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Finanzierung > Krise in der Automobilindustrie

Bei ZF stehen die Zeichen auf Sturm

Beim Autozulieferer ZF in Friedrichshafen am Bodensee brodelt es gewaltig. Konzernchef Holger Klein stößt mit seinem Sparkurs auf heftigen Widerstand.

Portrait Holger Klein, ZF
Holger Klein, Vorstandsvorsitzender der ZF Friedrichshafen AG (CEO), unter Druck (Foto: picture alliance, Felix Kästle)

ZF steuert auf einen heißen Herbst zu. Die Stimmung beim zweitgrößten deutschen Autozulieferer ist so schlecht, wie schon lange nicht mehr. Der Konzern bekommt die Krise in der Autoindustrie mit voller Wucht zu spüren. Da nutzt es auch nicht, dass die Entwickler viele neue Lösungen vor allem für die E-Mobilität ausgetüftelt und zur serienreife gebracht haben. Die potentiellen Käufer von Autos, Lastwagen und Bussen halten ihr Geld zusammen und ordern nicht bei den Herstellern.

Für ZF spitzt sich die Lage dramatisch zu. Erwartet wird, dass der Konzern in diesem Jahr mit „40 bis 42 Milliarden Euro“ deutlich unter dem Umsatz des Vorjahres von 46,6 Milliarden Euro liegen wird. Der bereinigte Free Cashflow werde in diesem Jahr nur noch 100 statt 800 Millionen Euro erreichen, räumte der Konzern vom Bodensee kürzlich ein. Auch die angepeilte Rendite von mehr als fünf Prozent ist offenbar nicht mehr realisierbar. Dadurch lastet der Schuldenberg noch schwerer auf dem Hersteller von Getrieben, Sicherheitssystemen und Antrieben. Insgesamt steht ZF mit rund elf Milliarden Euro in der Kreide. Jedes Jahr muss allein für die Zinsen mehr als eine halbe Milliarde Euro entrichtet werden. So fließt viel Geld ab, das durch das laufende Geschäft immer schwerer kompensiert werden kann.

Abbau bis zu 14.000 Stellen

Erschwerend kommt hinzu, dass der Sparplan von ZF-Vorstandschef Holger Klein offenbar nicht aufgehen will. Dabei sollten die gestressten Kassen des Konzerns um sechs Milliarden Euro entlastet werden. Dazu soll auch der Abbau von bis zu 14.000 Stellen in Deutschland bis 2028 beitragen.

Im Heimatland beschäftigt ZF an 35 Standorten 54.000 Mitarbeiter. Doch dem Vernehmen kommen die Sparbemühungen nicht so recht voran. Drum verschärft der Vorstand das Tempo. Wie gestern bekannt wurde, sollen in Saarbrücken 1800 der insgesamt 10.000 Beschäftigten gehen. Dort werden Getriebe für Autos mit Verbrennermotoren, Hybridfahrzeuge als auch für Elektroautos hergestellt. Bis 2028 könnten sogar bis zu 4500 Stellen wegfallen.
 

Jeder dritte Standort gefährdet?

Um zusätzliche Einsparmöglichkeiten aufzuspüren, durchleuchten gut vier Dutzend Spezialisten der Beratungsgesellschaft des Beratungskonzerns McKinsey den Konzern. Allerdings bisher wohl ohne durchschlagenden Erfolg. „Wir haben Tausende eigene Spezialisten, die das Unternehmen viel besser kennen, als diese Leute“, lässt Betriebsratschef Achim Dietrich keinen Zweifel daran, dass er von den externen Sparkommissaren herzlich wenig hält. „Die kappen pauschal zehn Prozent der Kosten. Egal wie sinnvoll das dann ist“, urteilt der Betriebsratschef. Ginge es nach den Beratern wäre jeder dritte Standort in Deutschland gefährdet, so Dietrich, der dem Vorstand vorwirft, im „Panikmodus“ zu agieren.

Wir brauchen die Leute doch, wenn es wieder aufwärts geht

Er stemmt sich auch gegen den geplanten Kahlschlag im Konzern. Die Aufwendungen für Löhne und Gehälter hätten nur einen Anteil von 15 Prozent an den Gesamtkosten. Bei den E-Produkten seien es sogar nur acht Prozent. Somit seien die Personalkosten kein triftiger Grund, um in Deutschland Stellen zu streichen, um sie dann im Ausland wieder aufzubauen. So eine Verlagerung rechne sich bei genauer Betrachtung gar nicht. Oft werde der Aufwand für den Aufbau neuer Standorte oder die Logistikkosten nicht mitberechnet.

Der Betriebsrat will deshalb die Stellen in Deutschland halten und die die Durststrecke mit Kurzarbeit, Schließtagen und der Verbesserung von Prozessen überwinden. „Wir brauchen die Leute doch, wenn es wieder aufwärts geht“, ist Dietrich überzeugt. Doch er liegt mit dem Vorstand über Kreuz, „weil der eine Flurbereinigung vollziehen will.“ Der mächtige Betriebsratschef sieht nun aber die Konzernleitung am Zug in dessen Feld nun der Ball liege. „Die Lage ist sehr, sehr, sehr ernst.“

Dietrich will erreichen, dass der Vorstand noch im Oktober klar erklärt, wie es bei ZF weitergehen soll. „Wir wollen den Leuten noch vor Weihnachten dann definitiv sagen können, was auf sie zukommt.“ Damit der Zeitplan auch gelingt, will der Betriebsrat den Druck notfalls noch erhöhen. Notfalls würden die Trillerpfeifen noch lauter schrillen. Anfang September haben bereits 20.000 Beschäftigte vor der Konzernzentrale demonstriert. „Diese Proteste hätten noch nicht den erhofften Effekt gezeigt.“

Konzernchef Klein unter Druck

Die Arbeitnehmervertreter wissen einen Großteil der Belegschaft hinter sich. Das reiche bis weit in die Führungsetagen hinauf, so Dietrich. Der Frust sei hoch. So registriert ZF inzwischen eine Fluktuationsquote von drei Prozent. Bisher lag der wert bei 0,5 Prozent. „Normalerweise bleiben die Leute ein ganzes Arbeitsleben lang in der Firma“; so Dietrich im Gespräch mit Journalisten des „Wirtschaftspresseclubs“ in Stuttgart. Der Unmut reiche bis weit in die Entwicklungsabteilungen hinein. Die sind das Herzstück der Technikkonzerns, der sein Selbstverständnis und sein Erfolg aus den eigenen Innovationen schöpft. Damit will man eigentlich auch künftig den Wettbewerb aus China auf Abstand halten.

Die prekäre Lage bei ZF lässt das Grummeln im Aufsichtsrat immer lauter werden. So erwarten Vertreter auf der Kapitalseite, dass der Vorstand endlich klare Schritte umsetzt, um die hohe Schuldenlast abzubauen. Dazu soll der Verkauf der Sparte passive Sicherheit dienen, wo Airbags und entsprechende Systeme gefertigt werden. Die Vorbereitungen laufen nun schon seit einem guten Jahr. Doch bisher hat sich noch niemand gefunden, der in diesen Krisenzeiten bereit ist mehrere Milliarden Euro auf den Tisch zu legen. Die soll der Verkauf aber einbringen, damit ZF die Schuldenlast merklich abbauen kann.

Dem Vernehmen nach, wächst die Unzufriedenheit im Aufsichtsgremium über Konzernchef Klein. Spekulationen, dass Klein schon bald abgelöst werden könnte, will Dietrich, nicht kommentieren. Allerdings ist zu beobachten, dass die Töne zwischen Vorstand und Betriebsrat in den vergangenen Wochen deutlich schärfer geworden sind.

Die Anteilseigner – vorneweg die Stadt Friedrichshafen – befürchten, dass die Ratingagenturen aufgrund der negativen Entwicklung den Daumen senken werden. Herabstufungen haben zur Folge, dass Kredite und Anleihen für den Stiftungskonzern noch teurer werden. So hat Standard & Poors‘ kürzlich ZF auf „BB+ Outlook negative“ herabgestuft. Für die jüngsten Anleihen muss der Konzern sechs Prozent Zins auf den Tisch legen.

Möglicherweise gerät Vorstandschef Klein zum Jahresende nicht nur wegen der schlechten Geschäftsentwicklung in Bedrängnis. Dann präsentieren die Berater von McKinsey ihre millionenschwere Abschlussrechnung. Klein wird dann erklären müssen, was die teuren Beraterhonorare effektiv ZF weitergebracht haben. Sonst erinnern sich die Kritiker schnell wieder daran, dass Klein selbst einmal bei McKinsey beschäftigt war.

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