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Einkauf, Marketing und Marken > Aus sicherer Quelle

Von wegen Segen: die Crux des Einkaufs

Wer geliebt werden will, geht besser nicht in den Vertrieb – und noch weniger in den Einkauf. Kein Wunder: Die vermeintlich mächtige Abteilung stellt sich in vielen Fällen gar nicht in den Dienst der Firma – sondern versucht in erbsenzählerischer Dumpfheit, monetäre Vorteile zu erzielen

Die Wahl des Besprechungsformats orientiert sich viel zu selten am Zweck und Ziel des Treffens, moniert Guido Quelle in seiner Kolumne.
Die Wahl des Besprechungsformats orientiert sich viel zu selten am Zweck und Ziel des Treffens, moniert Guido Quelle in seiner Kolumne.

Einkauf boomt: Die Stellenbörsen quellen über vor Angeboten für Purchasing-Profis und Young Professionals. Einkäufer haben den scheinbar perfekten Job: Sie bestimmen, wer den Auftrag bekommt. Sie sitzen immer am längeren Hebel. Eine paradiesische Machtposition. Leider nutzen etliche Einkaufsabteilungen das auch gnaden- und schamlos aus. Ob im Lebensmitteleinzelhandel, in der Automobilindustrie, im Anlagenbau oder in manch anderer Branche: Nahezu jeder Verkäufer hat Horrorgeschichten über Verhandlungen mit Einkäufern zu berichten. Wer geliebt werden will, geht besser nicht in den Vertrieb – und noch weniger in den Einkauf.

Das Absurde daran: Die vermeintlich mächtige Abteilung „Einkauf“ stellt sich in vielen Fällen gar nicht in den Dienst der Sache – die da lautet: das eigene Unternehmen bei einem gesunden, profitablen Wachstum zu unterstützen –, sondern versucht in erbsenzählerischer Dumpfheit, monetäre Einkaufsvorteile, messbar in Euro, Cents oder gar Zehntelcents, zu erzielen. Zum Standardrepertoire des typischen Einkäufers gehören Sätze wie: „Tja, Herr Verkäufer, da müssen Sie wohl noch fünf Prozent nachgeben“ oder „So wird das nichts, Sie sind viel teurer als Ihre Konkurrenz“ oder „Das können wir hier intern so nicht abbilden“ – jeweils begleitet von missbilligendem Kopfschütteln. Von den für Verkäufer oft ruinösen und entwürdigenden Online-Auktionen, die immer raumgreifender werden, wollen wir hier gar nicht erst sprechen.

Nackte Zahlen lassen sich leicht rechnen

Die Crux: Einkäufer werden sehr häufig aufgrund der von ihnen erzielten monetären Vorteile beurteilt. Aus Controllingsicht ist das kein Wunder – denn die nackten Zahlen lassen sich leicht rechnen, und jeder kann seine Leistungen anhand der erreichten Zielgrößen bemessen. Dieses Beurteilungskriterium ist aber genauso falsch wie die Beurteilung eines Verkäufers nach Umsatz.

Richtiger ist es, den Einkauf nach Qualitätsgesichtspunkten zu beurteilen: Wie lange halten die eingekauften Produkte? Wie zuverlässig ist der Lieferant? Wie ist der Service, den der Lieferant bereitstellt? Wird man bei rohstoffbedingten Lieferengpässen bevorzugt behandelt? Oder wird man schlicht als Letzter bedient, weil man den Lieferanten zu stark geknebelt hat? Wie ist die durch den Einkauf erzeugte Reputation des eigenen Unternehmens im Markt? Zugegeben: Solche, im Idealfall: unternehmensspezifischen Beurteilungskriterien festzulegen ist kompliziert. Aber es ist der Mühe wert, wenn der Einkauf als Qualitätsgarant das gesunde Wachstum des gesamten Unternehmens unterstützen soll. Denn eine Drückertruppe, die ihre Knebelgespräche in fensterlosen Räumen auf harten Stühlen führt und nur an das eigene Kleinklein statt ans große Ganze denkt, braucht kein Mensch.

„Der Segen liegt im Einkauf!“ – so lautet eine der vielen Bauernregeln der Wirtschaft. Doch auch durch häufigere Benutzung wird der Spruch nicht richtig. Denn Unternehmer wissen längst: Der Segen liegt im Verkauf. Und nur dann, wenn der Verkauf auf der einen und der Einkauf auf der anderen Seite fair für alle Beteiligten zusammenarbeiten, lassen sich die Wachstumspläne des Unternehmens langfristig in die Tat umsetzen.


Dieser Text gehört zu einem Thema aus der Markt-und-Mittelstand-Ausgabe 04/2018. Hier können Sie das Heft bestellen und „Markt und Mittelstand“ abonnieren.