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Recht und Steuern > Urteil der Woche

„Gelber Schein“ exakt bis zum letzten Arbeitstag darf Arbeitgeber zweifeln lassen

Ein „gelber Schein“ kann in seinem Beweiswert erschüttert sein, wenn die Krankschreibungen passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfassen und der gekündigte Mitarbeiter sofort danach eine neue Arbeit aufnimmt.

Quelle: shutterstock

Der Fall

Der spätere Kläger war zunächst vom 2. bis 6. Mai 2022 krankgeschrieben und hatte dazu bei seinem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) vorgelegt. Am 3. Mai erhielt er die Kündigung, datiert auf den 2. Mai und mit Wirkung zum 31. Mai. Der Mann legte anschließend zwei weitere „gelbe Scheine“ vor, die ihm Arbeitsunfähigkeit zunächst bis zum 20. Mai und dann noch einmal bis zum 31. Mai bescheinigten. Ab dem 1. Juni war er wieder arbeitsfähig – und startete noch am selben Tag in einen neuen Job. 
Der Arbeitgeber bezweifelte, dass der Mitarbeiter tatsächlich krank war und verweigerte die Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall. Der Mitarbeiter klagte und bekam vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht zunächst Recht.

Das Urteil

Die Revision des Arbeitgebers vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte teilweise Erfolg. Das BAG stellte fest: Der Arbeitnehmer könne zwar die von ihm behauptete Arbeitsunfähigkeit mit ordnungsgemäß ausgestellten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nachweisen. Allerdings könne der Arbeitgeber den Beweiswert dieser Bescheinigungen dadurch erschüttern, dass er Tatsachen vorbringt, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers geben. Ob der Arbeitnehmer selbst gekündigt habe oder ob ihm gekündigt wurde und ob eine oder mehrere AUB vorgelegt worden seien, sei nicht entscheidend. Es komme auf die Gesamtumstände im Einzelfall an. 
Für die Bescheinigung vom 2. Mai sei der Beweiswert nicht erschüttert, heißt es in der Pressemitteilung des BAG zum Urteil, weil Beginn der Arbeitsunfähigkeit und Zugang der Kündigung nicht zusammenfallen; der Kläger habe an diesem Tag noch nichts von der Kündigung gewusst. 

Mit Blick auf die darauffolgenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen habe das LAG allerdings nicht ausreichend berücksichtigt, dass zwischen der in den Folgebescheinigungen festgestellten passgenauen Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit und der Kündigungsfrist eine zeitliche Koinzidenz bestand und dass der Kläger gleich nach Ende des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufgenommen hat. Um für die Zeit bis Ende der Kündigungsfrist weiter Gehalt beanspruchen zu können, müsse folglich der Arbeitnehmer beweisen, dass er tatsächlich krankheitsbedingt arbeitsunfähig war. Das BAG verwies den Fall an das Landesarbeitsgericht zurück, das diesen Umstand nun klären muss.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Dezember 2023, Az. 5 AZR 137/23

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 8. März 2023, Az. 8 Sa 859/22

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