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Factoring im Mittelstand: Vom Hype zur Ernüchterung?

Wie sich der Trend zur umsatzkongruenten Finanzierung entwickelt und welche Alternativen der Mittelstand hat.

Factoring als Finazierungsinstrument (Foto: Shutterstock)

"Factoring ist der Rettungsanker für den Mittelstand!" So oder so ähnlich klangen die euphorischen Stimmen noch vor wenigen Jahren. Doch ist dieser Hype gerechtfertigt oder macht sich langsam Ernüchterung breit? Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Das Factoringvolumen in Deutschland hat sich in den letzten 10 Jahren verdreifacht. Aber was steckt hinter diesem Boom und wie nachhaltig ist er?

Die Entwicklung des Factoring-Marktes: Von der Nische zum Mainstream

Der Factoring-Markt in Deutschland hat in den vergangenen Jahren eine beeindruckende Entwicklung hingelegt. Von einem Nischenprodukt hat sich Factoring zu einer etablierten Finanzierungsalternative für den Mittelstand gemausert. Die Zahlen sprechen für sich: Laut dem Deutschen Factoring-Verband stieg das Factoring-Volumen von 157,4 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf satte 275,7 Milliarden Euro im Jahr 2020.

Doch was treibt dieses Wachstum an? Zum einen ist es die zunehmende Digitalisierung, die Factoring-Prozesse vereinfacht und beschleunigt hat. Zum anderen suchen viele mittelständische Unternehmen nach Alternativen zur klassischen Bankfinanzierung. Die Anforderungen an Kreditnehmer sind in den letzten Jahren deutlich komplexer geworden, was viele Unternehmen dazu veranlasst, sich breiter aufzustellen.

Was versteht man unter Factoring?

  • Verkauf von Forderungen an einen Finanzdienstleister (Factor)
  • Sofortige Auszahlung von 80-100% des Rechnungsbetrags
  • Übernahme des Ausfallrisikos durch den Factor (beim echten Factoring)
  • Mögliche Übernahme des Debitorenmanagements durch den Factor
  • Kosten: Gebühren und Zinsen, abhängig vom Volumen und Risiko
  • Arten: Echtes Factoring, unechtes Factoring, offenes und stilles Factoring

Echtes, unechtes und stilles Factoring

1. Echtes Factoring (Full-Service Factoring)

  • Definition: Beim echten Factoring übernimmt der Factor das Ausfallrisiko der Forderungen (Delkredere-Risiko).
  • Merkmale:
    • Der Factor trägt das Risiko, dass der Schuldner nicht zahlt.
    • Es beinhaltet oft weitere Dienstleistungen wie Debitorenmanagement oder Mahnwesen.
    • Für den Verkäufer der Forderung bedeutet dies mehr Sicherheit und Planbarkeit.
  • Vorteil: Schutz vor Forderungsausfällen.
  • Nachteil: Höhere Kosten, da der Factor ein zusätzliches Risiko übernimmt.

2. Unechtes Factoring

  • Definition: Beim unechten Factoring wird das Ausfallrisiko nicht vom Factor übernommen; es bleibt beim Unternehmen (Factoring-Kunde).
  • Merkmale:
    • Der Factor übernimmt lediglich die Vorfinanzierung und ggf. das Forderungsmanagement.
    • Falls der Schuldner nicht zahlt, trägt der ursprüngliche Forderungsinhaber den Verlust.
  • Vorteil: Günstiger als echtes Factoring, da das Delkredere-Risiko entfällt.
  • Nachteil: Kein Schutz vor Forderungsausfällen.

3. Stilles Factoring

  • Definition: Beim stillen Factoring wird der Schuldner nicht darüber informiert, dass die Forderung an einen Factor abgetreten wurde.
  • Merkmale:
    • Der Factor bleibt im Hintergrund; das Forderungsmanagement bleibt oft beim ursprünglichen Gläubiger.
    • Für den Schuldner bleibt der Prozess unverändert, er zahlt weiterhin direkt an das Unternehmen.
  • Vorteil: Geeignet, wenn ein Unternehmen seine Kundenbeziehungen schützen möchte, da die Abtretung für den Kunden nicht sichtbar ist.
  • Nachteil: Der Factor hat in der Regel weniger Möglichkeiten, das Forderungsmanagement aktiv zu gestalten.

Factoring: Fluch oder Segen für den Mittelstand?

Wie bei jeder Finanzierungsform gibt es auch beim Factoring Licht und Schatten. Zu den unbestreitbaren Vorteilen gehört die sofortige Liquidität, die Unternehmen durch den Verkauf ihrer Forderungen erhalten. Dies kann gerade in Wachstumsphasen oder bei saisonalen Schwankungen ein entscheidender Vorteil sein. Zudem übernimmt der Factor in der Regel das Ausfallrisiko, was die Planungssicherheit erhöht.

Auf der anderen Seite stehen die Kosten. Factoring ist nicht gerade billig und kann je nach Vertragsgestaltung zwischen 0,5% und 3% des Rechnungsbetrags kosten. Für Unternehmen mit geringen Margen kann dies schnell zu einem Problem werden. Hinzu kommt, dass die Weitergabe von Kundendaten an den Factor nicht jedem Unternehmer behagt.

 

Alternativen zum Factoring: Die Qual der Wahl

Der Finanzierungsmix im Mittelstand ist heute deutlich vielfältiger als noch vor einigen Jahren. Neben Factoring haben sich weitere alternative Finanzierungsformen etabliert. Finetrading beispielsweise, bei dem ein Zwischenhändler die Ware beim Lieferanten bezahlt und dem Unternehmen ein verlängertes Zahlungsziel einräumt, erfreut sich zunehmender Beliebtheit.

Auch das Crowdfunding hat den Sprung vom Start-up-Segment in den etablierten Mittelstand geschafft. Plattformen wie Funding Circle vermitteln Kredite von privaten und institutionellen Anlegern an mittelständische Unternehmen. Nicht zu vergessen sind die klassischen Alternativen wie Leasing oder der gute alte Kontokorrentkredit, die nach wie vor ihre Berechtigung haben.

Eine besonders interessante Entwicklung ist der Trend zu Family Offices als Finanzierungspartner. Diese verwalten große private Vermögen und suchen zunehmend nach Investitionsmöglichkeiten im Mittelstand. Für Familienunternehmen kann dies eine Partnerschaft auf Augenhöhe bedeuten, da die Vermögensinhaber oft selbst unternehmerische Expertise mitbringen.

Die Zukunft des Factoring: Zwischen Innovation und Konsolidierung

Wie geht es weiter mit dem Factoring-Markt? Die Branche steht vor einigen Herausforderungen. Zum einen drängen immer mehr FinTechs mit innovativen, digitalisierten Lösungen auf den Markt. Dies erhöht den Wettbewerbsdruck und könnte zu einer Konsolidierung führen. Zum anderen könnte eine mögliche Zinswende die Attraktivität von Factoring im Vergleich zu klassischen Finanzierungsformen beeinflussen.

Gleichzeitig bieten sich aber auch Chancen. Die zunehmende Internationalisierung des Mittelstands schafft Bedarf an grenzüberschreitenden Factoring-Lösungen. Auch die Verbindung von Factoring mit anderen Finanzdienstleistungen, etwa im Bereich Supply Chain Finance, birgt Potenzial.

Eines scheint sicher: Factoring wird auch in Zukunft ein wichtiger Baustein im Finanzierungsmix des Mittelstands bleiben. Allerdings wird es vermutlich weniger als Allheilmittel, sondern vielmehr als ein Instrument unter vielen wahrgenommen werden.

Fazit zum Factoring-Hype

Der Hype um Factoring mag abgeflaut sein, doch das Instrument hat sich seinen Platz in der Finanzierungslandschaft des Mittelstands erobert. Die Zukunft liegt wohl in einem ausgewogenen Mix verschiedener Finanzierungsformen, maßgeschneidert auf die individuellen Bedürfnisse jedes Unternehmens. Ob Factoring, Finetrading oder Family Office - entscheidend wird sein, dass Unternehmer die Vor- und Nachteile jeder Option kennen und strategisch einsetzen. Der Weg vom Hype zur Normalität ist für Factoring vielleicht gar nicht der schlechteste.

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