Deutschland rückt nach links – und die Schweizer Geldbranche jubelt
Immobilienvermittler und Vermögensverwalter spüren es schon: Vermögende Deutsche sehen sich in der Schweiz um, weil sie eine linke Regierungsmehrheit in ihrem Land fürchten. Ein solche Koalition könnte ihnen ans Geld gehen, das sie jetzt lieber ins Nachbarland transferieren.
Der mögliche Linksruck unter einen neuen Bundesregierung in Deutschland bringt die Schweizer Nachbarn in Fahrt. In dem Land, in dem traditionell vermögende Deutsche wie etwa der Hamburger Investor und Mehrheitsaktionär des Logistikers Kühne und Nagel, Klaus Michael Kühne, oder Müllermilch-Gründer Theo Müller ihren Privat- und manchmal auch ihren Firmensitz haben, ist man es gewohnt, dass die wohlhabenderen Einwohner des "großen Nachbarkantons“ sich immer dann zwischen Genf und Zürich umschauen, wenn es ihnen zu Hause ans Portemonnaie gehen könnte. Die aktuellen Pläne der Linksparteien von SPD, Grüne bis Linke zur Wiedereinführung einer Vermögenssteuer sind genau die Anlässe, die die Schweizer lieben. Denn jetzt kommen die Deutschen in Scharen", sagt beispielsweise der Publizist Roger Köppel und fügt in seiner morgendlichen Sendung hinzu: "Die Hausbesitzer werden sich freuen“, denn ob sie verkaufen oder vermieten wollten – die Preise werden anziehen. An der sogenannten Goldküste, dem sonnigeren, südöstlichen Teil des Zürichsees, ziehe die Nachfrage, die traditionell das Angebot übersteige und für Preise im zweistelligen Millionenbereich sorgt, derzeit bereits an.
"Ein schwacher SPD-Kanzler mit zwei starken etatistisch-sozialistischen Koalitionspartnern und einer starken Linksfraktion in der eigenen Partei kann nur einen massiven Linksrutsch in der Politik bedeuten“, analysiert der Unternehmensberater Klaus Stöhlker im Züricher Newsletter für die Banker-Branche "Inside Paradeplatz“. Seine Bobachtung: "Viele deutsche Unternehmer haben dies verstanden und bereiten in aller Stille einen Umzug in die Schweiz vor.“ Die Signale aus Banken und Handelskammern seien eindeutig: Die Zahl der Anfragen deutscher Unternehmer, wie man am besten Schweizer werde, habe in diesem Jahr deutlich zugenommen. Er zitiert als Kronzeugen Ulrich Bettermann, einen Deutschen mit Schweizer Pass, dessen Elektrounternehmen OBO Bettermann in der Zentralschweiz angesiedelt ist. Der bestätigt: "Viele deutsche Unternehmer sind in großer Sorge. Mich haben bereits sieben Briefe erreicht, in denen mich Unternehmer fragen, wie man Schweizer wird.“ Stöhlker erinnert: "Die Schweiz ist längst eine – sehr erfolgreiche – Plattform für ausländisches Kapital.“ Die Eliten, die auch nach dem Fall des Steuergeheimnisses für Ausländer gekommen seien, weil sie die Stabilität und den Währungsraum des Schweizer Frankens schätzen, sorgten mit ihrem Steuergeld dafür, dass im Bund, in manchen Kantonen allen voran Zug, und Gemeinden wie eben denen am Zürichsee die Steuereinnahmen munter sprudelten.
Wolfgang Weber-Thedy, deutschstämmiger Berater mit Wohnsitz am Zürichsee prophezeit: "Es wird ein Run auf Top-Immobilien einsetzen. Die Vermögensverwalter spüren es bereits.“ Schon jetzt bilden die mehr als 300 000 Deutschen nach den Italienern die zweitgrößte Ausländergruppe in der Schweiz. Der letzte Run setzte zu Beginn der 2000 Jahre ein, als die SPD-Grünen Regierung unter Gerhard Schröder gegen die Rezession kämpfte, die durch eine geplatzte Dotcom-Blase ausgelöst worden war. Es gab Zeiten, da warben Schweizer Banken auf Plakaten mit Geldkoffern um ausländische Kundschaft. 50 Jahre ist das her. Besonders Deutsche brachten ihre Ersparnisse gerne in die Schweiz und verschwiegen dies oft dem Fiskus. Jahrzehntelang war der Geldtourismus fast eine deutsch-schweizerische Errungenschaft. Ganz vorbei ist das noch immer nicht. So stoßen Zöllner regelmäßig auf hohe Summen Bargeld, die über die Grenze geschmuggelt werden. 2018 sammelten sie die Rekordsumme von 10,8 Millionen Euro ein, die illegal über die Grenze gebracht werden sollte. Das war fünfmal so viel wie im Vorjahr. Das Bundesfinanzministerium präsentierte 2019 eine Liste mit den sieben umfangreichsten Bargeldtransfers der vergangenen zwölf Monaten. Die höchste Summe davon – 127 Millionen Euro – landete offiziell in Liechtenstein. Die sechs anderen angemeldeten Transfers gingen jedoch alle die Schweiz.
Während das die Schweizer eher freut, macht Publizist Köppel auf eine unangenehme Nebenwirkung aufmerksam: Die Schweiz hat Deutschland als wichtigsten Handelspartner. Und wenn es dem wirtschaftlich schlecht gehe, gehe es auch der Schweiz nicht wirklich gut. Vor dem Hintergrund vertritt Köppel die Meinung, dass trotz aller Zufriedenheit bei Immobilienvermittlern und Vermögensverwaltern eine bürgerliche Regierung in Deutschland auch für die Schweiz die bessere Wahl sei.