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Finanzierung > Haushaltssperre

Nullwums statt Doppelwums

Die Haushaltsperre trifft alle. Nicht nur Geld aus dem Klimafonds fließt nicht mehr, sondern auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds, von Olaf Scholz „Doppelwums“ genannt. Was das konkret bedeutet.

Kanzler Olaf Scholz und seine Regierung müssen nun anders mit Geld umgehen.

Das Bundesfinanzministerium hat die für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) verfügte Haushaltssperre auf nahezu den gesamten Bundeshaushalt ausgeweitet. Ursprünglich für die Corona-Pandemie eingeplantes Geld aus 2021 wollte die Ampelregierung für Klimapolitik ausgeben. Dagegen hatte die Unionsfraktion geklagt und vom Bundesverfassungsgericht recht bekommen. Nach der Entscheidung fehlt womöglich noch deutlich mehr Geld als die eingeplanten 60 Milliarden Euro für den Klimaschutz. Auch das in diesem Jahr so umstrittene Heizungsgesetz, da niemand weiß, woher nun die Subventionen kommen sollen.

Der Streit in der Ampel-Koalition über das, was man aus dem Urteil nun machen sollte, ist eskaliert. Finanzminister Christian Lindner hat deswegen am Montagabend zunächst eine haushaltssperre verfügt. Eingegangenen Verpflichtungen werden noch bezahlt, aber alle Ausgabenpläne für die Zukunft sind ersteinmal gestoppt. Die Regierung zählt offenbar ersteinmal ihr Geld, um einen drohenden Bankrott zu vermeiden.

Die Folgen seien unabsehbar, sagt der ehemalige Wirtschaftsweise Bert Rürup. Dabei sei noch gar nicht klar, wie verheerend das Ausmaß des Geldmangels wirklich ist. Nachdem der 60-Milliarden-Fonds für verfassungswidrig erklärt wurde, könnte dasselbe Schicksal auch noch dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds drohen. Damit werden beispielsweise Gas- und Strompreis niedrig gehalten. Sein Volumen: 200 Milliarden Euro.

Die Fronten im Streit verlaufen so: Die einen wollen Kosten einsparen, etwa beim riesigen Sozialhaushalt, der jüngst zahlreiche neue Betätigungsfelder bekommen hat, vom zu erhöhenden Bürgergeld bis zu unerwartet reichhaltigem Bedarf für Einwanderer. Die anderen, und das ist die Mehrheit aus Vertretern von SPD und Grünen, möchte die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse „modifizieren“, also eine unabweisbare Notlage feststellen. Dann wäre der Weg zu weiteren Krediten frei. Dafür dürfte es allerdings nicht reichen, ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts als Auslöser einer Notlage zu klassifizieren. In jedem Fall möchte die CDU/CSU-Opposition einen Nachtragshaushalt für 2023, und natürlich wird auch der Haushalt 2024 anders aussehen müssen als gedacht.

Klar ist allerdings: Alle Beteiligten werden ihre Planungen drastisch anpassen müssen, und das geht zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger. Da geht es um die Förderung von Wärmepumpen im Kleinen und kommunale Wärmeplanung im Größeren. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck stellte gerade fest, dass auf alle, Privatleute und Unternehmen, explosiv höhere Gas- und Strompreise zukommen werden, mit dramatischen Folgen: „Es geht um die Kernsubstanz der deutschen Wirtschaft, die ist angegriffen mit dem Urteil und dem Verlust des Geldes.

Denn vom Karlsruher Urteil erfasst sei auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), in einer Anwandlung von Volkstümlichkeit vom Bundeskanzler als „Doppel-Wumms“ angekündigt, der nun vom Verfassungsgericht womöglich in einen Null-Wumms verwandelt wird. Etwa 32 Milliarden Euro sind aus diesem „Sondervermögen“, vulgo: Schulden, bereits ausgeschüttet worden. Das betrifft auch private Eigenheimaspiranten, die auf eine Förderung durch die staatseigene KfW-Bank für ihr energiearmes Häuschen gesetzt haben.

Derzeit ist nur klar, dass die bereits ausgegebenen Mittel aus anderer Quelle finanziert werden müssen. Das ist aber bei Einhaltung der Schuldenbremse 2023 nicht möglich. Und der Doppel-Wumms plante bis zu 200 Milliarden Euro Schulden für die kommenden Jahre. Ähnlich wie beim Corona-Fonds, nunmehr also der KTF, wurden Ausgaben über mehrere Jahre geplant, und das ist ein wesentlicher Einwand des Gerichts: Notlagen zeichnen sich dadurch aus, dass sie unmittelbar behoben werden sollten, und nicht als Vorrat für künftige Leistungen des Staates fungieren.

Für neue Wärmepumpeninhaber stellt sich nun die Frage nach der Rentierlichkeit ihres Umbaus oder Einbaus, denn die künftigen Stromkosten sind nicht mehr kalkulierbar. Der Bund hat sich in eine fast ausweglose Situation gebracht, in der Subventionen für Energie der einzige Weg waren, wenn man fast vollständig auf erneuerbare Energien setzt und andere Träger wie etwa Kernkraft und Kohle sofort oder demnächst ausschließt.

Wenn die Subventionen nicht bezahlbar sind, bleibt kaum etwas übrig. Dass von dieser Kalamität auch große Unternehmen, womöglich gar Förderung für Firmen wie Intel bei Magdeburg oder Infineon (Dresden) betroffen sein könnten, mag kein Trost sein. Für Arbeitsplätze aber ist das Urteil auch eine schlechte Nachricht, denn energieintensive Unternehmen haben für die Zukunft am Standort Deutschland auf erträgliche Preise gesetzt.

Das Thema Auslandsgründungen wird nach jetzigem Stand an Aktualität gewinnen. Die Immobilienbranche wird sich mutmaßlich ebenfalls einen weiteren Schlag einfangen, denn viele geplante, aber noch nicht begonnene Bauvorhaben rechnen sich nicht mehr. Für private Hausbauer, die mitten im Projekt stecken, oder für Bestandsimmobilien bietet sich als Ausweg aus der Stromkostenfalle lediglich Solarenergie.

Diese Investition kostet natürlich auch erst einmal, also keine Alternative, wenn die Finanzierung knapp ist und Förderzusagen ausbleiben. Unklar auch die aktuell diskutierte Förderung für Holzheizungen und alle anderen, teils komplizierten Subventionsvorhaben der Regierung.

Dazu leiden auch noch die Kommunen, die neben zurückgehenden Gewerbesteuereinnahmen in der Zukunft auch ihre kommunale Wärmeplanung hinterfragen müssen. Gerade wurde im Bundestag das Gesetz verabschiedet, das große Städte bis 2025, kleinere bis 2027 zur Vorlage einer Fernwärmeplanung verpflichtet. Das Geld für die teuren Fernwärmenetze sollte natürlich zum Teil ebenfalls aus Fördermitteln stammen. Sind die fraglich, oder bleiben gar ganz aus, könnte manche hoch verschuldete Kommune vor der Pleite stehen und unter Überwachung gestellt werden werden müssen.

Langfristig planende Bauherren warten ab, ob in ihrer Gemeinde Fernwärme genutzt werden kann, oder ob man selbst eine Heizung einbauen muss. Dies alles vor dem Hintergrund, dass in zahlreichen Branchen eine Sandwich—Situation eintreten könnte: Zum einen höhere Energiepreise, vor allem durch die nicht mehr subventionierten Netzentgelte, zum anderen ein Nachfrageeinbruch bei allen Anlagen und Gewerken, die mit geförderter Energie im weitesten Sinne zu tun haben. Angesichts dieser Verwicklungen wird die entgegen früherer Zusagen des Bundeskanzlers nun wieder steigende Mehrwertsteuer in der Gastronomie fast zum Randthema - außer für die Restaurants, die schon jetzt kurz vor dem Aufgeben stehen, so der Branchenverband: Es drohe eine Pleitewelle.

In der Bundesregierung gibt es nach jetzigem Stand verschiedene Überlegungen, die verfahrene Lage zu meistern. Darunter auch Steuererhöhungen. Sollten solche Steueranhebungen aber die längerfristig fehlenden 260 Milliarden Euro einbringen, müssten sie gewaltig ausfallen. Und die Mehrwertsteuer wohl einschließen - in Europa gibt es durchaus Länder mit einer Umsatzsteuer von bis zu 27 Prozent, 25 sind keine Ausnahme. Die Folgen für den Standort wären verhängnisvoll, daher präferiert man die erneute Erklärung einer Notlage, um die Schuldenbremse zu umgehen.

Das könnte erneut vor dem Bundesverfassungsgericht landen - Aufschluss über die Chancen erhofft sich die Politik von einer Expertenanhörung und vom Bundesrechnungshof, der allerdings traditionell eher dem Sparen zuneigt als dem Geldschöpfen. Was natürlich wie der sprichwörtliche Elefant im Raum steht und geflissentlich übersehen wird: Die zahlreichen Maßnahmen im Rahmen der Energiewende schlicht einzustampfen und rückgängig zu machen, ist immerhin theoretisch denkbar, ebenso Kürzungen im Sozialetat, der gewaltige Ausmaße angenommen hat. Beides, also Verschiebung der Klimaschutzmaßnahmen auf unbestimmte Zeit, und Umstrukturierung der sozialen Leistungen, müsste die Koalition allerdings als Eingeständnis des vollständigen Scheiterns akzeptieren.

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