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Finanzierung > Zollkonflikt USA-EU

EU-Gegenzölle auf US-Importe: Eskalation im transatlantischen Handelskonflikt

Ab 15. April treten erste EU-Strafzölle auf US-Waren in Kraft, weitere folgen im Mai und Dezember. Betroffen sind Produkte im Wert von 21 Milliarden Euro.

Mit Zöllen auf Harley-Davidson, Jeans und Agrarprodukte reagiert die EU auf Trumps Importabgaben – und Trump? Der winkt nur ab. (Foto: shutterstock)

Die EU-Mitgliedstaaten haben am 9. April 2025 erste Gegenzölle auf US-Importe beschlossen. Diese Maßnahme ist eine direkte Reaktion auf die von US-Präsident Donald Trump verhängten Sonderzölle auf Stahl und Aluminium aus Europa. Ab dem 15. April werden zunächst ausgewählte US-Produkte mit Zöllen zwischen 10 und 25 Prozent belegt. Weitere Zollerhöhungen sollen Mitte Mai und Ende des Jahres folgen.

EU kontert in drei Akten: Zölle gegen US-Waren

  • Phase 1: Die EU startet mit einem breiten Schlag: Zölle auf US-Produkte wie Stahl, Textilien, Harley-Davidson-Motorräder, Jeans sowie Mais, Weizen, Reis, Geflügel – sogar Holzprodukte und Zahnseide sind betroffen.
  • Phase 2: Ab Mitte Mai folgen Rindfleisch und Zitrusfrüchte wie Orangen und Grapefruits.
  • Phase 3: Anfang Dezember greift die EU erneut durch – diesmal mit Zöllen auf Nüsse und Sojabohnen.

Gesamtschaden für die USA: Rund 21 Milliarden Euro an Warenwert stehen im Fokus der Maßnahmen.

Alkohol bleibt verschont: Keine Zusatzzölle für Whiskey & Co. - vorerst

Entgegen ursprünglicher Planungen verzichtet die EU vorerst auf Zusatzzölle für amerikanischen Whiskey und andere alkoholische Getränke. Diese Entscheidung geht vor allem auf die Lobbyarbeit von Frankreich und Italien zurück. Beide Länder befürchteten massive Gegenmaßnahmen, nachdem Trump mit Vergeltungszöllen von 200 Prozent auf europäische Weine, Champagner und andere alkoholische Getränke gedroht hatte.

Auch auf Milchprodukte werden zunächst keine zusätzlichen Abgaben erhoben. Diese Ausnahmen zeigen, dass die EU trotz der Eskalation versucht, besonders sensible Handelsbereiche zu schützen und Raum für Verhandlungen zu lassen.

Hintergrund

Trumps erste Amtszeit (2017–2021):

  • 2018 verhängte Präsident Donald Trump auf Grundlage von Section 232 des US-Handelsgesetzes Sonderzölle auf Stahl (25 %) und Aluminium (10 %) aus Sicherheitsgründen, auch gegenüber EU-Staaten.

  • Die EU reagierte mit Gegenzöllen auf US-Produkte wie Motorräder, Jeans und Whiskey.

  • Der Handelskonflikt eskalierte, wurde aber 2021 entschärft.

Phase unter Präsident Joe Biden (2021–2025):

  • Biden setzte zwar nicht sofort alle Zölle aus, erreichte aber im Oktober 2021 mit der EU eine Einigung: Die US-Zölle wurden in ein Kontingentsystem (Tariff Rate Quota, TRQ) umgewandelt, und die EU hob ihre Gegenzölle teilweise auf.

Trumps zweite  Amtszeit (ab 2025):

  • Einführung umfassender Zölle, die auch die Europäische Union betreffen. Am 2. April 2025 kündigte er einen pauschalen Zollsatz von 10 % auf alle Importe an, wobei für bestimmte Länder, einschließlich der EU, zusätzliche Zölle von 20 % erhoben wurden. Diese Maßnahmen traten am 5. April 2025 in Kraft.
  • Am 7. April 2025 unterbreitete die EU einen "Zero-for-Zero"-Vorschlag, der die Abschaffung von Zöllen auf Industriegüter, einschließlich Autos, vorsah. Präsident Trump lehnte dieses Angebot jedoch ab und erklärte, es sei unzureichend.
  • Als Reaktion darauf genehmigte die EU am 9. April 2025 Vergeltungszölle auf US-Waren im Wert von 23 Milliarden US-Dollar. Diese Zölle werden in drei Phasen eingeführt: am 15. April, 15. Mai und 1. Dezember. Obwohl die spezifischen Produkte noch nicht bekannt gegeben wurden, betont die EU weiterhin ihre Bereitschaft zu Verhandlungen für eine ausgewogene Lösung. ​

Reaktion Chinas

China sieht sich mit US-Zöllen von 104 Prozent konfrontiert, verurteilte die US-Zölle scharf und kündigte am 9. April 2025 an, die Zölle auf US-Waren auf 84 % zu erhöhen. Zusätzlich setzte China 18 US-Unternehmen auf eine Liste unzuverlässiger Entitäten, was deren Handels- und Investitionstätigkeiten in China einschränkt. Das chinesische Handelsministerium betonte seine Entschlossenheit, weitere Handelsbeschränkungen zu bekämpfen, und erklärte seine Bereitschaft, "bis zum Ende zu kämpfen". ​

Verhandlungsbereitschaft anderer Staaten und Trumps Reaktion

Mehr als 50 Länder haben Interesse an Verhandlungen mit den USA bekundet, um die neuen Zölle zu vermeiden. Israel, die Europäische Union, Japan, Bangladesch, Kambodscha und das Vereinigte Königreich gehören zu den Nationen, die Gespräche suchen. Präsident Trump hat signalisiert, dass er offen für Verhandlungen ist, betont jedoch, dass die USA faire und reziproke Handelsbedingungen anstreben.

Trotz Säbelrasselns: Die EU hält die Tür zum Dialog sperrangelweit offen

Trotz der beschlossenen Gegenzölle betont die EU-Kommission ihre Verhandlungsbereitschaft: "Diese Gegenmaßnahmen können jederzeit ausgesetzt werden, wenn die USA einem fairen und ausgewogenen Verhandlungsergebnis zustimmen." Die EU ziehe es "eindeutig vor, mit den USA eine ausgewogene und für beide Seiten vorteilhafte Verhandlungslösung zu finden."

EU-Kommissar Maros Sefcovic hat in den vergangenen Wochen mehrfach mit US-Handelsminister Howard Lutnick verhandelt, allerdings bisher ohne greifbare Ergebnisse. Ein Kompromissvorschlag der EU für die Abschaffung aller gegenseitigen Zölle auf Industriegüter wurde von Trump bereits abgelehnt.

Was uns die Geschichte lehrt

  • Opiumkriege (1839–1842 und 1856–1860):

  • Konfliktparteien: Großbritannien vs. Qing-Dynastie (China)
    Ursache: Großbritannien exportierte Opium nach China, was dort zu einer gesellschaftlichen Krise führte. Als China Maßnahmen ergriff, um den Handel zu unterbinden, reagierte Großbritannien militärisch.
    Folgen: China wurde gezwungen, ungleiche Handelsverträge zu akzeptieren – ein frühes Beispiel für Handelskonflikte mit geopolitischer Dimension.

  • Corn Laws und deren Abschaffung (UK, 1815–1846):
    Konfliktparteien: Großbritannien vs. Importeure, insbesondere aus den USA und Kontinentaleuropa
    Ursache: Die britischen Corn Laws (Getreidegesetze) schützten heimische Landwirtschaft durch hohe Zölle auf Importe.
    Folgen: Internationale Spannungen und innenpolitischer Druck führten zur Abschaffung – ein Meilenstein in der Geschichte des Freihandels.

  • Deutsch-Amerikanischer Handelskonflikt (1890er Jahre):
    Konfliktparteien: Deutsches Kaiserreich vs. USA
    Ursache: Die USA erhoben hohe Einfuhrzölle auf deutsche Produkte (z. B. Zucker, Chemieerzeugnisse), während Deutschland seinerseits US-Agrarprodukte mit Zöllen belegte.
    Folgen: Eskalation konnte vermieden werden, dennoch wurde Protektionismus zunehmend zum internationalen Reizthema.

  • Smoot-Hawley Tariff Act (1930):
    Konfliktparteien: USA vs. zahlreiche Handelspartner weltweit
    Ursache: Massive Erhöhung der US-Zölle auf über 20.000 Importgüter zur Protektion heimischer Industrien während der Weltwirtschaftskrise.
    Folgen: Weltweite Vergeltungszölle, Rückgang des Welthandels, Verschärfung der Depression – gilt als abschreckendes Beispiel.

  • Chicken Wars (1960er Jahre):
    Konfliktparteien: USA vs. Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)
    Ursache: Gegenseitige Vorwürfe wegen unfairer Subventionierung und Zölle auf Geflügel.
    Folgen: USA reagierten mit Strafzöllen auf europäische Produkte (u. a. leichte Lkw) – der sogenannte „Chickentax“ wirkt bis heute nach.

  • Bananenkrieg (1990er Jahre):
    Konfliktparteien: EU vs. USA (und WTO)
    Ursache: EU gewährte Entwicklungsländern in Afrika, der Karibik und im Pazifik (AKP-Staaten) bevorzugten Marktzugang für Bananen – zum Nachteil US-amerikanischer Unternehmen.
    Folgen: WTO-Verfahren, US-Strafzölle – erst nach Jahren wurde eine Einigung erzielt.

Die Lehren aus diesen historischen Handelsstreitigkeiten belegen, dass Zollkonflikte selten Gewinner hervorbringen. Der "Smoot-Hawley Tariff Act" von 1930, der die US-Zölle drastisch erhöhte und eine weltweite Welle von Vergeltungsmaßnahmen auslöste, gilt als mitverantwortlich für die Verschärfung der Weltwirtschaftskrise. Die Geschichte zeigt, dass Verhandlungslösungen langfristig erfolgreicher sind als Zollspiralen, auch wenn der Weg dorthin oft langwierig ist.

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