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Finanzierung > Green Bonds

Grüne Anleihen: Wie sich Mittelständler unabhängig von Banken finanzieren

| Midia Nuri

Green Bonds machen Firmen unabhängiger von Banken. Chancen, Risiken und neue EU-Regeln im Überblick.

Winderäder & Green Bond-Schild
Goldene Zeiten für nachhaltige Finanzierung: Mittelständler setzen verstärkt auf grüne Anleihen. (Foto: MuM/Ki)

Grüne Anleihen sind im Kommen. Sie machen Firmen unabhängiger von Kredit­instituten. Die Anforderungen sind hoch, weshalb sich genaues Hinsehen lohnt. 

08.10.2025 von Midia Nuri für Markt und Mittelstand

Ganz wie zu Boomzeiten ist es noch nicht. Viele kleine und mittlere Unternehmen hielten sich in den vergangenen Jahren wegen hoher Zinsen zurück und gaben keine Anleihen aus. Jetzt öffnet sich der Markt für Mittelstandsanleihen wieder – nur den Hype, wie vor Jahren, gibt es nicht mehr. Und noch etwas ist anders: Grüne Anleihen werden immer beliebter, mittlerweile auch bei Unternehmen. Eine EU-Verordnung für solche Green Bonds könnte Vertrauen und Transparenz schaffen und den Weg für viele kleinere und mittlere Firmen noch erleichtern. 

Ein Vorteil sind die Käufer der Papiere. „In grüne Anleihen investieren im Wesentlichen Privatanleger, die eine Alternative zu den schlecht verzinsten anderen Anlagen suchen“, sagt Jörg Henning Frank, Vorstand des Finanzdienstleisters Umweltfinanz aus Berlin. Es sind Anleger, die ein Interesse an Umweltthemen haben. „Die wollen gut finden, in was sie investieren.“ Wenn Mittelständler ihre Windkraft- und Solaranlagen über grüne Anleihen finanzieren, zahlen sie dafür in der Regel fünf bis sieben Prozent Zinsen – auch bei mittleren Laufzeiten von fünf bis zehn Jahren. Der Wert ist seit Jahren stabil, und für manches Unternehmen sind das gute Konditionen für Fremdkapital. Zudem können die Firmen unabhängiger von Banken werden. 

Innerhalb des Markts für Anleihen kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) wächst die Bedeutung von Green Bonds, Social Bonds und ähnlichen Anleihen, die sich auf ESG beziehen, wie der Jahresrückblick des Kölner Beraters Iron zeigt. Insgesamt begaben im vergangenen Jahr 28 deutsche Unternehmen 33 KMU-Anleihen. 2023 waren es 24 Anleihen. Insgesamt sammelten die Firmen rund 1,1 Milliarden Euro (2023: 788 Millionen Euro). 20 der 33 Emissionen schlossen an bereits bestehende Anleihen an. Green Bonds brachten es auf ein Platzierungsvolumen von 178,7 Millionen Euro. Die Unternehmen müssen im Schnitt jährlich 7,68 Prozent Zinsen zahlen. Über alle neuen KMU-Anleihen waren es 8,14 Prozent. 

Bislang teilen sich den Markt für ESG-Anleihen insgesamt vor allem staatliche Emittenten, wie die Bundesbank in ihrem ESG-Bond-Monitor 2025 schreibt. Insgesamt kamen im vergangenen Jahr ESG-Anleihen im Wert von 915 Milliarden Euro auf den Markt. Größter Emittent war Frankreich mit 85 Milliarden Euro, vor Deutschland mit 73 Milliarden Euro. Die grünen Anleihen aus Deutschland allein kamen auf 64 Milliarden Euro, Platz 1 vor China (52 Milliarden Euro) und Frankreich (50 Milliarden Euro). 2024 war der europäischen Zentralbank zufolge das bisher zweitstärkste Jahr für ESG-Bonds und der Anteil grüner Anleihen an ESG-Anleihen war mit rund 65 Prozent höher als 2023 (60 Prozent). 

 

In grüne Anleihen investieren im Wesentlichen Privatanleger, die eine Alternative zu den schlecht verzinsten anderen Anlagen suchen.

Jörg Henning Frank, Vorstand des Finanzdienstleisters Umweltfinanz

Unterschiedliche Standards

Der Markt wächst, doch auf die Frage, was genau eine grüne Anleihe ist, geben Richtlinien wie die der Climate Bonds Initiative (CBI) oder der International Capital Market Association (ICMA) unterschiedliche Antworten. Eine besonders strenge Antwort gibt seit Jahresbeginn die zum neuen EU-Green-Bond-Standard ausgerufene EU-Verordnung für Europäische Green Bonds (EUGB) mit höheren ökologischen Mindeststandards als bisher für grüne Anleihen. Der scheint Unternehmen zugutezukommen. Neun Emittenten haben seit Jahresbeginn zehn grüne Bonds unter dem EU-Green-Bond-Standard begeben, berichtete die DZ Bank. Die Hälfte kamen von Unternehmen, die anderen von der Europäischen Investitionsbank (EIB) – allesamt zu 100 Prozent. Die über die Anleihen finanzierten Zwecke dienen also voll einem der in der EU-Taxonomie festgelegten Ziele, ohne einem der anderen zu schaden: Klimaschutz oder Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zur Kreislaufwirtschaft, Reduzierung der Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme. 

„Das Prozedere bei grünen Anleihen ist das Gleiche, wie bei KMU-Anleihen generell“, sagt Umweltfinanz-Vorstand Frank. Anleger schauen ganz genau, welche Art Unternehmen sie vor sich haben, was es mit dem über die Anleihe aufgenommenen Geld vorhat und, ob es das auch schaffen kann. Gute Chancen, dass Anleger ihre Anleihe auch zeichnen, haben ganz allgemein vor allem Mittelständler, die schon Anleihen erfolgreich aufgelegt und auch zurückgezahlt haben. Es geht vor allem um Bonität und Eigenkapital. Bei Anleihen auch immer wichtig: die klare Ausrichtung des Unternehmens. „Für Start-ups und junge Unternehmen ist das nichts“, sagt Frank. „Es sei denn, sie bieten 13 oder 14 Prozent Verzinsung an“ – ein üppiger Risikoaufschlag. Aber selbst dann kann es schwierig werden, Geldgeber zu finden. „Die Investoren suchen kein Abenteuer.“ Und bei grünen Anleihen kommen dann die Umweltanforderungen hinzu. 

Anleihen mit dem neuen EUGB-Label müssen laut EU-Verordnung mindestens 85 Prozent der Emissionserlöse nachhaltigen Zwecken gemäß der EU-Taxonomie zuführen und dies in umfangreichen Wertpapierprospekten im Detail erläutern. Anschließend müssen Emittenten umfangreich Bericht darüber erstatten, wie das von ihnen über die Anleihe finanzierte Projekt sich auf die Umweltziele auswirkt. 

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) überwacht, ob die Emittenten von European Green Bonds die Transparenz- und Informationspflichten erfüllen und ob die erforderlichen Unterlagen zuvor extern geprüft wurden. Sie kann Emittenten verpflichten, fehlende Informationen zu ergänzen oder Veröffentlichungen nachzuholen und Angebote auch aussetzen oder untersagen – überwacht aber nicht die Emittenten selbst und prüft die Inhalte auch nicht nach. 

Für Mittelständler, die neu den Markt für grüne Anleihen erobern wollen, sind das keine leichten Finanzierungsbedingungen. „Je klarer ihr Geschäftsmodell ist, desto besser“, sagt Frank. Auf den ersten Blick muss der potenzielle Investor das erkennen können. Dann müsse das Eigenkapital stimmen. „Am besten, das Unternehmen hat auch bereits Erfahrung mit anderen Anlagen“, sagt der Experte. „Schon Aktien rausgegeben zu haben, wäre gut.“ Es lohnt sich offenbar. „Der private Investor ist – wenn man ihn gut behandelt – ein treuer Kunde.“ Und damit mittel- bis langfristig eine sichere Bank. 

Faktenbox: Grüne Anleihen im Mittelstand

Definition

  • Unternehmensanleihen, deren Emissionserlöse nachhaltigen Projekten (z. B. Solar-, Windkraftanlagen) zufließen.

  • Neue EU-Verordnung (EUGB-Standard) legt strengere ökologische Mindeststandards fest.

Marktentwicklung

  • 2024: ESG-Anleihen weltweit im Wert von 915 Mrd. Euro, davon 65 % grüne Anleihen.

  • Deutschland 2024: 64 Mrd. Euro Green Bonds – Platz 1 vor China und Frankreich.

  • Mittelstand: 33 KMU-Anleihen 2024, davon Green Bonds mit 178,7 Mio. Euro Platzierungsvolumen.

Konditionen für KMU

  • Zinsen: meist 5–7 % bei Laufzeiten von 5–10 Jahren.

  • Durchschnittszinsen KMU-Anleihen 2024: 8,14 %; Green Bonds etwas günstiger (7,68 %).

  • Anleger: vor allem Privatanleger mit Nachhaltigkeitsinteresse.

Regulierung (EUGB-Standard seit 2025)

  • Mindestens 85 % der Erlöse müssen EU-Taxonomie-konform eingesetzt werden.

  • Pflicht zur detaillierten Berichterstattung über Umwelteffekte.

  • Überwachung durch Bafin (Transparenz- und Informationspflichten).

Chancen & Hürden für KMU

  • Vorteile:

    • Unabhängigkeit von Banken.

    • Stabiler Investorenzugang, wenn Bonität und Eigenkapital solide.

  • Herausforderungen:

    • Hohe Transparenz- und Berichtspflichten.

    • Für Start-ups kaum geeignet – außer mit sehr hohen Risikoaufschlägen.

Dieser Artikel erschien in der Oktober-Ausgabe von Markt und Mittelstand 2025

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