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Recht und Steuern > Urteil der Woche

Bundesarbeitsgericht: Zeiterfassung ist Pflicht

Arbeitgeber müssen die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten systematisch erfassen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass sich eine solche Pflicht schon aus dem Arbeitsschutzgesetz ergibt (Az. 1ABR 22/21). Der Europäische Gerichtshof hatte bereits 2019 eine gesetzliche Regelung zur elektronischen Zeiterfassung angemahnt. Warum der Beschluss für Unternehmen brisant ist, erläutert Volker Teigelkötter von der Kanzlei McDermott Will & Emery.

Arbeitgeber müssen die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten systematisch erfassenBild: Shutterstock

Ein Betriebsrat wollte über sein Initiativrecht die Einführung eines Systems zur Arbeitszeiterfassung durchsetzen. Verhandlungen über eine entsprechende Betriebsvereinbarung waren gescheitert. Der Betriebsrat zog vor Gericht. Das Verfahren ging in der ersten Instanz verloren, in der zweiten Instanz bekam der Betriebsrat Recht: Das Landesarbeitsgericht Hamm gestand der Mitarbeitervertretung ein Initativrecht auch für die Einführung technischer Einrichtungen zu.

Dass das Bundesarbeitsgericht diese Entscheidung kassiert hat – kein Initiativrecht des Betriebsrats –, überrascht nur bedingt. Spektakulär ist allerdings die Begründung des BAG, soweit sie sich aus der Pressemitteilung ergibt: Nach Ansicht der Bundesarbeitsrichter muss der Arbeitgeber ein Zeiterfassungssystem einführen, weil sich dies bereits aus seinen Grundpflichten nach dem Arbeitsschutzgesetz ergibt. Das Arbeitsschutzgesetz sagt in § 3 Absatz 2 Satz 1, dass der Arbeitgeber für eine geeignete Organisation sorgen und die dafür erforderlichen Mittel bereitstellen muss. Bestehe schon eine solche gesetzlichen Pflicht, so das BAG, dann könne der Betriebsrat die Einführung der Zeiterfassung im Betrieb nicht mithilfe der Einigungsstelle erzwingen.

„Stechuhr“-Urteil des EuGH

Mit seiner Auslegung knüpft das BAG an ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs an, der schon 2019 entschieden hatte: Arbeitgeber müssen eine elektronische Zeiterfassung vorhalten, und es ist Sache des deutschen Gesetzgebers, eine entsprechende gesetzliche Regelung zu schaffen. Diese fehlt allerdings bis heute.

In der Praxis stellt sich nun die Frage: Was folgt aus dem Beschluss? Werden Unternehmen, die keine Zeiterfassung vorhalten, nun zu Bußgeldtätern? 

Nimmt man an, dass alle Unternehmen ohne ein Zeiterfassungssystem nun automatisch gegen ihre Grundpflichten aus dem Arbeitsschutzgesetz verstoßen, könnte der Betriebsrat das eigene Unternehmen der Arbeitsschutzbehörde melden. Denn es gehört zu den Aufgaben des Betriebsrats darüber zu wachen, dass der Arbeitgeber seinen gesetzlichen Pflichten nachkommt. Folgt die Behörde der Gesetzesauslegung des Bundesarbeitsgerichts – was im Übrigen nicht zwingend ist –, müsste sie spätestens dann aktiv werden.

Möglicherweise eröffnet der Beschluss auch den Mitarbeitenden selbst direkte Ansprüche gegen den Arbeitgeber, denn die Vorschriften des Arbeitsschutzes werden regelmäßig zugleich auch Bestandteil des Arbeitsvertrags. Insgesamt dürfte der Umgang mit dem Beschluss damit den Betriebsfrieden in dem ein oder anderen Unternehmen auf die Probe stellen.

Gesetzgeber ist jetzt gefordert

Abhilfe schaffen kann nur eine eindeutige gesetzliche Regelung. Entsprechende Vorschläge aus dem Bundesarbeitsministerium fanden bislang keine Mehrheit. Die wichtige Frage der Arbeitszeitkontrolle dem freien Spiel der Praxis zu überlassen, dürfte die schlechteste aller Möglichkeiten sein. Höchste Zeit, dass der Gesetzgeber in Sachen Zeiterfassung nun tätig wird. 

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