Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Finanzierung > Liquiditätssicherung

Blockchain-Hype: So kommen Mittelständler an frisches Kapital

Die Blockchain senkt Kosten für kleinteilige Finanzierungen, weil sie die Prozesse effizienter macht. Für Mittelständler erleichtert das den Zugang zu frischem Kapital. Doch trotz erfolgreicher Pilotprojekte bleibt die große Nachfragewelle aus. Warum?

Gerade in einer Wirtschaftskrise ist genügend Liquidität essentiell. Während sich Konzerne vergleichsweise einfach über die Finanzmärkte frisches Kapital beschaffen können, haben KMU diese Möglichkeit oft nicht. Anleihen kommen beispielsweise für kleine Mittelständler nicht in Frage. „Ein Volumen von 20 Millionen Euro ist die harte Untergrenze“, sagt Dirk Schiereck, Leiter des Lehrstuhls für Unternehmensfinanzierung an der TU Darmstadt. „Bei kleineren Summen sind die Kapitalkosten einfach zu hoch.“

Die Digitalisierung, die auch vor der Unternehmensfinanzierung nicht haltmacht, könnte diese Grenze in Zukunft deutlich nach unten verschieben – und damit kleineren Mittelständlern neue Zugänge zum Geld eröffnen. Die Hoffnung ruht dabei unter anderem auf der Blockchain. Mit dieser Datenbanktechnik können Anleihen virtuell ausgegeben, übertragen und gespeichert werden. Da auf den Rechnern aller Beteiligten eine Kopie der Transaktionsdaten liegt und die Informationen auf sämtlichen Computern identisch sein müssen, ist diese Technologie sehr fälschungssicher. Einen Zentralverwalter, der das Vorhaben im Interesse der Investoren prüfen muss, braucht es daher nicht. „Die Blockchain hat das Potential, die Kosten bei kleinteiligen Finanzierungen zu senken“, sagt Jens Nawrath, der bei der Unternehmensberatung Deloitte zuständig für den Bereich Debt & Capital Advisory Services ist. „Das ermöglicht neue Finanzprodukte in diesem Segment.“

Blockchain senkt Kosten für kleinteilige Finanzierungen

Technologisch ist die Blockchain bereits ausgereift. Das zeigen Finanzangebote, die auf ihr basieren. So hat das Fintech Bitbond bereits vor über einem Jahr die erste deutsche Anleihe emittiert, die auf der Blockchaintechnologie basiert. Das Fintech Kapilendo bietet seit einigen Monaten eine Blockchainanleihe an, die sich speziell an mittelständische Unternehmen richtet. „Die Emission dieser digitalen Wertpapiere verschafft KMU einen Zugang zum Kapitalmarkt, den sie vorher nicht hatten“, sagt Christopher Grätz, Geschäftsführer von Kapilendo. So warb die mittelständische Restaurantkette L’Osteria Anfang des Jahres über diesen Weg 2,3 Millionen Euro ein. Die Anleihe läuft drei Jahre und wird mit 6,25 Prozent pro Jahr verzinst.

 

Solche Finanzierungen sind bislang aber die absolute Ausnahme. Das hat gleich mehrere Gründe. Die bisherigen Angebote sind zwar von der Bafin genehmigt und werden von ihr überwacht. Ein Gesetz, das die Emission von Blockchainanleihen vereinfacht, gibt es aber noch immer nicht – obwohl die Bundesregierung dies eigentlich schon im vergangenen Jahr verabschieden wollte. Doch die Verhandlungen stocken seit längerem, da die Politiker in der Ausarbeitung einiger juristischer Feinheiten feststecken.

 

Eine weitere Ursache dafür, dass die Blockchainanleihen bislang nicht durchstarten konnten, könnte die noch überschaubare Nachfrage von Seiten der Anleger sein. „Für viele Finanzinvestoren sind kleine Anlagesummen uninteressant, sie investieren erst ab einer bestimmten Schwelle“, sagt Philipp Sandner, Leiter des Blockchain Center der Frankfurt School of Finance & Management. Die Angebote kommen damit eher für Privatanleger in Frage. Doch auch hier gibt es ein Problem: „Viele Anleger sind in Sachen Mittelstandsanleihen eher zurückhaltend, unter anderem aufgrund bereits gemachter Erfahrungen mit diesem Instrument“, sagt Nawrath. Manche der Anleihen, die ab 2010 auf dem Markt kamen, fielen aus, da die Mittelständler das Geld nicht mehr zurückzahlen konnten – die Anleger blieben im Regen stehen.

Investoren zögern bei "unbekannten" Mittelständlern

Sander sieht daher vor allem im direkten Umfeld der Unternehmen Potential für die Blockchainanleihen. „Viele Mittelständler sind in der Öffentlichkeit nahezu unbekannt, so dass es für Anleger meist ein zu großes Risiko ist zu investieren“, sagt Sandner. „Kennt der Investor das Unternehmen allerdings dadurch, dass er beispielsweise Kunde und von den Produkten überzeugt ist, wird er eher bereit sein, Geld anzulegen.“ Solche Kontakte haben B2C-Unternehmen traditionell häufiger als B2B-Unternehmen, die aufgrund ihres Geschäftsmodells einen kleineren Kundenkreis haben. Doch auch für diese Firmen ist laut Sandner die Blockchainanleihe eine Option. „Ein mittelständischer Maschinenbauer hat ebenfalls etliche Geschäftsbeziehungen, Kontakte aus Verbänden und Unternehmernetzwerken und ist in der Region verwurzelt“, sagt Sandner. „Das sind alles potentielle Investoren, wenn das Unternehmen von sich zu überzeugen weiß.“

 

Nicht nur im Bereich der Anleihen dürfte die Digitalisierung mittelständischen Unternehmen in Zukunft bei der Finanzierung helfen. Auch eine komplett digitale Abwicklung von Börsengängen, ein sogenanntes Security Token Offering (STO) ist denkbar. „Noch kann man STOs nicht wirklich ernst nehmen, da einige Punkte wie Regulierung und Ratings nicht komplett geklärt sind. In den kommenden Jahren wird das aber kommen“, sagt Sandner.

Exportfinanzierung: kleine Kredite digital abwickeln

Schon jetzt Wirklichkeit sind digitale Plattformen, die Exportfinanzierungen für Mittelständler vereinfachen sollen: Viele KMU haben Probleme, Kredite für kleinere Exportaufträge zu bekommen. „Im Bereich der hermesgedeckten Exportfinanzierungen bis fünf Millionen Euro ist es weiterhin schwierig, insbesondere für den Maschinenbau“, sagt Jennifer Howe, stellvertretende Abteilungsleiterin Sicherheit und Rohstoffe beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Hier sind die Banken in den vergangenen Jahren unter anderem aufgrund der Regulierungsvorschriften restriktiver geworden. Ein Problem, denn: In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern können die Exporteure nur Aufträge platzieren, wenn sie ihren Kunden gleichzeitig über eine Bank eine Finanzierung anbieten. Bei diesen sogenannten Bestellerkrediten droht die deutsche Exportwirtschaft im globalen Wettbewerb zurückzufallen.

 

Die Lösung könnten Plattformen im Internet sein, auf denen Mittelständler kleinere Exportkredite beantragen können. Da die Daten dort automatisch digital verarbeitet werden, entfällt der sonst übliche Papierkram. Das reduziert nicht nur den Aufwand, sondern auch die Kosten für die Exportfinanzierung. Daher haben Mittelständler hier häufig höhere Erfolgsaussichten auf einen kleinen Kredit als bei der Hausbank. Die Anbieter solcher Plattformen sind meist Fintechs, also Start-ups aus dem Finanzbereich, deren Geschäftsmodell auf der Digitalisierung basiert. So haben sich beispielsweise die Fintechs Handex, Tr8fin und Trafinscout mit ihren Plattformen auf die Vergabe kleinerer Exportkredite spezialisiert. Außerdem bietet Euler Hermes im Rahmen der staatlichen Exportkreditversicherungen seit Juli 2018 mit click&cover Export ein digitales Produkt für standardisierte KMU-Transaktionen bis zu einem Volumen von fünf Millionen Euro an.

 

„Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, um Exportfinanzierungen über digitale Technologien effizienter zu gestalten. Gleichwohl sollten die Dokumentationsanforderungen weiter vereinfacht werden, um KMU den Zugang zu den Finanzierungen zu erleichtern“, sagt Howe. Die Beziehung zwischen einem mittelständischen Unternehmen und seiner Hausbank ist traditionell besonders eng. Eine Umfrage der KfW im vergangenen Jahr ergab, dass 93 Prozent der Mittelständler ihre Finanzgeschäfte hauptsächlich mit einem bestimmten Institut abwickeln. Zudem ergab die Umfrage, dass diese Geschäftsbeziehung im Durchschnitt bereits seit 20 Jahren besteht. „Dabei ist viel Vertrauen entstanden, das kein Algorithmus dieser Welt ersetzen kann“, sagt Nawrath von Deloitte. Er geht daher davon aus, dass das Hausbankenprinzip im Mittelstand auch die fortschreitende Digitalisierung und das Auftauchen neuer Anbieter überleben wird.

Immer mehr Fintechs adressieren kleinere Mittelständler

Trotzdem haben sich in bestimmten Bereichen die Fintechs bereits als Geschäftspartner für den Mittelstand etabliert. „Gerade bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs sind Fintechs beliebt“, sagt Phillip Pohlmann, Deutschland-Geschäftsführer des französischen Fintechs Qonto, das Konten für kleinere mittelständische Unternehmen anbietet: „Ich beobachte zudem, unabhängig von Corona, eine stärkere Nachfrage nach Krediten im Mittelstand. Und zumindest bei standardisierten und damit gut digital abwickelbaren Finanzierungen sind Fintechs immer häufiger eine Option für die Unternehmer.“

 

Die Stärke der Fintechs liegt in der automatisierten Datenverarbeitung und ihrer Spezialisierung auf eine Nische. So gibt es Anbieter, die sich auf die Erstellung von Ratings spezialisiert haben. Dafür werden vorab definierte Kennzahlen digital ausgewertet. Das reduziert die Kosten und hilft KMU dabei, einen Zugang zum Finanzmarkt zu bekommen – denn ein Rating ist bei vielen Finanzierungen Pflicht. „Diese Methode haben aber die Fintechs nicht für sich gepachtet“, sagt Deloitte-Experte Jens Nawrath. „Die klassischen Banken erstellen Ratings inzwischen ebenfalls weitestgehend automatisch. Für die Einordnung von qualitativen Aspekten wie der Positionierung eines Unternehmens gegenüber seinen Wettbewerbern brauchen Banken und Fintechs aber immer noch den Faktor Mensch.“

 

Auch in anderen Bereichen sind der Digitalisierung bei der Unternehmensfinanzierung Grenzen gesetzt. Beim Kundenservice werden Mittelständler vermutlich weiterhin das Gespräch mit einem menschlichen Berater dem mit einem Chatbot vorziehen. Das haben die Fintechs erkannt, die inzwischen häufig feste Kundenbetreuer für die Unternehmen einstellen.

Ähnliche Artikel