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Recht und Steuern > Urteil der Woche

Beleidigungen in privater Chat-Gruppe können Kündigungsgrund sein

Wer in einer privaten Chatgruppe Kollegen und Vorgesetzte massiv beleidigt, riskiert die Kündigung. Auf die Vertraulichkeit des Chats können sich Beschäftigte nur im Ausnahmefall berufen, entschied jetzt das Bundesarbeitsgericht.

Mann schreibt bei einem Messenger auf seinem Smartphone
Wer in einer privaten Chatgruppe Kollegen und Vorgesetzte massiv beleidigt, riskiert nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts die Kündigung. Bildquelle: Shutterstock

Was in einer privaten WhatApp-Gruppe geteilt wird, ist und bleibt privat? Nicht unbedingt, wie ein Fall aus Niedersachsen zeigt, über den kürzlich das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden hatte. Teilen Beschäftigte in einer an sich privaten Chatgruppe stark beleidigende, rassistische, sexistische oder zu Gewalt aufstachelnde Äußerungen über Vorgesetzte und Kollegen, können sie nach Einschätzung der obersten Arbeitsrichter außerordentlich gekündigt werden. Auf eine Vertraulichkeitserwartung können sie sich dann nur ausnahmsweise berufen.

Der Fall

Der spätere Kläger hatte sich mit sechs Arbeitskollegen, darunter ein später in die Gruppe aufgenommener Ex-Kollege, in einer privaten WhatsApp-Gruppe zusammengeschlossen. Nach Feststellung des Gerichts waren alle Mitglieder der Chatgruppe „langjährig befreundet“, zwei sogar miteinander verwandt. 

Über den Kanal gingen allerdings nicht nur Nachrichten zu rein privaten Themen hin und her, sondern auch stark beleidigende, rassistische, sexistische Äußerungen über Vorgesetzte und Arbeitskollegen. Davon bekam zunächst der Betriebsrat, dann der Personalchef Wind – der Arbeitgeber kündigte dem Kläger daraufhin fristlos.

Das Urteil

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht gaben der Kündigungsschutzklage des Beschäftigten statt. Begründung: Die Äußerungen seien zwar in der Tat geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Allerdings habe der Kläger darauf vertrauen dürfen, dass der Chat vertraulich bleibe; somit liege kein Kündigungsgrund vor.

„Rechtsfehlerhaft“ sei diese Annahme, urteilte das Bundearbeitsgericht (BAG) und stellte sich stattdessen auf die Seite des Arbeitgebers. Eine Vertraulichkeitserwartung sei nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe „den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können“. Dafür komme es auf den Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie auf die Größe und personelle Zusammensetzung der Chatgruppe an. Wenn Gegenstand der Nachrichten beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Kollegen seien, so das BAG, müsse besonders dargelegt werden, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten konnte, dass keines der Gruppenmitglieder den Inhalt des Chats an einen Dritten weitergegeben werde.

Das BAG hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache an das Landesarbeitsgericht zurück. Dieses muss nun klären muss, ob der Kläger tatsächlich eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben durfte.
 

Die Folgen

„Äußerungen im rein privaten Umfeld, zum Beispiel beim Kaffeeklatsch mit der Familie, fallen unter den Schutz des Persönlichkeitsrechts, das heißt, sie gehen den Arbeitgeber nichts an und können damit auch weiterhin kein Kündigungsgrund sein“, sagt Sandra Urban-Crell, Partnerin im Bereich Arbeitsrecht bei der Kanzlei McDermott Will & Emery. „Wer sich allerdings per WhatsApp oder in anderen Messenger-Diensten beleidigend rassistisch, menschenverachtend oder sexistisch über Vorgesetzte oder Kollegen äußert, riskiert seinen Job. Arbeitgeber, denen solche Chats bekannt werden, müssen sie auch nicht hinnehmen.“ 

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts hält die Arbeitsrechtlerin deshalb für folgerichtig. Damit setze das höchste deutsche Arbeitsgericht ein deutliches Signal gegen menschenverachtende Äußerungen über Vorgesetzte und Kollegen in privaten Chatgruppen, wenngleich abzuwarten bleibe, zu welchen Feststellungen das LAG nach der Zurückverweisung in dem konkreten Fall komme und wie das BAG sein Urteil näher begründet. Für die Arbeitsrechtlerin steht jedoch jetzt schon fest: „WhatsApp-Gruppen sind nach dem Grundsatzurteil des BAG kein geschützter privater Raum. Auf Vertraulichkeit können Beschäftigte, die andere in Chats beleidigen oder gegen sie hetzen, nur in absoluten Ausnahmefällen hoffen. Im Gegenteil müssen sie damit rechnen, fristlos vor die Tür gesetzt zu werden – in drastischen Fällen, wie dem entschiedenen, auch ohne vorherige Abmahnung.“ 

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. August 2023 - 2 AZR 17/23 

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