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Finanzierung > Kommentar

Pensionslast & Rentenkrise: Warum der Beamtenstatus auf den Prüfstand gehört

| Thorsten Giersch

Die Beamtenversorgung droht zu explodieren. Jetzt braucht es Mut zur Reform – mit weniger Privilegien und ehrlicher Lastenverteilung.

Mehr Ruhestand, mehr Kosten: Wird die Pensionslast für Beamte für Bund und Länder zur finanziellen Zeitbombe? Oder liegen die wahren Probleme an anderer Stelle? (Foto: ki-generiert)

Die Kosten für Rente und Pensionen sind nur zu stemmen,  wenn Leistungen gekürzt und Sonderposten gestrichen werden. 

von Thorsten Giersch

 

Der Generationenvertrag ist aus den Fugen: Nach einer aktuellen Studie müssen 2020 geborene Kinder in ihrem Erwerbsleben durchschnittliche 56 Prozent der versicherungspflichtigen Einnahmen für Sozialversicherungsbeiträge aufwenden. Das sind 16 Prozent mehr als für die 1960 Geborenen, die nächstes Jahr in Rente gehen. Auch die Unternehmen im Land sollten Sturm laufen angesichts der erwartbaren Zahlen. Die Arbeitgeber tragen heute rund 50 Prozent der Rentenlast. Und sie dürfte steigen. 

Kein Wunder also, dass Bärbel Bas nicht lange fackelt: Die neue Arbeits- und Sozialministerin der SPD machte sich in der Partei gleich zum Start richtig beliebt und regte an, auch Beamte, Abgeordnete und Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen.

Na endlich kümmert sich mal jemand um die Rentenlücke, die sich da in einer Größe auftut, dass der Grand Canyon im Vergleich wie ein Kratzer im Lack aussieht. Warum ist ihr Vorgänger Hubertus Heil (SPD) nicht darauf gekommen? Weil es wenig bringt, lautet die simple und harte ­Antwort. 

Der Vorschlag hat mit dem Titel des Koalitionsvertrags „Verantwortung für Deutschland“ nicht viel zu tun. Beamte und Selbstständige werden die Rente nicht retten.

Klar, klingt es gerecht. Natürlich schaut ein großer Teil der Normalsterblichen neidvoll auf die Beamtenpensionen. Doch in Wirklichkeit zündet Bas hier nur eine Nebelkerze, mit dem hohen Risiko, dass sie die wirklich notwendigen Reformschritte im Rentensystem deshalb vergisst oder verschiebt. Nicht zuletzt ist es um die Versorgung der Beamten ähnlich katastrophal bestellt. Hier schlummert eine Zeitbombe für Bund und vor allem Länder, denn der Babyboomer-Effekt gilt auch für den öffentlichen Dienst. Die versprochenen Ruhegehälter seiner ehemaligen Diener sprengen die Möglichkeiten. 

2029 dürfte die Zahl der Pensionäre ihren Höhepunkt erreichen, aber die Lasten werden auf Jahrzehnte auf sehr hohem Niveau bleiben. Rund 91 Milliarden Euro gaben Bund, Länder und Gemeinden 2024 für Pensionen aus und damit doppelt so viel wie 2007.

Womit offenbar niemand gerechnet hat: Nicht nur Angestellte leben immer länger, auch Beamte. Die Wirtschaftsweisen haben berechnet, dass die Altersbezüge für ehemalige Beamte heute 1,7 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung kosten. 2080 sollen es 2,2 Prozent sein. 

Wer das Rentenniveau von 48 Prozent des Durchschnittsverdiensts nicht anpacken will, möchte auch die bis zu 72 Prozent nur ungern infrage stellen – jenen Anteil an ihrer ehemaligen Besoldung, den pensionierte Beamte bekommen. Denkverbote darf es nicht geben, auch weil Bund und Länder zwar seit Jahrzehnten Rücklagen bilden, aber viel zu wenige. Und anders als in Sachsen konnten sich viele Länder nicht beherrschen, zuzugreifen und die Rücklagen schon mal für anderes auszugeben. Was also tun?  

Die Länder erheben viele ihrer Mitarbeiter in den Beamtenstatus, obwohl sie keine hoheitlichen Aufgaben verrichten. Das bekannteste Beispiel sind Lehrerinnen und Lehrer. Wenn wir die Verbeamtung hier bundesweit einheitlich streichen, wird der Job noch unattraktiver? Mag sein, aber die, die nur wegen des Beamtenstatus deshalb Kinder unterrichten wollen, sind die falschen für den Job. Und andere Länder schaffen es auch ohne Verbeamtung, dass die Nachfrage für diesen Beruf hoch ist.

Zwingend ist der Beamtenstatus unter anderem für Polizei, Justiz, Militär und die Finanzverwaltung. Sie machen 38 Prozent aller Beamten aus. 

Eine weitere Teillösung wäre, die Mütterrente von Markus Söder (CSU) dorthin zu packen, wo sie hingehört: in den Papierkorb. Außerdem sollte die Rente mit 63 eingestampft werden. Die Frühverrentung einzuschränken, wäre der am schnellsten wirkende Hebel in der jetzigen Situation. Allein im Jahr 2023 haben rund 279.000 Beschäftigte von ihr Gebrauch gemacht, mehr als jeder vierte Neurentner. Sind das alles körperlich stark beanspruchte Dachdecker? Wohl eher nicht.

Warum also koppelt die Arbeitsministerin das Renteneintrittsalter nicht an die Lebenserwartung, wie es in zig anderen Ländern bereits üblich ist? 

Solche Reformen sind schmerzhaft, weil sie Privilegien streichen und rein politische Forderungen beseitigen. Für das Rentensystem, die Volkswirtschaft und künftigen Generationen wäre es wohltuend. Nicht zu handeln, ist fahrlässig. Deutschlands Jahrhundertproblem wird falsch angegangen,  

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