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Finanzierung > Globales Börsenbeben

Globale Aktienmärkte im freien Fall - lohnt sich jetzt der Einstieg?

Lange sah es so aus, als könne nichts die Laune der Käufer trüben, Aktien stiegen von Rekord zu Rekord. Doch jetzt sind die Weltbörsen eingebrochen. Experten warnen vor langfristigen Folgen.

(Bild: KI-generiert, shutterstock)

Weltweit befinden sich die Aktienkurse im Niedergang – allein im noch jungen Monat August hat der deutsche DAX-40-Index zwischen Höchst- und Niedrigststand zeitweise 1.500 Punkte verloren und die vermeintlich lange zurückgelassene Marke von 17.000 Indexpunkten wieder touchiert. Die Erschütterungen an den Börsen hierzulande seit der vergangenen Woche folgten entsprechenden Entwicklungen in Japan und den USA. Das bedeutet jedoch nicht, dass es nicht auch gravierende hausgemachte Gründe für die Verluste in Deutschland gibt.

Am Montag traf es im DAX volle 36 von 40 Werten, die ins Minus rutschten – zeitweise hatte es im Tagesverlauf noch düsterer ausgesehen. Stärker noch als den Index der größten deutschen Unternehmen mit minus 1,86 Prozent hatte es den MDAX der mittelgroßen Firmen erwischt, der über zwei Prozent verlor, ein ähnliches Muster wie in der vergangenen Woche. Der DAX hatte bis zum Freitag 4,1 Prozent Wochenverlust angehäuft, seit zwei Jahren hatte es einen solchen Sturz nicht mehr gegeben. Inzwischen steht der Index in etwa beim Niveau vom Februar dieses Jahres, die anschließenden Kursgewinne sind fast verschwunden.

Falsche Standortpolitik lässt deutsche Unternehmen ächzen

Nicht  nur Pessimisten unter deutschen Analysten und Wirtschaftsexperten sehen die Einbußen auch als Vorzeichen für eine ganz allgemein schwächere Performance der deutschen Unternehmenspapiere auf längere Sicht. Als Argumente dienen da auch die unlängst veröffentlichten Wachstumszahlen des Internationalen Währungsfonds und die wenig erbauliche Prognose für das deutsche Bruttoinlandsprodukt dieses und des nächsten Jahres. Zudem belasten stetig neue Hiobsbotschaften aus der Wirtschaft die Börsenstimmung. Gerade am Wochenende hatte sich in einiger Klarheit die wichtige deutsche Autoindustrie zu Wort gemeldet: "Teilweise können Werke nur hierzulande gehalten werden, weil Geld an Standorten im Ausland verdient wird. Wir haben ein gravierendes Standortproblem", sagte die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller. “Die Jobs in Deutschland können nur gehalten werden, wenn Energie billiger wird, Rohstoffe gesichert werden und Bürokratie abgebaut wird”, so der Verband.

Die Abhängigkeit von internationaler Querfinanzierung scheint für etliche weitere Branchen zu gelten, von Chemie bis Maschinenbau, und die Finanzmärkte registrieren dies natürlich ebenfalls. Wer in Deutschland investiere, schimpfte der Vorstandschef der Deutschen Börse AG vor genau zwei Monaten, der tue das nur, weil es mitunter so günstig sei: “Wir sind zum Ramschladen geworden”, so Theodor Weimer, und “auf dem Weg zum Entwicklungsland”. Dabei stand der DAX damals noch auf Rekordhöhe, aber die Vorboten ließen sich erkennen.


Furcht vor noch mehr Bürokratie und Unberechenbarkeit

Der Chef des Münchener Ifo-Instituts, Clemens Fuest, sieht zwar die weltweite Tendenz nach unten, aber zusätzlich deutsche Misstände: „Hinzu kommen hausgemachte Probleme wie die Strangulierung der Wirtschaft durch Bürokratie und hohe Steuern sowie ein wachsender technologischer Rückstand“, so der Konjunkturforscher. In der Tat irritieren die aktuellen Entwicklungen in Berlin nationale wie internationale Anleger gleichermaßen. Die offenkundige Unfähigkeit, im selbst gesteckten Zeitrahmen einen soliden Bundeshaushaltsentwurf 2025 vorzulegen, beschädigt das Ansehen der Ampel-Koalition neben allen anderen Querelen weiter. Verwerfungen auf dem Energiemarkt mit immer neuen Ideen aus dem Wirtschaftsministerium von Robert Habeck, zuletzt für einen radikalen Umbau des Stromsystems vom Freitag vergangener Woche, sorgen für Furcht vor noch mehr Bürokratie und Unkalkulierbarkeit – Gift für langfristig planende Unternehmen und Investoren. In einer Stimmungsbefragung unter Börsenexperten und -Anlegern fiel der so ermittelte “Sentix”-Index gerade auf minus 13,9 Punkte. Verglichen mit dem Juli-Stand ein Minus von 6,6 Indexpunkten. Hauptsorge dabei die deutsche und europäische Konjunkturentwicklung.

Wie um dies bestätigen zu wollen: Nach zahlreichen Ankündigungen in letzter Zeit, in großem Umfang Stellen zu streichen – wie besonders spektakulär mit bis zu 14.000 bei ZF Friedrichshafen – deuten ganz aktuell noch radikalere Pläne auf einen weiteren Niedergang der heimischen Industrie hin. Gestern kündigte der Reifen- und Technologiekonzern Continental an, sich von seiner kompletten Autosparte zu trennen. Offenbar sieht man unter dem Firmendach keine Zukunft für den Bereich mehr. Möglicherweise soll die Sparte an die Börse gebracht werden – momentan vielleicht nicht die aussichtsreichste Idee. Der deutsche Vorzeige-Chiphersteller Infineon kündigte gleichzeitig an, 1.400 Stellen weltweit streichen zu wollen und weitere 1.400 “aus Hochlohnländern” heraus zu verlagern.

 

Weltweite Verwerfungen belasten zusätzlich

Und eben weil zahlreiche deutsche Unternehmen auf ihre Gewinne im Ausland angewiesen sind, belastet sie ein weltumspannender Börsencrash von mehreren Seiten. Hausgemachte Gründe trafen zum Beispiel Japans Börsen mit voller Wucht. Der Nikkei-Index verlor 12,4 Prozent allein am Montag, seit Mitte Juli sind zwanzig Prozent Kurswert verschwunden. Japan-Investoren befürchten Zinserhöhungen der Tokioter Notenbank, und die damit einhergehende Verteuerung japanischer Exportprodukte. Der Yen steigt bereits. In den USA war ebenfalls eine düstere Woche zu Ende gegangen, und die neue fing unter den gleichen Vorzeichen an. Besonders die Technologieaktien kamen weiter unter die Räder. Mit ihnen im übrigen auch die Kryptowährungen wie etwa Bitcoin oder Ether, die zweistellige Kursverluste einfuhren.

Die Papiere von Apple über Amazon bis Nvidia oder Intel verloren an der Technologieböre NASDAQ in New York zwischen vier und sieben Prozent, der NASDAQ-Composite-Index schloss nochmals 3,43 Prozent niedriger als am Crashtag Freitag. Hier kommen derzeit zwei Befürchtungen der Anleger zusammen: Zum einen die über eine möglicherweise drohende Rezession in den USA. Dies dürfte alle Tech-Aktien, insbesondere aber Konsumwerte weiter drücken. Denn Ausgabenfreude der amerikanischen Verbraucher ist ein entscheidender Faktor des Wirtschaftswachstums. Zusätzlich zeigen sich jüngst Risse im bisher rosigen Gemälde der wohlstandssteigernden Künstlichen Intelligenz (KI). Dass es hier doch nicht so schnell zu lukrativen Umwälzungen kommen könnte, dämmert den Investoren, nachdem eben auch Chip-Konzerne wie Intel und Nvidia oder in Europa ASML Rückgänge der Nachfrage verzeichnen. Besonders der Chiphersteller Intel will seine Investitionen derzeit radikal unter die Lupe nehmen und gegebenenfalls auch Projekte streichen. Der geplante Bau der Intel-Chipfabrik bei Magdeburg dürfte natürlich ebenfalls zu den Prüfobjekten gehören.

Beim populären Computer- und Smartphonehersteller Apple vermieste neben der geschilderten Lage auch die Tatsache die Stimmung, dass die Berkshire-Hathaway Investmentgesellschaft unter ihrer betagten Börsenlegende Warren Buffett sich von der Hälfte ihres gehaltenen Anteils an Apple getrennt hat. Das betrifft immerhin Aktien im Wert von 75,5 Milliarden US-Dollar. Dass die Transaktion weitgehend marktschonend geschieht, darf man annehmen, denn immerhin hält Buffett die andere Hälfte ja weiterhin und dürfte an Kursverlusten nicht interessiert sein. Und Apple war auch nicht die einzige Position, die Buffett gerade verringert. Der Investor und Multimilliardär, der Ende August 94 Jahre alt wird, setzt nach eigenem Bekunden “derzeit” lieber auf Bargeld.

Die Krise als Chance nutzen?

Für deutsche Privatanleger und Sparer ist dies ohnehin eine der bevorzugten, dabei traditionell wenig lukrativen Formen, ihre Guthaben zu halten. Experten empfehlen allen anderen derzeit, keinesfalls in Panik zu geraten, wenn die Kurse des eigenen Depots nachgeben. Vor allem Inhaber von Sparplänen mit monatlichen Zukäufen könnten eher beruhigt sein – immerhin sind Aktien und ETFs durch die Kursdämpfer im Moment auch ganz günstig zu haben. Was den Durchschnittskaufkurs drückt.

Einer der schlimmsten Börsencrashs der Nachkriegszeit vernichtete 1987 in Deutschland Abermillionen an Kurswert. Bei heutiger Betrachtung der Kursgrafik des DAX über einen solch langen Zeitraum fällt auf, dass kaum etwas auffällt: Der scharfe Niedergang an jenem Schwarzen Montag im Oktober ist inzwischen nur mehr ein kleiner Zacken in einer sehr langen Aufwärtskurve.

Zudem findet sich in den Börsenschlagzeilen fast nie eine aufschlussreiche Binsenweisheit: Jedem Verkauf einer Aktie muss logischerweise auf der anderen Seite ein Kauf gegenüberstehen. Irgendjemand ist also immer der Meinung, dass sich bei den fallenden Kursen der Einstieg lohnen könnte - und greift zu. Die Börsen-Historie gibt diesen Schnäppchenjägern bislang recht.

 

 

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Aus THE EUROPEAN von der Markt & Mittelstand Redaktion veröffentlicht unter Lizenz. Der Originalartikel ist zu finden unter www.theeuropean.de

 

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