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Finanzierung > ESG

Larry Finks neue Strategie: Transition Investing als Antwort auf ESG-Kritik

Der Chef des größten Vermögensverwalters der Welt setzt erst auf nachhaltige ­Firmen, dann ändert er die Strategie. Wie Blackrock die Finanzwelt beeinflusst.

CEO Larry Fink (Blackrock) beim G7-Gipfel 2024
Sommer 2024: BlackRock CEO Larry Fink nimmt an "Partnership for global infrastructure and investment" beim G7-Gipfel in Fasano, Italien, teil. (Foto: picture alliance, AP, Alex Brandon)

In den vergangenen Jahren hat das Konzept ESG (Environmental, Social, and Governance) unter jenen Investoren weltweit an Popularität gewonnen, die ihre Entscheidungen nach ethischen und nachhaltigen Werten ausrichten wollen. Blackrock, der weltweit größte Vermögensverwalter, hat dabei eine entscheidende Rolle gespielt. Doch obwohl sich Blackrock zunächst voll auf ESG-Investitionen konzentriert hatte, vollzieht der Finanzriese nun einen strategischen Wandel hin zum sogenannten Transition Investing. Das wirkt sich sehr auf die gesamte Finanzbranche aus. Ein genauer Blick auf die Gründe und möglichen Folgen dieses Wandels zeigt, wie sich das Investmentklima verändert und welche Herausforderungen und Chancen dabei entstehen.
Weit vorn dabei

Blackrocks frühe Bemühungen

In mehreren seiner berühmten jährlichen Chairman’s Letters hob Fink die Bedeutung von ESG und Klimarisiken hervor. In 2020 schrieb er: „Blackrock sieht sich nicht als passiver Beobachter im Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft. Wir glauben, dass wir als Anbieter von Indexfonds, als Treuhänder und als Mitglied der Gesellschaft eine bedeutende Verantwortung haben, eine konstruktive Rolle im Übergang zu spielen.“

Diese Position stärkte Blackrocks Ruf als führendes Unternehmen im Bereich nachhaltiger Investments. Institutionelle Anleger weltweit nahmen daraufhin ESG-Fonds in ihre Portfolios auf. Nachhaltiges Wirtschaften wurde zu einem wesentlichen Kriterium dafür, wie über Investitionen entschieden wurde. Blackrock legte besonderen Wert auf Unternehmen, die Risiken im Zusammenhang mit dem Klimawandel minimieren und eine starke Corporate Governance aufweisen.
 

Mächtig verzockt? Blackrock-Chef Larry Fink hat früh auf ESG gesetzt. Doch viele große Anleger zogen nicht mit. Jetzt verkauft Fink eine weichgespülte neue Strategie.

Kritik und Widerstand

Trotz des anfänglichen Erfolgs von ESG stieg der Druck auf Blackrock. So gab es Bedenken hinsichtlich der Definition und Messbarkeit der entsprechenden Kriterien. Viele Unternehmen gaben an, ESG-konform zu handeln, ohne tatsächlich ihre Geschäftsmodelle grundlegend zu verändern. Dieses Greenwashing wurde zu einem häufigen Problem, das grundsätzlich die Glaubwürdigkeit von ESG-Investitionen fraglich scheinen ließ.

Weiterer, politisch motivierter Widerstand kam aus den USA. „Konservative“ Kreise rund um Donald Trumps Make-America-Great-Again-Bewegung, die die republikanische Partei übernommen hatte, und einzelne republikanisch regierte Bundesstaaten warfen Blackrock vor, eine „woke“ Investitionsstrategie zu verfolgen, die die finanziellen Interessen der Anleger vernachlässige. Das Argument lautete, dass ESG-Investitionen den Markt verzerren und bestimmte Industrien – besonders die fossile Energiebranche – benachteiligten. In einigen Staaten wie Texas und Florida wurden Maßnahmen ergriffen, um staatliches Geld aus Blackrock-Fonds abzuziehen, weil das Unternehmen angeblich fossile Brennstoffe boykottierte. Blackrock verteidigte seine Entscheidungen durch den Hinweis auf seine fortgesetzten Investitionen in Fracking und Erdgas.

In einem seiner jüngsten Briefe an die Anleger stellt Fink klar: „Seit Jahren betrachten wir Klimarisiken als Investitionsrisiken. Das ist nach wie vor der Fall.“ Er betonte jedoch, dass seine Investmentfirma nicht die Aufgabe habe, Unternehmen zu Umweltmaßnahmen zu zwingen. „Asset Manager, einschließlich Blackrock, sollten keine Politik setzen oder die ,Umweltpolizei‘ spielen.“ Im Kontrast zu seinen früheren Äußerungen, in denen er eine aktivere Rolle von Blackrock im Kampf gegen den Klimawandel forderte, sind diese Aussagen eine 180-Grad-Wende.
 

Die Strategiewende

Blackrocks neue Strategie: Angesichts der zunehmenden Kritik an ESG und der Unsicherheiten über die langfristige Wirksamkeit dieses Ansatzes hat Blackrock bereits begonnen, seine Strategie zu ändern. Der Fokus verschiebt sich weg von rein ESG-basierten Investitionen hin zu einem Ansatz, den Fink als Transition Investing bezeichnet. Der Vermögensverwalter steckt Geld in Unternehmen, die aktiv ihre Geschäftsmodelle anpassen, um nachhaltiger zu werden, auch wenn sie noch nicht alle ESG-Kriterien vollständig erfüllen.

Fink erklärte in einem Gespräch mit Investoren: „Wenn wir die Welt dekarbonisieren wollen, werden Kapital und Infrastruktur von entscheidender Bedeutung sein. Diese Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage schafft überzeugende Investitionsmöglichkeiten für unsere Kunden.“ Blackrock plant, Milliarden in Projekte zur sauberen Energie und gleichzeitig in Infrastruktur wie Flughäfen, Wasserversorgung und Abfallmanagement zu investieren, die für den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft notwendig sind.

Fink meint nun: Um den Klimawandel effektiv zu bekämpfen, müssen Investoren aktiv Unternehmen unterstützen, die sich im Übergang befinden und ihre Emissionen verringern.
 

Wenn wir die Welt dekarbonisieren wollen, werden Kapital und Infrastruktur von entscheidender Bedeutung sein.

Larry Fink, Blackrock

Transition Investing

Kritik und Herausforderungen: Obwohl Transition Investing den ESG-Ansatz sinnvoll weiterentwickelt, steht diese Strategie vor erheblichen Herausforderungen. Ein Kritikpunkt: Die Bewertung von Unternehmen, die sich in einer Phase der Transition befinden, ist mangels klarer Metriken schwierig. Während ESG-Kriterien zunehmend standardisiert sind, fehlen beim Transition Investing oft klare Benchmarks, die es Anlegern ermöglichen, den Fortschritt eines Unternehmens zu messen.

Ein weiterer Kritikpunkt: Der Fokus könnte sich von bereits nachhaltigen Unternehmen auf solche verlagern, die noch große Anstrengungen unternehmen müssen, um ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Dies könnte den ursprünglichen Sinn von ESG-Investitionen – die Förderung nachhaltiger Geschäftspraktiken – verwässern. Cleo Rank, Analystin bei InfluenceMap, einer Watchdog-Gruppe sagt: „Trotz der Aussagen von Blackrock scheint das Unternehmen denjenigen nachzugeben, die versuchen, die Rolle des Finanzsektors bei der Bewältigung der Klimakrise zu untergraben.“

Die Folgen

Blackrocks Wechsel von einem reinen ESG-Ansatz zum Transition Investing markiert eine bedeutende Verschiebung in der Welt des nachhaltigen Investierens. Während der Schritt das Potenzial hat, den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu beschleunigen, stehen institutionelle Anleger vor der Herausforderung, klare Metriken zu entwickeln und gleichzeitig politischem und wirtschaftlichem Druck zu widerstehen, wobei hierbei die USA und die EU gegeneinander arbeiten dürften, wenn Donald Trump eine zweite Amtszeit als US-Präsident bekommt. Finks persönlicher Einfluss auf die Finanzwelt wird dabei eher wachsen. Seine Aussagen dienen weiterhin als wichtige Orientierungspunkte für die Ausrichtung der Finanzmärkte.

„Die nächsten zehn Jahre werden sich stark um Infrastruktur drehen“, sagte Fink und betonte, dass die Finanzwelt eine Schlüsselrolle bei der Dekarbonisierung der Wirtschaft spielen muss. Ob Blackrocks Transition-Investing-Ansatz den gewünschten Wandel herbeiführt, ist offen. Die Debatte um Nachhaltigkeit und Verantwortung im Asset Management ist noch lange nicht beendet.

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