichten: Das Messen der Leistung und deren Berichterstattung ist ausschlaggebend dafür, die Fortschritte beim nachhaltigen Management der Lieferkette zu dokumentieren. Die Kommunikation der Fortschritte und Herausforderungen schafft Transparenz und dadurch Vertrauen.

Quelle: Hochschule Heilbronn

 

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