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Finanzierung > Wirtschaftliche Hilfen des Staates

Corona-Krise: „Unternehmen sollten keinen kostenlosen Geldregen erwarten“

Die Bundesregierung hat im Kampf gegen die Corona-Krise ein umfangreiches Hilfspaket auf den Weg gebracht. Inwieweit auch Mittelständler davon profitieren, berichtet Sanierungsspezialistin Jasmin Urlaub.

Die Bundesregierung hat umfangreiche Nothilfen verabschiedet. Was halten Sie von den Maßnahmen?

Die Bundesregierung sendet zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Signale. Mittelständische Unternehmen sollten die Möglichkeiten, günstig an Geld zu kommen, jedoch mit Augenmaß bewerten. Es gibt feine, aber entscheidende Unterschiede zwischen dem, was die Regierung angekündigt hat, und dem, was Firmen davon tatsächlich haben.

Nämlich?

Bei den Notfallhilfen handelt es sich um zinsgebundene Darlehen, nicht um Zuschüsse. Der breite Mittelstand sollte deshalb keinen kostenlosen Geldregen erwarten. Gerade kleinere Unternehmen können bei der Rückzahlung der Kredite ins Straucheln geraten. Die Betriebe erleben derzeit heftigste Umsatzeinbrüche und müssen Rechnungen bezahlen, ohne Einnahmen gegenbuchen zu können. Selbst wenn die Umsätze wieder hochfahren, halte ich es für unwahrscheinlich, dass sie den aktuellen Ausfall kompensieren und gleichzeitig die Darlehen bedienen können. Sie müssten dazu ja nach der Krise mehr erwirtschaften als je zuvor. Deshalb hätte ich bei der Ausweitung des Darlehensprogramms auch nicht gleich von einer „Bazooka“ gesprochen.

Milliarden-Kredite: die Bazooka

Die Politik greift Unternehmen in der Corona-Krise mit umfangreichen Maßnahmen unter die Arme. Im Zentrum stehen diverse Liquiditätshilfen, allen voran Kredite in – wie die Bundesregierung mehrfach betonte – unbegrenzter Höhe. Bundesfinanzminister Olaf Scholz spricht bei den verabschiedeten Notfallhilfen für Unternehmen sogar von einer „Bazooka“ – also einer wirklich durchschlagenden Waffe im Kampf gegen die Rezession. 

Wie schlagkräftig sind die Staatshilfen dann überhaupt?

Die Spielregeln für die Vergabe staatlicher Kredite wurden gelockert. Dadurch sollen mehr Unternehmen leichter an Geld kommen. Der Plan: KfW und Landesförderbanken können bestehende Förderprogramme kurzfristig „aufbrechen“, also Kreditrahmen vergrößern oder neue Förderprogramme schaffen.

 

Nennen Sie ein Beispiel.

Der KfW-Kredit für Wachstum war einst als Investitionshilfe für Innovation und Digitalisierung im Mittelstand gedacht. Aktuell geht es jedoch darum, Unternehmen Liquidität bereitzustellen, damit sie nicht in die Zahlungsunfähigkeit rutschen. Entsprechend kann das Förderprogramm auch als reiner Betriebsmittelkredit genutzt werden – ohne jeden Bezug zu Innovation oder Digitalisierung.  

 

Also gibt es Kredite ohne Verwendungszweck?

Nein, so weit ist die Regierung nicht gegangen. Zwar können jetzt einige bislang zweckgebundene Kreditprogramme für die allgemeine Unternehmensfinanzierung genutzt werden. Dennoch müssen die Unternehmen wohl weiterhin bei der Beantragung des Kredits einen konkreten Verwendungszweck angeben. Sollten die Unternehmen das Geld zweckfremd einsetzen, verstoßen sie gegen den Kreditvertrag.

Wird das kontrolliert?

Grundsätzlich ja, aber es gibt Spielraum. Schon die Bezeichnung „allgemeine Unternehmensfinanzierung“ ist bewusst weit gefasst. Es ist also durchaus möglich, dass Unternehmen, die mit dem Geld eigentlich ihre Löhne zahlen wollten, kurzfristig umdisponieren, wenn sie ein Loch bei den Lieferanten stopfen müssen. Diesen Einsatz können sie frei entscheiden.

Was bedeutet eigentlich „unbegrenzt“ – wie viel Geld ist das?

Grundsätzlich können inzwischen alle Unternehmen Geld beim Staat beantragen, also auch Konzerne mit einem Milliardenumsatz. Das ist neu, denn zuvor waren die Programme für kleine bis mittelgroße Unternehmen vorgesehen. Die Kredite selbst sind allerdings gedeckelt. So ist beispielsweise der KfW-Unternehmerkredit auf maximal 200 Millionen Euro begrenzt. Solche Deckelungen gibt es auch bei anderen Kreditformen. Die Höhe der Ausreichung hängt von den Rückführungsoptionen der Unternehmen ab.

Wie schnell wird das Geld ausgezahlt?

Zum einen hängt die Geschwindigkeit der Auszahlung von der Größenordnung ab: Die Vergabe kleiner Kredite wird vermutlich unbürokratischer und damit schneller verlaufen als die von Millionenkrediten. Zum anderen kommt es darauf an, wie gut die Unternehmen ihren Antrag vorbereiten: Wenn die Firma eine integrierte Unternehmensplanung auf den Tisch legt, könnte die Zusage bei Banken in zwei Wochen herbeigeführt werden. Wenn sie die Planung aber erst erstellen oder aktualisieren muss, kann es deutlich länger als vier Wochen dauern, bis das Geld ausgezahlt wird. 

Könnten Unternehmen ihren Kredit nochmal aufstocken?

Theoretisch ja. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Aufstockung gewährt wird, halte ich für gering. Denn das Unternehmen zeigt ja, dass es seine Planung nicht einhalten kann. In einer solchen Lage braucht der Geschäftsführer für einen zweiten Kredit wirklich gute Argumente. 

Wie könnten die aussehen?

Überzeugungskraft hat meist die Aussicht auf große Kundenaufträge. Wenn etwa Daimler die Produktion stoppt, ist das für den Zulieferbetrieb meist nicht vorhersehbar. Also bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als seine Planung anzupassen. Gleichzeitig kann er glaubwürdig argumentieren, dass es wieder bergauf gehen dürfte, sobald Daimler die Produktion wieder hochfährt. Für einen Single-Source-Lieferanten gilt das in besonderem Maße. 

Wie sind die Rückzahlungen geregelt?

Es gelten die normalen Rückzahlungsbedingungen. Die Laufzeit ist abhängig vom Programm beziehungsweise dem Goodwill des Finanzinstituts. Bei einem Teil der Programme kann das Geld jedoch auch vorzeitig ohne Vorfälligkeitsentgelt zurückgezahlt werden, sobald die Krise überwunden ist. Je nach Bonität gibt es den entsprechenden Zinssatz. Die Zinssätze variieren nach Bank und Förderkredit, bei der L-Bank in Baden-Württemberg schwanken sie zwischen einem und sieben Prozent.

Wer trägt das Ausfallrisiko?

Letztlich der Staat, also der Steuerzahler. Die Bundesregierung hat hier weitere Zusagen gemacht und wird für noch mehr Ausfallvolumen haften. Der Haftungsrahmen ist auf 80 Prozent, teilweise sogar auf 90 Prozent erhöht worden. Das soll auch als Anreiz für die Finanzinstitute dienen, die staatlichen Hilfen und die KfW-Kredite den Unternehmen auch tatsächlich anzubieten.

Angeblich soll die Kreditvergabe schnell und unbürokratisch erfolgen. Glauben Sie das?   

Ehrlich gesagt, nein. Ich wüsste auch nicht, wie das funktionieren sollte. Denn die normalen Anforderungen an den Kreditantrag bleiben ja bestehen: Alle Betriebe müssen eine gut aufbereitete Unternehmensplanung samt Liquiditäts- und Umsatzprognose vorlegen. Dabei weiß aktuell keiner, wie sich die Situation entwickeln wird. Wie wollen Sie für ein solches Szenario einen Plan erstellen – oder gar belegen, dass Sie das Darlehen werden zurückzahlen können? Da steckt ein enormes unternehmerisches Risiko drin.

Und da gibt es kein Entgegenkommen von den Banken?

Es gibt von Seiten der Förderbanken die Aussage, dass für die Kreditentscheidung auf die Zahlen aus dem Jahr 2019, also vor Ausbruch der Krise abgestellt wird. Dies wäre eine erhebliche Erleichterung für die Unternehmen und die Kreditvergabe. Ob die Hausbanken dies in ihrem Entscheidungsprozess genauso handhaben, wird sich allerdings erst noch zeigen müssen.

Um beim Stichwort Risiko zu bleiben: Das Insolvenzrecht hat sich geändert. Ist das gut oder schlecht für Unternehmen in der Krise?

Für die Geschäftsführung heißt es jedenfalls: Das Haftungsrisiko könnte zunehmen. Wenn ein Unternehmen durch die Coronakrise Liquiditätsprobleme hat, ist es entweder überschuldet oder schon zahlungsunfähig. Dann müsste es Insolvenz anmelden. Die Insolvenzantragspflicht wurde jetzt zwar bis zum 30. September ausgesetzt, was ich für gut und richtig halte. Aber: Diese Aussetzung gilt nur, wenn das Unternehmen eine begründete Aussicht auf Sanierung hat, etwa weil es öffentliche Hilfen beantragt hat. Wenn der Betrieb also den Insolvenzantrag vermeiden will, braucht er eine positive Fortbestehungsprognose – und das ist nichts anderes als eine Unternehmensplanung, die ausweist, dass es für 24 Monate durchfinanziert ist. Doch hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Denn sobald die Kreditverhandlungen mit der Hausbank scheitern – also die Beantragung der öffentlichen Hilfen –, hat der Geschäftsführer ein Haftungsrisiko, weil er in eben dieser Zeit die Insolvenz verschleppt haben könnte. Das ist eine absurde Situation. 

Ihre Einschätzung: Sind die Corona-Nothilfen ein tragfähiges Konzept?

In der Vergangenheit haben sich solche Maßnahmenpakete bewährt – etwa als es um staatliche Hilfe für die Flutschädenopfer in den neunziger Jahren ging oder auch darum, die Folgen der Finanzkrise abzufedern. Eine weltweite Pandemie jedoch, wie wir sie jetzt erleben und die sämtliche Branchen in Mitleidenschaft zieht, hat unabsehbare wirtschaftliche Auswirkungen. Wie man diese Tiefschläge mit Darlehen abfedern will, ist mir schleierhaft. 

Wie sähe eine bessere Lösung aus?

Ganz klar: weniger Kredite und dafür mehr Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Dazu könnte es meines Erachtens ohnehin kommen. Denn trotz der Nothilfen wird es jede Menge Insolvenzen geben. In diesem Fall müssen die Banken auf die Rückzahlungen verzichten. Dann werden die Kredite zwangsläufig zu Zuschüssen. Die Bundesregierung steuert hier aber auch in eine bestimmte Richtung. Für Kleinstbetriebe und Solo-Selbständige will sie jetzt ja einen Härtefall-Fonds auflegen, der mit echten Zuschüssen hilft. Auf Landesebene gibt es ähnliche Ankündigungen. 

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