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Finanzierung > Marode Brücken bremsen Wirtschaft

Deutschlands bröckelnde Brücken: Eine Milliardenlast für die Wirtschaft

Schwerlastverkehr wird zur Lotterie: Umwege und Verzögerungen kosten Unternehmen Millionen. Sanierungsstau gefährdet Standort Deutschland.

Maroden Brücke sorgen für viele Umwege im Verkehr. (Foto: Shutterstock)

Die deutsche Wirtschaft steht vor einem massiven Infrastrukturproblem: Marode Brücken zwingen Schwertransporte zu kostspieligen Umwegen. Allein der Ausfall der Rahmedetalbrücke bei Lüdenscheid verursacht Milliardenschäden. Unternehmen wie Liebherr kämpfen mit unkalkulierbaren Transportrouten und steigenden Kosten. Die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland steht auf dem Spiel.

Schwerlastverkehr: Wenn der Transport zur Lotterie wird

Je schwerer die Lasten umso mehr wird der Transport zur Lotterie. Marode Brücken zwingen immer öfter zu erheblichen Umwegen. Das verursacht Schäden in Milliardenhöhe.

Bei Liebherr in Ehningen an der Donau kennt man sich mit schweren Lasten aus. Die riesigen Kräne des Traditionsunternehmens sind weltweit begehrt. Die Nachfrage ist groß, was den Vertrieb prinzipiell freut. Doch dieser Erfolg ist das regelmäßig mit der Frage verbunden: wie kommt der Krahn bis zur Einsatzort, dem Kunden oder an den passenden Nordseehafen? Auf dem direkten Weg wären es gut 730 Kilometer von Ehningen bis zur Kaimauer in Bremerhaven. Doch sie müssen beachtliche Umwege nehmen, denn nicht jede Brücke kann mit den teils mehr als 100 Tonnen schweren Kolossen befahren werden. Sie sind entweder marode oder müssen gerade saniert werden.

Den Weg von Schwertransporten bestimmen die Behörden entlang der Strecke. So kann den Liebherr-Planern ein Umweg über Magdeburg verordnet werden. Plötzliche Routenänderungen gehören dazu. Dann kann die Fahrt an die Nordsee von Oberschwaben locker auch mal bis vor die Tore Berlins führen. So kommen schon mal mehr als 1000 Kilometer zusammen. Das seien enorme Zusatzkosten für Personal und Sprit, stöhnt man in Ehingen. Aber auch für die Behörden bedeute die Suche nach noch tragfähigen Brücken auf der gewünschten Strecke ein wachsender Verwaltungsaufwand.

Aus Sicht der Transporteure kommt noch hinzu, dass die Ämter nicht nach einheitlichem Muster operieren. Es gebe große Unterschiede welche Unterlagen und Dokumente für die Genehmigungen benötigt werden. So ist es für die Schwerlastspezialisten auch nicht kalkulierbar, wann alle Genehmigungen vorliegen Doch erst dann können Anlagenbauer oder die Disponenten von Schiffsladungen überhaupt erst mit der Planung von Aufbau oder Überseereise beginnen. So spricht sich der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) schon seit Jahren für eine Standardisierung der Verfahren aus. Doch dazu bräuchte es ein buchstäblich belastbares Streckennetz.

Bröckelnde Infrastruktur: Eine Belastungsprobe für die gesamte Wirtschaft

„Wir merken jetzt an allen Ecken und Kanten, dass die Infrastruktur bröckelt", klagt Marcus Hover, Vize-Hauptgeschäftsführer des Verbandes Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen. Der Großteil der Speditionen mit herkömmlichen Lastwagen ist aber auch betroffen. Umleitungen, und lange Staus durch Baustellen wirbeln regelmäßig die Planungen der Disponenten durcheinander. Oft könne man die Mehrkosten nicht an die Kunden weiterberechnen, heißt es in der Branche. Die verweist darauf, dass zwar die Maut im Dezember wieder erhöht wird, dass aber das Geld nicht konsequent in den Erhalt der Straßen investiert werde.

Der Folgen für die Wirtschaft sind nur schwer abschätzbar. Allein der Abbruch und Neubau der Rahmedetalquerung bei Lüdenscheid entlang der A45 verursacht ein Milliardenschaden für die betroffene Region. Die wichtige Verbindung ist seit 2021 nicht mehr passierbar. Nach einer Umfrage des Verbandes Verkehrswirtschaft und Logistik NRW dauert eine einzelne Lkw-Fahrt mehr als eine Stunde länger als vor der Brückensperrung. Der Neubau soll erst 2027 stehen. Eine Fahrbahn könnte im Sommer 2026 für den Verkehr freigegeben werden.

In Deutschland stehen insgesamt rund 130.000 Brücken. Davon gelten gut 16.000 als sanierungsbedürftig.

Allein für die Bundes-Brücken muss der Steuerzahler rund 2,5 Milliarden Euro jährlich berappen. Viele dieser Bauwerke stammen aus den 1960er Jahren. Dafür wurden Materialien verwendet, die nach 50 Jahre so problematisch sind, dass eine Sanierung oft nicht mehr möglich ist. Viele Bauwerke sind per se schon nicht für die heutige Belastung konzipiert worden. So hat sich der Güterverkehr seit 1960 mehr als verdreifacht.

Allein zwischen 1991 und 2022 ist nach Berechnungen des Verbands der Deutschen Bauindustrie der inländische Güterverkehr um 74 Prozent gestiegen. Vier Fünftel werden über die Straße abgewickelt. „Ein einziger Lastwagen nutzt die Straße so stark ab, wie viele Tausend Autos. Und hier leiden die Brücken besonders", verdeutlicht die Autobahn GmbH die Belastung der Brücken.

Oft bleibt nur Abbruch und Neubau, mit allen bürokratischen Hindernissen. So dauern die Genehmigungen samt der Umweltverträglichkeitsprüfungen meist immer mehrere Jahre. Entsprechen wartet auf die Behörden viel Arbeit. Allein im Zuständigkeitsbereich des Bundes gelten von etwa 40.000 Verbindungen gut 1.600 als marode. Besonders angeschlagen sind die Autobahnbrücken. Von den bundesweit 3.786 Autobahnbrücken mit einer Mindestlänge von 50 Metern erteilt die Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken 1.382 Verbindungen die Zustandsbewertung „noch ausreichend", Weitere 378 bescheinigen die Experten den Bauwerkszustand „nicht ausreichend".

Sanierungsstau in Baden-Württemberg: Ein Bundesland kämpft um seine Brücken

In Baden-Württemberg muss beispielsweise jede zehnte der rund 7.300 Brücken an Bundes- und Landesstraßen aufgrund ihres Alters saniert oder ersetzt werden. Im Südwesten stehen auch 16 der 100 am stärksten angeschlagenen Autobahnbrücken Deutschlands. Konkret bedeuten diese Zahlen im Alltag viele Umwege und massive Einschränkungen. Im oberschwäbischen Ravensburg müssen beispielsweise gleich vier Bauwerke repariert oder sogar abgebrochen werden. Dazu zählt die „Nothelferbrücke", über die die B32 führt. Dabei wurde sie erst 2002 von Grund auf saniert. Eine weitere Brücke ist gar nicht mehr zu retten. Sie ist in ähnlicher Bauweise wie die Carola-Brücke in Dresden errichtet worden. Für den Schwerverkehr hat die Stadt bereits eine Not-Umgehung errichtet. Über die müssen demnächst alle fahren. Die Reparatur der „Meersburger Brücke" ist hingegen so aufwändig, dass die darunterliegende Bahnlinie über Monate hinweg blockiert wird.

Das Verkehrsministerium in Stuttgart will mit eine Sammelausschreibung das Sanierungstempo im Südwesten beschleunigen. Sie umfasst 31 Brücken an Bundesstraßen für deren Erhalt die Straßenbauverwaltung des Landes zuständig ist. Die gesamten Investitionskosten schätzt das Ministerium auf rund 150 Millionen Euro. Insgesamt investiert das Land 165 Millionen Euro pro Jahr in die Erhaltung und Sanierung der Brücken. Ziel sei aber, diese Summe auf 300 Millionen Euro jährlich zu erhöhen, so Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne).

Die Sammelausschreibung sieht allerdings keine Landesstraßen vor obwohl auch dort Schwertransporte wie die von Liebherr unterwegs sind. Entsprechend ist die Wirtschaft mit der Landesregierung unzufrieden. Manuel Geiger vom Verband Unternehmer Baden-Württemberg (UBW), mahnt, dass jedes Jahr mindestens 100 Brücken saniert werden müssten. Diese Zahl bestätigt sogar auch Herrmann. „Sollte dies nicht gelingen, könnte der Verkehr zunehmend eingeschränkt werden müssen – zum Beispiel, weil ganze Brücken gesperrt werden müssen." Betroffen wären vor allem Unternehmen, weil zunächst der Schwerverkehr eingeschränkt werde.

Solche Einsicht beruhigt die Wirtschaft aber nicht. Für die dringend notwendige Sanierung gebe es weiterhin kein Gesamtkonzept, klagt der UBW. „Es ist natürlich unpopulärer, Geld in den Erhalt der Infrastruktur zu stecken als in prestigeträchtige Neubauten, wo man dann ein Band durchschneiden kann", stellt der Ravensburger Baubürgermeister Dirk Bastin gegenüber der Schwäbischen Zeitung fest. Letztlich sei die Infrastruktur so marode, weil in den vergangenen Jahrzehnten zu wenig investiert worden sei. „Das rächt sich jetzt."

Unter dem Hammer

Der Hammer ist das wichtigste Werkzeug der Brückenprüfer. Profis hören sofort, wenn der Beton hohl oder dumpf klingt. Das sind für sie klare Anzeichen, dass die Chloride im Streusalz oder die Schadstoffe aus dem Regen in den Baustoff eingedrungen sind. Das verursacht hörbare Hohlstellen.

Die Prüfer vergeben beim Brücken-TÜV Noten von 1 bis 4. Ein ungenügender Bauwerkszustand beginnt ab Note 3,5. Die Prüfung verrät meist frühzeitig, ob eine Brücke marode ist. Nur in Dresden hat das bei der Carola-Brücke nicht geklappt. Die ist im August über Nacht spektakulär eingeknickt.

Fazit

Die maroden Brücken in Deutschland stellen eine ernsthafte Bedrohung für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft dar. Insbesondere mittelständische Unternehmen leiden unter den steigenden Kosten und der Planungsunsicherheit. Die Bundesregierung und die Länder stehen vor der Herausforderung, den Sanierungsstau schnellstmöglich abzubauen. Doch Fachkräftemangel und begrenzte finanzielle Mittel erschweren dieses Unterfangen.

Ohne massive Investitionen und eine Beschleunigung der Sanierungsarbeiten drohen weitere Brückensperrungen und damit verbundene wirtschaftliche Einbußen. Die Wirtschaftsverbände fordern daher ein umfassendes Konzept zur Modernisierung der Infrastruktur. Nur so kann der Wirtschaftsstandort Deutschland langfristig gesichert werden.

Die Herausforderung bleibt gewaltig: Jede zehnte Brücke muss saniert oder ersetzt werden. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, bei dem die deutsche Wirtschaft auf dem Prüfstand steht. Die maroden Brücken sind nicht nur ein Verkehrshindernis, sondern ein Symptom für den Zustand der gesamten Infrastruktur. Die Lösung dieses Problems wird entscheidend sein für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands.