Die Kunst des Börsengangs
Auf der IPO Night in Frankfurt am Main wurden in feierlicher Atmosphäre Deutschlands erfolgreichste Börsengänge der letzten beiden Jahre gewürdigt. Der Award in der Kategorie „Herausragender Börsengang“ ging an Porsche.
Einen exklusiven Abend lang lag der Fokus in einem der bedeutendsten Kunst-Museen des Landes ausnahmsweise einmal nicht auf Rembrandt, Picasso oder Monet. Vielmehr bildete das Frankfurter Städel Museum mit seinen tausenden Gemälden, Zeichnungen und Fotografien aus sieben Jahrhunderten den Rahmen für die IPO Night. Auf der ging es nicht um Kunst im klassischen Sinne, sondern um die Kunst des Börsengangs.
Zum ersten Mal würdigten die auffälligsten IPOs die WEIMER MEDIA GROUP und die Deutsche Börse Group, gemeinsam mit hochkarätigen Gästen aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Ein feierlicher Festakt im Herzen der Mainmetropole, der die herausragenden Börsengänge und Eigenkapitalfinanzierungen deutscher Unternehmen in den vergangenen beiden Jahren auszeichnete und gleichzeitig in den Fokus rückte, was auch an der Börse stets Grundlage des Erfolgs ist: die richtige Kommunikation, die Möglichkeit zum Austausch – und, wie es Moderator Oliver Stock sagte, das Macher-Gen. Denn das bräuchten erfolgreiche Unternehmer und begnadete Künstler nun mal gleichermaßen.
Ganz besonders vor dem Hintergrund einer veritablen Krisenlage in der Welt und reichlich innenpolitischen Themen: „Unser Land ist in keinem guten Zustand“, formuliert es Christiane Götz-Weimer, Verlegerin der Weimer Media Group. „Erst Wirtschafts- und Standortkrise, jetzt auch noch eine Staatsfinanzenkrise, in Berlin fliegen die Fetzen und vielleicht auch unsere Regierung.“ Unter diesen Verwerfungen leide auch der hiesige Finanzmarkt, so Götz-Weimer in ihrer Willkommensrede weiter. „Die großen Finanzströme fließen zunehmend an uns vorbei, die deutschen Börsen melden zu viele Delistings und zu wenige IPOs.“
Die IPO Night soll dazu beitragen, dass sich das wieder ändert. Mehr Wertschätzung für die deutsche Wertpapierwelt lautet die Devise an diesem Abend. „Wenn der Finanzmarkt Rückenwind braucht, dann fangen wir heute eben mal damit an Wind zu machen“, fordert Götz-Weimer.
Ganz im positiven Sinne stürmisch war das Börsendebüt von Porsche im Herbst 2022. Mit einem Emissionsvolumen von 9,4 Milliarden Euro gelang den Stuttgartern der größte Börsengang in Deutschland seit dem IPO der Telekom im Jahr 1996. Wenige Stunden nach Beginn der Zeichnungsfrist waren die Aktien über die gesamte Preisspanne hinweg vielfach überzeichnet gewesen. Wenig überraschend wählte die aus renommierten Köpfen der Finanzwelt bestehende Jury in der Kategorie „Herausragender Börsengang“ deshalb den ikonischen Sportwagenhersteller als Gewinner. Unter den Nominierten waren auch Daimler Truck und Auto1 gewesen.
In seiner Laudatio erinnert sich Verleger und Journalist Wolfram Weimer zurück an sein allererstes Buch, in dem er mehrere Unternehmerpersönlichkeiten, darunter Ferdinand Porsche, porträtiert hatte. Ein Statement des Unternehmers, so Weimer, sei ihm dabei bis heute im Kopf geblieben. „Wenn jemand nicht öfter Fehler macht, dann hat jemand sich selbst nicht genug herausgefordert“, hat Porsche einmal gesagt. Dieser Geist lebe bei dem Autobauer in der Gegenwart weiter. Allein, sie machten in Stuttgart dabei kaum noch Fehler, so Weimer. Porsche sei zu einem deutschen Vorzeigeunternehmen für Zuverlässigkeit geworden und an der Börse inzwischen höher bewertet als der Mutterkonzern Volkswagen, obwohl der drei Viertel der Aktien hält.
Stefan Mayr-Uhlmann nahm den Preis stellvertretend entgegen – der Vorstand war komplett auf China-Reise und grüßte per Videoborschaft. Der Sprecher für Finance und IT bei Porsche blickte süffisant zurück auf den 19. Dezember, den Tag, an dem die Dax-Aufnahme von Porsche mit der Deutschen Börse gebührend gefeiert wurde, es aber fast nicht geworden wäre. Denn: „Die Glocke war bereit, die Schnittchen auch, wir hatten an alles gedacht, nur nicht an Blitzeis“, erinnert sich Mayr-Uhlmann zurück. Der Vorstand habe dann in Stuttgart festgesessen und nicht abheben können. Er hätte ein paar Schweißtropfen verschwitzt, am Ende sei dann aber noch alles gut gegangen. Das Learning, so Uhlmann augenzwinkernd: „Das beste Fortbewegungsmittel ist dann doch der Porsche Cayenne und nicht das Flugzeug.“ Mit ersterem sei immerhin er pünktlich vor Ort gewesen.
In der Kategorie „Impact Börsengang“, der den Einfluss des IPOs auf elementare Transformationsprozesse würdigt, wurde ThyssenKrupp Nucera ausgezeichnet. Auch die Continental-Tochter Vitesco und der Antriebe-Spezialist hGears waren unter den Nominierten. „Wenn dieser Preisträger etwas tut, dann in einem angespannten Umfeld mutig auf neue Technologie setzen“, laudatierte Katharina Reiche, CEO von Westenenergie und Vorsitzende des Nationalen Wasserstoffrates der Bundesregierung, dem Preisträger.
Nucera ist schon lange im zukunftsträchtigen Wasserstoffgeschäft aktiv und bietet nach eigenen Angaben weltweit führende Technologien für Elektrolyseanlagen an. Diese spalten mithilfe von Elektrizität Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff. Diesen brauche Deutschland so gut wie überall, weiß Reiche. „Als Speichermedium, für die E-Mobilität, für verschiedenste industrielle Anwendungen“. Reiche warb in diesem Zug auch für „mehr Technologieoffenheit“.
Deutschland brauche „weniger Bürokratie, mehr Markt, mehr Wettbewerb“. Nucera-CFO Arno Pfannschmidt ordnet den Börsengang als „bedeutenden Schritt für unser Unternehmen und unsere geplanten Investitionen in einem anspruchsvollen Kapitalmarktumfeld“ ein. „Dass dieser Schritt und dessen Wirkung durch den Award gewürdigt werden, ist ein weiterer Beleg für das große Potenzial des Wasserstoffmarktes“.
Großes Potenzial wird auch dem Gewinner in der Smallcap-Kategorie zugesprochen: ParTec. Als Smallcaps werden an der Börse Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von unter einer Milliarde Euro bezeichnet. In der Kategorie waren auch das Berliner Cannabis-StartUp Cantourage und das Elektronikunternehmen Katek nominiert. ParTec habe als „einer der ersten in Deutschland und in Europa auf das Zukunftsthema Quantencomputing gesetzt“, lobt Laudator Fabian Mehring, der neue bayerische Staatsminister für Digitales.
Der Flaschenhals für viele Entwicklungen wie beispielsweise KI heiße Rechenkapazität, die Lösung dafür Quantencomputing, so Mehring. „Es ist die technologische Basis der Zukunft und ParTec ist unser FC Bayern auf diesem Zukunftsfeld.“ Hugo Falter, stellvertretender Vorsitzender von ParTec, lobte derweil die Investoren. Diese würden durch ihr Kapital die dringend benötigte Energie bereitstellen, damit Unternehmen wie ParTec überhaupt entstehen und wachsen könnten. Der Gang aufs Börsenparkett, so Falter, sei „eine der klügsten Entscheidungen“ gewesen, die ParTec in 24 Jahren hervorgebracht habe.
Spektakulär herausgekämpft aus einer mit der Corona-Pandemie existenziellen Krise hat sich die Deutsche Lufthansa. Zunächst musste Europas größte Fluglinie vom deutschen Staat mit Milliardenkrediten gerettet werden. Um diese zurückzahlen zu können, beschloss der Kranich-Konzern 2021 unter anderem eine Kapitalerhöhung in Höhe von 2,14 Milliarden Euro durch die Ausgabe neuer Aktien.
Diese verlief derart reibungslos und erfolgreich, dass die Deutsche Lufthansa dafür in der Kategorie „Außergewöhnliche Eigenkapitalfinanzierung“ auf der IPO Night ausgezeichnet wurde. Nominiert waren zudem Deutschlands größter Wohnungsvermieter Vonovia, der Medizintechnikspezialist Siemens Healthineers, der Lieferdienst Delivery Hero, der Rüstungskonzern Rheinmetall und Siemens Energy.
Der Erfolg der Lufthansa-Kapitalerhöhung sei „bemerkenswert, vor allem aufgrund des Umfeldes und des Zeitpunkts“, laudatiert Deutsche-Bank-Vorstand Fabrizio Campelli. Es sei in der Spätphase der Coronapandemie gewesen und „wir alle waren uns damals nicht sicher, ob wir je wieder so reisen würden, wie vor der Pandemie“. Doch die Lufthansa hätte den Kapitalmarkt erfolgreich davon überzeugen können, dass sich der Markt wieder erholen werde. Und das tat er. Frühzeitig gelang der Lufthansa so die vollständige Rückzahlung der Hilfen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds.
Schon zuvor hatte der deutsche Staat Aktienpakete mit Gewinn abstoßen können. Damit geht die Rettung der Lufthansa als eines der erfolgreichsten Beispiele eines Staatseinstiegs in ein deutsches Unternehmen in die Geschichte ein. Zehntausende Arbeitsplätze wurden gerettet und am Ende blieb für den Steuerzahler sogar ein Gewinn. Für Lufthansa-Finanzvorstand Remco Steenbergen, der den Award auf der Städel-Bühne entgegennahm, bleibt von dieser Zeit vor allem eines in Erinnerung: „Dieses niemals aufgeben deutscher Unternehmen.“ Diese Tugend sei essenziell gewesen, um aus so einer Krise herauszukommen.
Das, gepaart mit dem von Christiane Goetz-Weimer eingangs geforderten „mutigen und offensiven Unternehmertum“ braucht Deutschland wohl dringender denn je auch jetzt, um aus der Krise zu kommen. Die IPO Night hat nicht zuletzt über ihre Preisträger eindrucksvoll gezeigt was hierzulande möglich ist, realwirtschaftlich und am Kapitalmarkt.