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Recht und Steuern > Urteil der Woche

Bundesarbeitsgericht: Bei Einführung einer Headset-Pflicht hat der Betriebsrat mitzureden

Ein Headset-System, mit dem Vorgesetzte Gespräche unter Beschäftigten mithören können, ist als technische Überwachungseinrichtung mitbestimmungspflichtig. Im konkreten Fall hatte ein Betriebsrat vor dem BAG trotzdem das Nachsehen.

Ein männlicher Support-Mitarbeiter spricht mit dem Kunden am Schreibtisch mit Headset.
BAG-Urteil 2024: Mitbestimmung des Betriebsrats bei unternehmensweiter Headset-Überwachung (Foto: shutterstock)

Der Fall

Ein international aufgestellter Bekleidungseinzelhändler hatte sich mit dem Gesamtbetriebsrat darauf geeinigt, dass alle Mitarbeiter in allen Filialen bei der internen Kommunikation Headsets nutzen sollten. Das Headset-System übertrug über eine lokale Basisstation drahtlos und live alle Gespräche innerhalb der Filiale. Es war dabei auch mit der zentralen IT-Abteilung verbunden und übermittelte dorthin verschiedene Daten. Aufgezeichnet werden die Gespräche der Beschäftigten allerdings nicht. Ebenso wenig wurde gespeichert, wer wann genau welches Gerät nutzt.
 
Der Betriebsrat einer rund 200-Mitarbeiter-Filiale in Deutschland hielt die Einführung der Headsets für mitbestimmungspflichtig. Er berief sich auf eine Regelung im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), wonach der Betriebsrat bei „technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen“ mitbestimmungsberechtigt ist. Den Gesamtbetriebsrat hielt der lokale Betriebsrat nicht für zuständig, weil die Gespräche innerhalb der Filiale übertragen werden.
 
Mit einer Klage forderte der Betriebsrat das Unternehmen auf, den Einsatz der Headsets zu unterlassen.

Die Entscheidung

Der Betriebsrat scheiterte letztlich mit seiner Forderung, das Headset-System wieder abzuschaffen. Recht bekam er vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) aber in dem Punkt, dass die Einführung des Headset-Systems als technische Überwachungseinrichtung nach Paragraf 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG grundsätzlich mitbestimmungspflichtig ist.  
 
Als Überwachungseinrichtung stufte das BAG das Headset-System deshalb ein, weil die Vorgesetzten in der Filiale die Gespräche jederzeit mithören können. Sie können damit das Verhalten aller Beschäftigten in einer Schicht indirekt kontrollieren. Dass die Headsets keiner bestimmten Person zugeordnet sind – die Beschäftigten wählen die Geräte jeweils zufällig aus –, ändert aus Sicht des Gerichts an dem ständigen Überwachungsdruck nichts. Vorgesetzte würden nämlich die Stimmen der sprechenden Personen erkennen und so auf deren Verhalten schließen können. Dass die Gespräche nicht aufgezeichnet oder gespeichert werden, spielt dafür keine Rolle.
 
Dass die Beschwerde des Betriebsrats vor dem BAG dennoch scheiterte, lag daran, dass nicht der örtliche Betriebsrat, sondern der Gesamtbetriebsrats zuständig ist, wenn eine technische Einrichtung unternehmensweit eingeführt wird. Die Notwendigkeit einer solchen unternehmensweit einheitlichen Regelung bestehe auch dann, wenn nur auf der Betriebsebene eine Individualisierung der Arbeitnehmer erfolgen könne.
 
 
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.07.2024 - 1 ABR 16/23
 

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