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Finanzierung > Breuninger Verkauf

Stuttgart: Die Perle des deutschen Handels wird verkauft

Breuninger gilt als eine Perle des deutschen Einzelhandels. Jetzt steht sie überraschend zum Verkauf.

(Foto: picture alliance, Wolfgang Maria Weber)

Die Nachricht hat die Stuttgarter schockiert: „Ihr Breuninger“ soll verkauft werden. Das Kaufhaus in der Innenstadt hat in der schwäbischen Landeshauptstadt den Stellenwert wie das KaDeWe in Berlin, die Galleries Lafayette in Paris oder Harrods in London. Wer sich zur Stuttgarter Oberschicht zählt, gönnt sich ein Schampus im Lichthof, um dann Dinge zu kaufen, die sich nicht jeder leisten kann. Die gut betuchten Kunden – davon gibt es in Stuttgart und Umgebung einige – schätzen bei Breuninger die hohe Qualität der Ware, das professionelle Personal und den exzellenten Service der sogar ein Fahrdienst mit der S-Klasse beinhaltet.

Trotz oder vielleicht wegen des exklusiven Marksegments ist Breuninger eine der wenigen Perlen im deutschen Einzelhandel. Im vergangenen Jahr hat Breuninger einen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro erwirtschaftet – sieben Prozent mehr als noch 2022.

Insgesamt betreibt Breuninger 14 stationäre Geschäfte sowie 26 Bars und Restaurants. In zehn Ländern ist Das Unternehmen mit seinem Onlinehandel vertreten dar gut 50 Prozent des Umsatzes beiträgt. Im vergangenen Jahr wurde in Sachsenheim vor den Toren Stuttgarts das Logistikzentrum auf 116.000 Quadratmeter verdreifacht. Insgesamt beschäftigt Breuninger 6500 Mitarbeiter. Die Eigenkapitalquote beträgt 29,3 Prozent.

Breuningers Immobilienprojekte: Wachstum trotz finanzieller Herausforderungen

Zum Geschäft gehört auch die Immobilienentwicklung. So entwickelte Breuninger in der Stuttgarter Innenstadt das Dorotheen-Quartier, wo sich etlichen Nobelmarken und Büros angesiedelt haben.

In München wurden 2021 die Modehäuser Konen in München und Bram in Luxemburg samt lukrativen Immobilien übernommen. Seit dem Frühjahr wird das eigene Parkhaus abgerissen. Dort soll ein Mobility Hub in Holzbauweise mit Photovoltaik auf dem Dach entstehen. In Sindelfingen soll auf dem Parkplatz es „Breuningerlands“ – der ersten deutschen Shoppingmall – ebenfalls ein ganzes Quartier aus dem Boden stampfen.  Genauere Zahlen nennt das Unternehmen zu den Sparten Stationärer Handel, Online und Immobilien nicht.

Doch alle drei Geschäftsfelder der BSG-Beteiligungsgesellschaft GmbH sollen wachsen. „Wir sind nachhaltig profitabel“, bestätigte Holger Blecker seit 2017 Geschäftsführer bei Breuninger.

Profitabel ja, doch glänzende Gewinne sehen anders aus. Für 2022 wurde lediglich ein Gewinn von 7,6 Millionen Euro – Tendenz fallend. Im Jahr 2010 seien es noch 12,7 Millionen gewesen, stellt die „Stuttgarter Zeitung“ fest. Das Blatt erinnert auch daran, dass Breuninger während der Pandemie keine Staatshilfen bekommen hat. Die Liquidität wurde mit einem KfW-Kredit über 100 Millionen Euro sichergestellt. Doch Breuninger musste 2020 einen Verlust von 26,5 Millionen Euro verbuchen. Der KfW-Kredit schränkt bis heute die Ausschüttungen an die Anteilseigner auf 1,8 Millionen Euro ein. Vor der Pandemie war es noch doppelt so viel. Mit Festgeld hätten die Eigentümer vermutlich mehr erwirtschaftet, folgert die „Stuttgarter Zeitung“.

 

Wer will den Einzelhandelsriesen schnappen?

Die Anteile an dem 1881 von Eduard Breuninger gegründeten Unternehmen halten die Familien van Agtmael und Meilicke je 40 Prozent. Den Rest kontrollieren die Familien Brettschneider/Seidel. Der Holländer Willem G. van Agtmael war Ziehsohn des Gründerenkels Heinz Breuninger. Der hatte 1962 deinen Spross Gunter bei einem tragischen Skiunfall verloren. Der Patriarch holte den Holländer 1972 ins Unternehmen. Van Agtmael übernahm nach dessen Tod 1980 die Führung und übernahm später zusammen mit den anderen Familien die Anteile, die bis dahin von der Breuninger-Stiftung gehalten wurden. 

Die Eigentümer haben nun das Projekt „Keystone“ eingeleitet. Ziel: der Verkauf von Handel und Immobilienbesitz. Letzteres steht alleine mit rund 900 Millionen Euro in den Büchern. Darum kümmert sich offenbar die Investmentbank Macquarie. Der Gesamtwert wird auf 2,5 Milliarden Euro geschätzt. Die Vorbereitungen sind offenbar unter höchster Geheimhaltung gelaufen. Nur wenige im Stammhaus waren involviert. Selbst die Geschäftsführerin des Hauses am Stuttgarter Marktplatz erfuhr von den Plänen erst aus der Zeitung. Offiziell kommentieren die Eigentümer die Verkaufspläne nicht.

Entsprechend überrascht reagierte Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU), er erst kurz vor der Nachricht mit Blecker gesprochen hatte. Man wolle alles tun, damit der Stammsitz in Stuttgart bleibe. Das Stadtoberhaupt befürchtet nicht nur, dass ihm ein wichtiger Gewerbesteuerzahler verloren geht. Breuninger hat gerade in der Innenstadt wichtige Projekte angeschoben, die nun einer ungewissen Zukunft entgegensehen.

Die Gewerkschaft Verdi sieht erst einmal keine größere Gefahr für die 6.500 Arbeitsplätze. „Ich mache mir um die Arbeitsplatzsicherheit weniger Sorgen. Breuninger steht deutlich besser da als andere Textilhändler“, sagte der Landesfachbereichsleiter Handel, Wolfgang Krüger, in Stuttgart. Er räumt allerdings ein, dass die Beschäftigten die Nachricht schon sehr betroffen gemacht hat.

Nach einem Bericht der „Wirtschaftswoche“ liegt der Bank inzwischen eine Aufstellung mit 31 Interessenten vor. Darunter finden sich Finanzinvestoren als auch Handelsunternehmen. Einige von ihnen sind nur an den Geschäften interessiert, andere nur an den Immobilien. Und es gibt Unternehmen, die sich vorstellen können, beides zu übernehmen. Für die Immobilien interessieren sich dem Magazin zufolge verschiedene institutionelle Investoren wie Deka, DWS und Union Investment, Apollo sowie die Investmentbank Morgan Stanley.

Für die gesamte Breuninger-Gruppe – also das operative Geschäft und die Immobilien – sind die thailändische Central Group und das Family-Office des US-Amerikaners Richard Baker im Rennen. Baker übernahm im Frühjahr die Modehauskette Galeria Karstadt Kaufhof aus der Insolvenz. Die Central Group betreibt Supermärkte, Kaufhausketten, Hotels und Restaurants. Sie hat kürzlich das KaDeWe von dem Pleite gegangenen Österreicher René Benko übernommen. Aber noch ein überraschender Interessent soll angeklopft haben. Auch Amazon kann sich eine Übernahme von Breuninger vorstellen.

 

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