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Finanzierung > Streiks belasten

Baubranche vom Boom zum Bankrott

Gerade war noch Boom, jetzt droht zig Betrieben der Bankrott: Die Baubranche befindet sich in einer heiklen Lage. Und in dieser Woche wurde erstmals seit 17 Jahren auf deutschen Baustellen auch noch gestreikt.

Die Fronten sind verhärtet wie schon lange nicht mehr. Nachdem die Arbeitgeber den Schlichterspruch des früheren Präsidenten des Bundessozialgerichts, Rainer Schlegel. abgelehnt haben stehen der Bauwirtschaft stürmische Zeiten bevor. Gut 250 Euro mehr Lohn und danach noch einmal 4,15 Prozent im Westen sowie 4,95 Prozent im Osten mehr ist den Arbeitgebern offenbar immer noch zu viel. Die Gewerkschaften sind inzwischen auf die alte Forderung von mindestens 500 Euro und einer Laufzeit von zwölf Monaten zurückgekehrt und setzt auf Arbeitskampf. „Jetzt wird gestreikt, und das massiv“, verkündet Robert Feiger, Chef der Gewerkschaft IG Bauen Agrar Umwelt. „Jetzt haben es die Arbeitgeber in der Hand, ob die Häuser und Wohnungen fristgerecht fertig werden, ob der Stau aufgrund von Autobahnbaustellen noch länger wird.“

Entsprechend warnt die ohnehin gebeutelte Branche vor wirtschaftlichen Schäden durch die Streiks. So würden die dringend benötigten Wohnungen später fertig werden. Über eine tatsächliche Auswirkung der Tarifauseinandersetzung will man beim Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) aber nicht offen spekulieren. Verzögerungen seinen nicht ausgeschlossen. Der Streik betrifft eine der größten Branchen Deutschlands, die im vergangenen Jahr ein Investitionsvolumen von 475 Milliarden Euro abgedeckt hat. Nach Branchenangaben wurde somit im vergangenen Jahr 165 Milliarden Euro erwirtschaftet.

 

Selbst ZDB-Vize Uwe Nostiz streitet nicht ab, dass die 930.000 Beschäftigten am Bau einen Nachschlag bei den Vergütungen verdient hätten. Doch die konjunkturelle Lage gebe das nicht her. Der Verband will weiterverhandeln und eine Lösung finden. Es ist der erste Arbeitskampf seit 17 Jahren. Dafür scheint es umso heftiger zu werden. Die IG BAU richtet sich offenbar au eine längere Auseinandersetzung ein. Vorerst soll es zu regional begrenzten Streiks kommen. Das schafft die Möglichkeit einer Steigerung und schont gleichzeitig die Kasse der Gewerkschaft. Die könnte in den kommenden Wochen noch sehr beansprucht werden.

Die Taktik der IG BAU könnte aber auch dafür sorgen, dass sich der Spaltpilz innerhalb des Arbeitgeberlagers weiter ausbreitet. Denn es Unternehmen, die mit dem Schlichterspruch durchaus leben könnten. Das gilt beispielsweise für Bereiche, die stark von großen Infrastrukturmaßnahmen oder dem Sanierungsgeschäft leben. Die spüren den derzeitigen Konjunktureinbruch weniger. Selbst ZDB und der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie empfehlen für diese Bereiche freiwilligen Zahlungen von fünf Prozent für den Westen und den Osten sechs Prozent mehr Lohn. Das ist mehr als ursprünglich bei den Tarifverhandlungen auf dem Tisch lag. Das bringt die IG BAU erst recht in Rage, denn die Gewerkschaft pocht auf einen einheitlichen Abschluss.

Doch von solchen Lohnerhöhungen wollen Betriebe, die am Wohnungsbau hängen nichts wissen. Sie blicken schon im zweiten Jahr tief in den Abgrund. Allein im ersten Quartal 2024 sind die Bauanträge je nach Immobiliengröße zwischen einem Viertel und einem Drittel zurückgegangen. Dabei ist der Vergleichswert aus dem Vorjahr ebenfalls schon deutlich niedriger gewesen als noch 2022. Der Wohnungsbau hat somit 2023 11,5 Prozent an Umsatz verloren macht aber trotz dieser Krise immer noch 61 Prozent an den Gesamtinvestitionen aus. Ein Fünftel trägt der Wirtschaftshochbau bei. Öffentliche Investitionen in Hoch- und Tiefbau kommen auf einen Anteil von knapp zwölf Prozent.

Auch für dieses Jahr werden rund um den Wohnungsbau weitere Umsatzeinbußen von bis zu zwölf Prozent erwartet. Das Ifo-Institut geht entsprechend davon aus, dass lediglich 225.000 neue Wohnungen auf den Markt kommen werden. Damit würde die Bundesregierung erneut ihr Ziel von jährlich 400.000 Einheiten verfehlen. In den anderen Bereichen sind die Erwartungen für dieses Jahr zwar auch negativ aber nicht ganz so düster. Darum hatten die Arbeitgeber vorgeschlagen, im Tarifvertrag die Betriebe auszuklammern, die in einer schwierigen Lage sind. Doch das hat die IG BAU abgelehnt.

Die Gewerkschaft will offenbar den grassierenden Fachkräftemangel zu Gunsten Ihrer Mitglieder ausspielen. Dabei setzt man darauf, dass der Personaldruck in den nächsten Monaten sogar noch steigen wird, denn mit den sich abzeichnenden Zinssenkungen wird ab der zweiten Jahreshälfte mit einer langsamen Erholung in der Branche gerechnet. Ob dann die vielen Subunternehmer aus Osteuropa wieder zurückkehren, ist nicht ausgemacht. So musste eine baden-württembergische Handwerkerdelegation bei einer Polen-Reise im April mit Schrecken feststellen, dass dort ihre Kollegen bereits auf den Wiederaufbau in der Ukraine warten und dann auch nicht mehr nach Deutschland kommen würden. Dem Bau und dessen Auftraggeber hierzulande würde dann das nächste Ungemach ins Haus stehen.

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