Der Mittelstand geht stiften
Man muss kein Multimillionär sein, um mit seinem Vermögen Gutes zu tun. Neue Regeln schaffen mehr Klarheit über unterschiedliche Stiftungsoptionen.
Mathias Hajek liebt seine Arbeit. Der ehemalige Kommunikationschef in der Finanzbranche hat deshalb nicht nur beruflichen, sondern auch finanziellen Erfolg. Heute, nach 45 Jahren in der Pflicht, lebt der 64-Jährige entspannt in Düsseldorf. Er pflegt seinen Freundeskreis, genießt seine Hobbys, schraubt an einem alten Jaguar. Hajek ist kinderlos und Realist: "Irgendwann musste ich mir Gedanken machen, was mit meinem Erbe passieren soll." Sein Vermögen ist erfreulich, steinreich wie die Gründer der einflussreichsten philanthropischen Stiftung der Welt ist er nicht: The Giving Pledge von Bill und Melinda Gates und Warren Buffett. Die Milliardärs-Initiative ruft Wohlhabende dazu auf, die Hälfte ihres Vermögens zu spenden.
Auch Mathias Hajek möchte nach seinem Tod noch Menschen, die es weniger gut im Leben haben, unterstützen. Bloß, wie? "Ich habe mich informiert und schnell festgestellt, dass mein Nachlass als Vermögen für eine rentable eigene Stiftung zu gering ist. Die Idee der Verbrauchsstiftung oder einer Spende an andere gefiel mir nicht, weil ich nicht möchte, dass das Kapital in wenigen Jahren verzehrt ist, sondern langfristig wirken soll." Ein Stiftungsberater der Sparkasse brachte ihn dann auf eine Idee: Für seine Zwecke sei eine sogenannte Zustiftung richtig.
Deutschland geht stiften. Manch Nobler dankt so für sein Lebensglück, andere sind von Schicksalsschlägen motiviert – selbst in der Corona-Krise. Die Hälfte der Stiftungen plante im Oktober 2020, die Ausgaben zur Zweckverwirklichung auf dem Vor-Corona-Niveau zu halten. Mehr als 23.000 Stiftungen gibt es hierzulande. 90 Prozent werden zu Lebzeiten des Mäzens gegründet, zu 95 Prozent sind die älter als 45 Jahre, zumeist hochgebildet und männlich. Rund 70 Prozent des deutschen Stiftungsvermögens liegen unter einer Million Euro.
Simone Thaler, Münchener Büroleiterin des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, erkennt aktuell drei Trends: "Es gibt mehr Gründungen zu Lebzeiten, weil Stifter sehen möchten, was sie bewirken können. Immer mehr Frauen stiften, weil sie über eigenes Vermögen verfügen, und neben sozialen Projekten werden Bildungsförderung und Nachhaltigkeitsziele wichtiger." Konstant bleibt das größte Problem: die anhaltende Niedrigzinsphase, die das Erwirtschaften von Gewinn auf das Stiftungskapital erschwert.
Umso wichtiger ist für Stifter die Frage: Wie ertragreich kann das Kapital angelegt werden? Unabhängig von den Auflagen der immer zuständigen Stiftungsaufsicht rät Thaler: "Stifter sollten Anlagegrundsätze und -richtlinien in Konkretisierung der Satzung festschreiben, um bei der Vermögensanlage nach Plan und Strategie vorgehen zu können." Stiftungen sind ein weites Feld und ein ertragreiches für Juristen wie für Vermögensverwalter noch dazu. Es gibt sie in vielfältigen Rechtsformen, mit vielen nach Bundesländern unterschiedlichen Auflagen, mit schwierigen Begrifflichkeiten.
Wer stiftet, brauchte einen langen Atem. Aber der finanzielle Segen wird gerade etwas einfacher. Die Bundesregierung hat im März das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts auf den Weg gebracht, 2022 soll es in Kraft treten. 16 Landesstiftungsgesetze sollen vereinheitlicht werden, unter anderem beim Stiftungsvermögen, bei Haftung und Satzungsänderungen. Außerdem soll bis 2026 ein öffentliches Stiftungsregister geschaffen werden. Zwecks mehr Transparenz müssen alle Stiftungen dort umfangreiche Informationen hinterlegen.
Viel Hilfe mit wenig Aufwand
Der Düsseldorfer Mathias Hajek hat sich also für eine Zustiftung entschieden. Von seinem Wohlstand zu Lebzeiten soll nach seinem Ableben die gemeinnützige "Die Round Table Stiftung Deutschland" profitieren. "Ich bin seit fast 40 Jahren Tabler. Diese Vereinigung und ihre Stiftung unterstützen Kinder und Jugendliche, fördern die Gesundheitsvorsorge usw. Das sind die Werte, die ich seit jeher vertrete. Es ist gut zu wissen, dass ich dazu auch nach meinem Tod noch lange beitragen kann." Sprach’s lächelnd, gesund und munter.
Auch aus Sicht von Daniel Elias Serbu, Frankfurter Rechtsanwalt der Kanzlei Rose & Partner, eine gute Entscheidung. "Wenn eine existierende Stiftung dasselbe Ziel verfolgt, kann eine Zustiftung sinnvoller als eine aufwendige Neugründung sein." Die Vorteile: Die Stiftungsaufsicht hat sie schon anerkannt, die Verwaltung funktioniert. Der Nachteil: Der Geber hat in der Regel geringe beziehungsweise keinen Einfluss mehr auf seine Gabe. "Eine Stiftung mit unter 100.000 Euro Kapitalstock kann in der Niedrigzinsphase aus Sicht der Aufsicht kaum ihr Ziel über Zinserträge bedienen", so Serbu. Sinnvoll ist eine Gründung regelmäßig erst mit einem Gründungskapital zwischen ein bis zwei Millionen Euro. "Es hängt vom Stiftungszweck und den eingebrachten Vermögenswerten ab: Immobilien bringen andere Erträge als Aktien." Für Zustifter sei es am wichtigsten, die anvisierte Stiftung zu fragen, was sie braucht. Zum Beispiel eine neue Bibliothek – mit dem Namen ihres Gönners.
Bis zum letzten Cent
Die Verbrauchsstiftung, die für Hajek nicht infrage kam, ist gänzlich anders konzipiert. Hier wird nicht der Gewinn aus dem Stiftungsvermögen investiert, sondern die milde Gabe wird in mindestens zehn Jahren für einen guten Zweck aufgebraucht. Dann gilt: Was weg ist, ist weg und die Stiftung endet. "Auch das ist eine interessante Stiftungsoption, will aber gut bedacht sein", weiß Karina Frille, Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin bei Ebner Stolz. Auch die Stiftungsrechtsnovelle zieht die Zügel hier noch einmal an. Es beginnt beim Stiftungskapital: Eine Immobilie beispielsweise eignet sich naheliegenderweise nicht. "Auch die Steuerthematik ist komplex und der Stifter hat keinen Einfluss, wenn er nicht Gremiumsmitglied in der Stiftung ist", berichtet ihre Kollegin Susanne Weigenand, Rechtsanwältin und Expertin für Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht aus dem Stuttgarter Büro.
Aus Sicht der Fachfrauen sollte das Kapital hier im Millionenbereich liegen. Auch die Verbrauchsstiftung hat Opportunitäts- wie zum Beispiel Rechnungslegungs- und Steuererklärungskosten sowie Haftungsrisiken. Wie eine Ewigkeitsstiftung muss sie alle drei Jahre ihre Gemeinnützigkeit belegen. Zweck muss hier wie dort die selbstlose Förderung der Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet oder mildtätige Hilfe für Personen in Not sein. "Ein Wissenschaftler unter unseren Mandanten hat so einen Lehrstuhl gestiftet, um die Forschung in einem auf seiner Sicht wichtigen Bereich anzukurbeln", berichtet Karina Frille.
Auch die zeitlich begrenzte Unterstützung über Stipendien für Schüler oder Studierende – beispielsweise mit 300 Euro im Monat für die Dauer ihrer Ausbildung – ist ein beliebter Kapitalverbrauch.
Alternative Spenden
Wer den Aufwand scheut, dem kann mit einer schlichten Spende an eine bestehende Organisation oder Stiftung besser gedient sein, rät Anwältin Weigenand. Der Gönner, die Gönnerin kann dabei schriftlich festlegen, dass das Spendenversprechen – beispielsweise 100.000 Euro jährlich für einen bestimmten Zeitraum – und der genaue Spendenzweck vom Empfänger erfüllt werden muss. Eine solche Vereinbarung kann auch über seinen oder ihren Tod hinaus gelten. Ihr Rat für alle mit großem Herzen: "Klären Sie zuerst folgende Fragen ganz für sich und in dieser Reihenfolge: Was will ich konkret bewirken? Wie viel Zeit habe ich, mich selbst darum zu kümmern? Welche Haftung bin ich bereit zu übernehmen? Und erst die letzte Frage ist die nach dem besten steuerlichen Modell." Das Gute liegt nah, die Bürokratie näher. Zusammen mit der steigenden Nachfrage nach Stiftungen, ist es kein Wunder, dass die Zahl der reißerischen "Experten" im Internet wächst. Dabei gibt es guten und neutralen Rat kostenlos – beim Bundesverband Deutscher Stiftungen.