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Recht und Steuern > Gründer/-innen im Gespräch

Zollbürokratie adé

Bye-bye mühsame Zollabwicklung: Wie eine smarte Software die lästige Zollbürokratie digitalisiert und den internationalen Handel erleichtert.

KI an der Grenze: Traide-Gründer (v. l.) Leonie Althaus, Hendrik Niemann und Philipp Friebertshäuser. (Foto: © Traide)

 

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Wer Waren und Dienstleistungen außerhalb der EU verkauft, hat in der Regel mit dem Zoll zu tun. Mehr als 720.000 Unternehmen in Deutschland müssen sich mit den Formalitäten beschäftigen. Sie per Hand abzuwickeln, führt häufig zu Fehlern, bürokratischem Aufwand und finanziellen Verlusten.

Das geht auch anders, dachten sich Leonie Althaus, Philipp Friebertshäuser und Hendrik Niemann 2021 und gründeten Traide, mit dem Ziel, zollrechtliche Prozesse zu optimieren und den internationalen Handel für Unternehmen sicherer und effizienter zu gestalten. Sie bieten Software as a Service, ihre Plattform nutzt den weltweit standardisierten Zolltarif und künstliche Intelligenz (KI), um die Produktinformationen der Unternehmen in die nötigen Zolldaten zu übersetzen.

Chefin Althaus erklärt, wie sich die Zollanmeldung automatisieren lässt.

Die Idee hinter Traide klingt, als hätte sich jemand, der einen Teil seiner Arbeit hasst, entschlossen, ihn zu beseitigen. Habt ihr Traide aus Frust gegründet?

Nein. Die Gründung war völlig strategisch. Meine beiden technischen Co-Founder und ich wussten schon lange, dass wir etwas gemeinsam an den Start bringen wollen. Philipp ist KI-Ingenieur, hatte schon eine Agentur und ich war früher auch schon in Start-ups den B2B-Bereich aufgebaut. Wir haben geschaut, welche Skills wir mitbringen, welche Art von Unternehmen wir gründen wollen und womit wir uns identifizieren können. Also: Woran haben wir Spaß, was können wir tatsächlich erfolgreich machen und welche Risiken wollen wir eingehen? Dann haben wir das Thema Zoll über die Sparkasse Bremen kennengelernt, die ist ein ehemaliger Kunde von Philipps Agentur.

Aber nur auf einen Hinweis hin gründet man ja kein Unternehmen. Wir haben uns auf LinkedIn informiert und festgestellt, dass wir zum Thema Zoll das meiste Feedback bekamen. Allerdings eher: Was ihr da bauen wollt, haben viele versucht und es geht einfach nicht – aber wir würden es euch abkaufen. Und Philipp meinte selbstbewusst, dass das halt doch gehe. Und dann haben wir es gemacht. Wir haben gesehen, dass wir den Arbeitsalltag vieler Menschen wirklich entlasten, wenn wir das Problem lösen.

Woher kanntet ihr Gründer euch?

Von der Code University in Berlin. Ich selbst war keine Studentin, hatte aber viele Freunde dort und Philipp hat dort studiert, Hendrik war Dozent. Und dieses wirklich gute Netzwerk hat uns auch später sehr geholfen. Und natürlich der Hightech Gründerfonds HTGF, der bei uns investiert hat und uns unterstützt.

Habt ihr schon Kunden?

Wir haben unsere Kundschaft in den vergangenen zwölf Monaten etwa verzehnfacht – natürlich beginnend auf kleinem Niveau, inzwischen sind wir im mittleren zweistelligen Bereich, darunter Siemens Healthineers, Jungheinrich, Jack Wolfskin und sogar die Generalzolldirektion.

Euer System setzt auf KI – und die muss mit Daten trainiert werden, konkret mit Zolldaten. Wie seid ihr an die gekommen?

Wir haben zwei Arten an Daten. Zum einen die Datengrundlage, auf der entschieden wird. Das ist die Warennomenklatur, die Anmerkungen und Erläuterungen sowie die VZTA-Daten (verbindliche Zolltarifauskunft, die Red.). Diese beziehen wir direkt vom Zoll. Zum anderen die Daten zum Training der KI. Diese beziehen wir aus der Wirtschaft, konkret sind das Zolldienstleister, Industrie und Handel. Ein Datensatz besteht aus Warenbeschreibung und Zolltarifnummer.

Macht ihr also die Zolldienstleister arbeitslos?

Ich wunderte mich auch erst über deren Kooperationsbereitschaft. Aber wir haben so viele neue Regularien, jetzt auch Embargos, die kommen alle sowieso nicht hinterher. Wir helfen denen, ihre Jobs effizienter zu machen. Es gibt so wenige Vollexperten, die das alles sinnvoll umsetzen können. Angst um seinen Arbeitsplatz hat da niemand. Außerdem muss letztlich ein Mensch die Verantwortung tragen. Ein System macht genauso Fehler wie ein Mensch. Deshalb sind wir überzeugt, dass die Zusammenarbeit von KI und Mensch hier die besten Ergebnisse liefert, weil es einfach eine weitere Kontrollinstanz gibt. Das gilt auch für die Prüfung durch den Zoll selbst.


Sanktionen und Boykotte ändern sich je nach ­politischer Wetterlage auch mal kurzfristig.

Deshalb aktualisieren wir etwa die VZTA-Daten schon jetzt dreimal täglich. Aber tatsächlich ist das eine Herausforderung, alle Nachrichten und Updates zu berücksichtigen. Wir priorisieren daher im Moment auch nach Handelsvolumen. Wenn sich also zum Beispiel im Verhältnis zum Vereinigten Königreich etwas ändert, betrifft das viel mehr Vorgänge, als wenn Nepal ein neues Abkommen schließt. Aber auch die relativ kleine Schweiz ist natürlich sehr wichtig für unsere Anwender.

Die Zöllnerin

Leonie Althaus ist Mitgründerin und CEO des Berliner KI-Software-Anbieters Traide. Das Start-up automatisiert Zollformalitäten. Zum Thema kam sie über die Fragen, wo Unternehmen Bedarf haben und was Spaß machen könnte. Sie studierte Wirtschaftswissenschaften und Wirtschaftspsychologie in Bochum und Berlin.

 

 

Wollt ihr auch mit den Behörden zusammenarbeiten? Quasi Palantir für den Zoll werden?

Wir sind tatsächlich schon in Gesprächen. Es gibt immer Auslegungsfragen und wir sind überzeugt, mit Technologie eine höhere Objektivität erreichen zu können. Und natürlich wollen wir den Goldstandard etablieren, auf den sich alle einigen können.

Dann müsstet ihr mittelfristig den Weltmarkt im Auge haben. Ist euer System auch auf Englisch trainiert?

(Lacht) Ich würde gern mein 25-jähriges Ich fragen, wie wir auf die glorreiche Idee kamen, ein so internationales Projekt derart konsequent deutsch anzugehen. Wir haben anfangs sehr technisch gedacht und auch wirklich sehr smarte Features gebaut, ohne zu fragen, wer die braucht. Die Antwort war leider manchmal: niemand. Das passiert jetzt, wo wir permanente Feedbackschleifen mit unseren Kunden haben, die uns dankenswerterweise helfen, nicht mehr. Aber zur Frage: Zum Glück lernen die LLMs ...

... Large Language Models, der Kern der KI ...

... ausgerechnet Übersetzungen sehr schnell und wir holen das auch bereits nach. Im Moment konzentrieren wir uns auf Europa, da gibt es mit der Schweiz und seit dem Brexit genügend Baustellen.

Leonie Althaus, vielen Dank für das Gespräch. Das Interview führte David Harnasch.

 

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