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Recht und Steuern > Analyse zur Abgeltungssteuer

Hat Habeck Recht? Kapitalerträge versus Steuern auf Arbeitseinkommen

Die Grünen sagen: Es kann nicht sein, dass Arbeit stärker besteuert wird als Kapitalerträge. Der SPD ist die Abgeltungssteuer ein Dorn im Auge. Was ist denn nun ein gerechter Weg? Ein Analyse.

Sind Kapitalerträge im Vergleich zum Arbeitseinkommen zu gering besteuert? (Foto: picture alliance)

Von Thorsten Giersch

Robert Habeck (Grüne) hat eine Grundsatzdebatte über Besteuerung angestoßen: Ist es gerecht, dass Gewinne aus Aktien, Fonds und anderem Kapital im Verhältnis zum Lohn relativ gering besteuert werden? Für Kapitaleinkünfte gelten 25 Prozent, auf Arbeitseinkommen ein Spitzensteuersatz von 42 Prozent. Zur Erinnerung: Als der damalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) 2009 die Abgeltungsteuer einführte, wollte er die Kapitalflucht ins Ausland eindämmen und prägte den Satz: „Lieber 25 Prozent von x, als 45 Prozent von nix.“

Im Blick hat der Bundeswirtschaftsminister all die reichen Menschen, die de facto und gefühlt von den Dividenden ihres Vermögens leben können. Konkret will Habeck Sozialbeiträge auf Kapitaleinkünfte erheben. Das Ziel eint die Grünen mit der SPD, nur dass die Sozialdemokraten die Abgeltungsteuer abschaffen und Einkommen aus Kapital wieder über den Einkommensteuertarif besteuern wollen.

An der These, dass hierzulande Arbeit stärker belastet wird als Einkommen, ist etwas dran, aber so einfach ist die Schwarz-Weiß-Malerei dann doch nicht. Sind Kapitaleinkünfte zum Beispiel ausgeschüttete Unternehmensgewinne oder Dividenden von Aktiengesellschaften, werden sie in der Summe praktisch genauso hoch besteuert wie Arbeitseinkünfte. Die OECD hat 2023 ermittelt, dass Deutschland zu den wenigen Ländern zählt, in denen die Gesamtbelastung von Dividenden höher ist als die Belastung von Arbeitseinkommen. Heißt: Im internationalen Vergleich werden hierzulande zumindest einige Kapitalerträge sogar sehr stark belastet.

Recht haben Habeck und die, die ähnlich wie er argumentieren, mit ihrem Argument der Ungleichheit. Die reichsten zehn Prozent der Deutschen haben ihr Vermögen anteilig in den vergangenen 25 Jahren gesteigert. Deutschland zählt im europäischen Vergleich zu den Spitzenreitern in Sachen Ungleichheit. Die Umverteilung funktioniert beim Einkommen deutlich effektiver.

Tatsächlich nimmt der deutsche Fiskus von den Vermögenden durch Steuern im Verhältnis nicht viel ein: Die Grundsteuer trägt nur rund 1,6 Prozent der Gesamteinnahmen aus, die Erbschaftsteuer ein Prozent. Das DIW nennt Deutschland im Hinblick auf die Besteuerung von Vermögen „Steueroase“. Beim Internationalen Währungsfonds (IWF) klingt es ähnlich. Doch wenn Robin Hood von den Reichen mehr nehmen will ohne zu stehlen, sind Steuern auf Kapitalerträge der falsche Weg. Andere Steuererhöhungen wären deutlich sinnvoller.

„Eine stärkere Belastung großer Vermögen im Gegenzug zu einer Entlastung der Arbeitseinkommen, vor allem für Menschen mit geringen und mittleren Einkommen, ist wirtschaftlich und sozial klug“, schreibt DIW-Chef Marcel Fratzscher und fordert eine höhere Besteuerung großer Vermögen. Andere Ökonomen sind dagegen, das Ifo Institut hatte jüngst in einer Studie herausgefunden, dass eine Vermögensteuer das Wachstum dämpfen könnte.

Kurzum: Einfach Antworten gibt es nicht, es braucht den – wahlkampfuntauglichen – Weg in die Einzelfälle: Warum bittet der Staat mit der Grunderwerbsteuer so hart zur Kasse, stellt aber Gewinne aus dem Verkauf von Immobilien steuerfrei, wenn die zehn Jahre gehalten wurde? Warum zahlen die, die wenig erben, im Verhältnis so viel mehr als die, die wenig erben? Ausnahmen abschaffen ist leicht gefordert und sinnvoll, aber irgendwen verprellt die Politik damit immer. Es gibt diverse Ungerechtigkeiten im deutschen Steuersystem. Und in wenigen Jahren zu wenige Finanzbeamte, die unser kompliziertes System am Laufen halten können. Vermutlich ist das der einzige Weg zu Reformen. Scheindebatten wie die in diesem Wahlkampf bringen Deutschland dagegen nicht weiter.

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