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Einkauf, Marketing und Marken > Digitale Beschaffung

Wie die Corona-Krise den Einkauf verändert hat

Unterbrochene Lieferketten, unsichere Absatzmengen, geschlossene Produktionshallen: Der Lockdown hatte gravierende Auswirkungen auf den Einkauf von Unternehmen. Doch auch danach veränderte das Coronavirus die Beschaffung. Experten beschreiben, wie sich der Einkauf entwickelt.

Einkäufer haben es nicht leicht. Neben den täglichen Herausforderungen müssen sie auch noch die unternehmensübergreifenden Marktentwicklungen im Blick haben, um auf dem aktuellen Informationsstand etwa der Rohstoffpreise zu bleiben. Waren bisher Globalisierung und Digitalisierung die großen Herausforderungen, so kam in diesem Jahr, ausgelöst durch die Corona-Krise, das Risikomanagement hinzu, wie Silivius Grobosch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME), beobachtet. Bei den knapp 10.000 Mitgliedern sind branchenübergreifend sowohl „Einkauf und Logistik als auch das Supply-Chain-Management unter Druck“. Doch wie geht es nun weiter? Beim Blick in die Zukunft hält sich der Verband zurück. Während der BME „seriöse Prognosen zur weiteren Entwicklung“ für nur schwer möglich hält, zeichnen sich für Stefan Bennett von der Einkaufsberatung Inverto „ganz klar zwei Tendenzen ab: Innovationsmanagement und Nachhaltigkeit“. Der Experte für die Transformation des Einkaufs glaubt zudem, dass weiterhin „auch die Digitalisierung eine Rolle“ spielen wird.

Virtuelle Welten

Tatsächlich ist die Digitalisierung das große Thema, an dem sich die Experten im Einkauf orientieren. Peter F. Schmid, CEO des B2B-Einkaufsberaters Visable, weiß, dass so gut wie alle „professionellen Einkäufer online recherchieren – jede B2B-Recherche beginnt im Internet.“ Das hat für Thomas Wandler, Seniorpartner bei Kloepfel Consulting, zur Folge, dass die „Anbieter sich daran gewöhnen müssen, ihre Märkte im Onlinebereich transparenter darzustellen.“ Abnehmer hingegen müssten sich auf volatile Preisentwicklungen einstellen, weil Unsicherheit in den Märkten zu bemerken sei. Dies sei aber nicht bei den Rohstoffpreisen der Fall, sondern bei den Tarifen der Unternehmen, die ihre Dienstleistungen anbieten. Auslastung und Planungen würden sich beispielsweise bei den Lohnfertigern „sehr kurzfristig ändern“.

Dagegen beobachtet Andreas Dölecke, Partner bei Kerkhoff Consulting, dass Automatisierung und Digitalisierung im Einkauf noch zu wenig verbreitet seien. So seien Datenqualität und Transparenz in globalen Beschaffungsmärkten die Basis für den Erfolg. „Einkäufer mit entsprechender fachlicher Qualifikation und analytischen Fähigkeiten für die Ableitung effektiver Einkaufsstrategien werden deutlich stärker gefragt sein. Der operative Einkauf wird durch Automatisierung weitgehend reduziert.“

indirekte Beschaffung

Für den direkten Einkauf mag dies funktionieren, aber wie ist es beim indirekten Einkauf, also der gelegentlichen Beschaffung von aufwendigen Produkten wie IT-Systemen, Produktionstechnik oder Büromöbeln? Da ist zusätzlicher Aufwand vonnöten, weil im Betrieb der erworbenen Güter weitere Kosten für Energie oder die Instandhaltung entstehen. Auch das müssen die Einkäufer berücksichtigen. Vor allem mittelständischen Unternehmen macht das nach Beobachtung von Siegfried Hakelberg, Vertriebsleiter bei Mercateo, einer Beschaffungsplattform für Geschäftskunden, zu schaffen. „Die Prozesse werden häufig noch manuell und nicht digital unterstützt.“ Der Grund: Oft ist es die Scheu vor einem von den Firmen als zu komplex und kostspielig eingeschätzten Digitalisierungsprojekt, das auch im indirekten Einkauf unterstützen könnte. Dabei ist der IT-Aufwand für einige Lösungen überschaubar und die Nutzung oft web-basiert ohne eigene Software möglich.

Das ist kein Grund zur Sorge, wie Silvius Grobosch vom BME sagt: „Damit die Digitalisierung der klassischen Beschaffungsprozesse voranschreiten kann, sollten Einkäufer noch stärker als bisher E-Tools für das Lieferantenmanagement einsetzen.“ Doch er weiß nur allzu genau: „Hier tun sich vor allem Klein- und Mittelunternehmen noch schwer.“

Die Erkenntnisse aus der Krise könnten die Argumente für ein Digitalisierungsprojekt unterstützen. „Versorgungssicherheit ist auch in Home-Office-Zeiten zu organisieren“, meint Hakelberg von Mercateo. Zu erkennen sei, dass der strategische Anteil am Geschäft zunehme. Diese weitere Belastung verlange dem Einkäufer einiges ab. So müsse er auf Lieferengpässe oder den Ausfall von Lieferanten rasch reagieren, damit die Produktion kurzfristig änderbar sei. Zudem müssten Lieferkontrakte angepasst, und neue Lieferquellen gefunden werden.

Neue Aufgaben

Die beruflichen Herausforderungen eines erfolgreich durch die Krise gegangenen Einkäufers haben sich verändert. Das stellt Wandler von Kloepfel fest: „Bisher waren viele Unternehmer der Meinung, dass ein Einkäufer, der jedes Angebot nachverhandelt, der Beste sei.“ Doch dabei seien die Kosten für den entstehenden Aufwand völlig außer Acht gelassen worden. Ein guter Einkäufer sollte den Verkaufsmarkt des eigenen Unternehmens kennen und beobachten. Zudem betont Wandler, dass die Datenqualität etwa von Konstruktionszeichnungen besser werden müsse – „das wird eine der großen Herausforderungen, wie sich in der Corona-Krise gezeigt hat.“

Damit wird die Qualität der digitalen Daten auch hier zu einem wichtigen Thema für den Einkäufer. Schließlich muss er sich bei seinen Recherchen in unterschiedlichen Datenbanken auf die Exaktheit der Informationen verlassen können, wie Grobosch vom BME betont. „Er scannt die für seine Beschaffungsaktivitäten relevanten Märkte regelmäßig und unterzieht sein gesamtes Risikomanagement einem kontinuierlichen Monitoring.“

Selbst das Thema Nachhaltigkeit, mit dem Unternehmen sich nicht nur nach außen profilieren, sondern auch bei internen Prozessen Kosten einsparen können, liegt in der Verantwortung des Einkaufs. „Die Procurement-Abteilungen sitzen da an den Schalthebeln. Sie haben es in der Hand, den Ressourcenverbrauch im Einkaufsprozess zu verringern, stärker auf erneuerbare Energien zu setzen oder Gefahrstoffe in der Produktion zu vermeiden“, sagt Grobosch.

Umfangreiches Wissen

Hier schließt sich Stefan Bennett von Inverto an: „Ein Einkäufer muss in erster Linie wissen, was das eigene Unternehmen braucht und wo Potentiale zur Weiterentwicklung verborgen sind, um sie zu heben.“ Hier ist eine genaue Kenntnis seines Unternehmens notwendig. „Der Einkäufer wird zum Schnittstellenmanager mit hohem technischem Sachverstand und Affinität zu Daten“, ist Andreas Dölecke, Partner bei Kerkhoff Consulting, überzeugt.

Durch Markt- und Branchenkenntnis wird der Einkäufer für das gesamte Unternehmen zu einem unverzichtbaren Experten. Neben dem Überblick über seine Lieferanten hält er enge Kontakte zu den Unternehmensbereichen und wird über Entwicklungsthemen in einem frühen Stadium informiert. „Er ist die Spinne im Netz“, sagt Dölecke.

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