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Finanzierung > Hensoldt

Auf dem Radar der Anleger

Hensoldt ist seit 2020 an der Börse, die Schwankungsbreite des Aktienkurses war überschaubar. Dann kam die „Zeitenwende“ und sorgte bei dem Spezialisten für Rüstungselektronik für einen Schub.

Hensoldt
Alles im Blick: Hensoldt verkauft Armeen bodengestützte Radargeräte wie dieses für die Luftverteidigung. Bild: Hensoldt

Lange haben Investoren um Rüstungswerte einen großen Bogen gemacht. Viele Unternehmen führten allenfalls ein geduldetes Dasein in der Schmuddelecke, wo sonst nur noch die Tabakindustrie und windige Unternehmen stehen. So führte auch die seit 2020 gelistete Aktie von Hensoldt lange irgendwo zwischen 10 und 15 Euro ein eher unspektakuläres Dasein. Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist der Wert des bayerischen Herstellers von Rüstungselektronik jedoch in die Höhe geschnellt. Seitdem ist das Unternehmen im Blickfeld der Börsianer, die die Rüstungswerte neu entdeckt haben. Mitte März ist die Hensoldt-Gruppe in den M-Dax der mittelgroßen Börsenwerte aufgestiegen. Im April erreichte die Aktie einen Spitzenwert von 38,80 Euro.

Das Unternehmen aus Taufkirchen bei München gehört zu jenen, die vom Kurswechsel der Bundesregierung profitieren wollen. Neben Radaren fertigt Hensoldt auch optische Geräte und Komponenten für Kameras, Restlichtverstärker, laserbasierte Zielerfassung sowie Detektoren für die Flugabwehr. Systeme der Gruppe unterstützen Piloten in Jets und Hubschraubern bei schlechter Sicht. Selbstschutzsysteme der Firma wehren Angriffe auf Flugzeuge und Panzer mit Raketen ab.

Vorstandschef Thomas Müller rechnet für dieses Jahr mit ersten Aufträgen der Bundeswehr aus dem Berliner Sondervermögen von 100 Milliarden Euro. Andere Kunden haben bereits bestellt. Im ersten Quartal orderte beispielsweise die Ukraine Radare für die Luftverteidigung und für die Ausstattung des deutschen Schützenpanzers Puma sowie für den Kampfpanzer Leopard 2.

Die Modernisierung der zuletzt stark heruntergesparten Bundeswehr bedeutet für Hensoldt ein Wachstumsprogramm, das sich über viele Jahre hinziehen wird. Nicht nur, weil im Zuge der „Zeitenwende“ die Verteidigungsausgaben wieder steigen. Auch in der Wehrtechnik nimmt der Anteil an Elek­tronik, die beispielsweise in Panzern und Kampfflugzeugen verbaut wird, deutlich zu. „Deshalb sind wir bereits in den vergangenen Jahren gewachsen“, verdeutlicht Finanzchef Christian Ladurner. Das Sondervermögen für die Bundeswehr verspreche ein weiteres, nachhaltiges Wachstum.

Damit bestätigt Ladurner die Erwartung von Analysten, die davon ausgehen, dass der Sensorspezialist deutlich am Neuaufbau der deutschen Streitkräfte teilhaben und mitverdienen wird. „Wir gehen von einem nachhaltig höheren Wehretat aus. Und wir sehen, dass auch in anderen europäischen Staaten die Etats ausgebaut werden. Das wird uns nachhaltig Rückenwind geben“, sagt Ladurner, der Offizier bei der Panzertruppe war. Er geht davon aus, dass „fünf bis zehn Jahre“ ins Land ziehen werden, bis die deutsche Armee komplett ausgerüstet ist.

2023 begann schon einmal gut: In den ersten drei Monaten legte der Umsatz im Vergleich zur Vorjahresperiode um 18 Prozent auf 338 Millionen Euro zu. Der um Sondereffekte bereinigte operative Gewinn sprang um mehr als 80 Prozent auf 30 Millionen Euro. Dabei belasteten ungünstige Währungsentwicklung und teure Zinssicherungsgeschäfte das Ergebnis mit 20 Millionen Euro. Die Zahlen übertrafen dennoch das, was Analysten im Schnitt erwartet hatten. Der Auftragseingang lag mit 347 Millionen Euro aber deutlich unter dem Vorjahreswert, in dem Großaufträge, unter anderem für den Eurofighter und für die Ausstattung der deutschen Mehrzweckfregatte 126, enthalten waren. Der Auftragsbestand blieb mit knapp 5,4 Milliarden Euro stabil.

Aktionäre profitieren

Der Umsatz soll im Gesamtjahr um sieben bis zehn Prozent steigen, und auch der bereinigte operative Gewinn wird leicht über dem Vorjahreswert von 292 Millionen Euro erwartet. Die Marge wird aufgrund der geplanten Investitionen von 20 auf 19 Prozent zurückgehen. Im vergangenen Jahr hatte die Gruppe einen Umsatz von 1,71 Milliarden Euro (plus 15,8 Prozent) erwirtschaftet. Der Auftragseingang soll den Jahresumsatz nach Einschätzung des Managements um 10 bis 20 Prozent übertreffen, auch dank erster Aufträge aus dem Sondervermögen. Das Gros aus diesem Topf erwartet Hensoldt für die kommenden zwei Jahre. „Wir beliefern die Hersteller, somit dauert es eine gewisse Zeit, bis die Bestellungen bei uns ankommen“, erklärt der Finanzchef die zeitliche Verzögerung.

Die Aktionäre profitieren von den 80 Millionen Euro Jahresüberschuss 2022 mit einer Dividende von 0,30 Euro. Im Vorjahr waren es noch 0,25 Euro. Für die kommenden Jahre reichen die Dividendenerwartungen bis 0,78 Euro. Der Mittelständler beschäftigte Ende 2022 rund 6500 Mitarbeiter. Die Zahl wird in diesem Jahr steigen, denn die Gruppe hat am Standort Ulm Labore im Gesamtwert von 20 Millionen Euro in Betrieb genommen. Insgesamt entstehen dort 200 zusätzliche Stellen.

Das Unternehmen ging aus der Elektroniksparte des Rüstungsgeschäftes von Airbus hervor. Ende Februar 2017 verkaufte der Luftfahrtriese die Sparte an den US-Finanzinvestor KKR. Im Unternehmen spiegeln sich Einflüsse von Vorgängerfirmen wie AEG, Dasa, Dornier, Siemens, Telefunken und Zeiss. Der Firmenname geht zurück auf Moritz Carl Hensoldt. 1852 gründete er unter eigenem Namen eine optische Werkstatt für Fernrohre, astronomische Geräte und Mikroskope und schuf somit einen der optischen Großbetriebe in Wetzlar.

Seit September 2020 ist der Rüstungselektroniker an der Börse. Die Bundesrepublik hält über die Förderbank KfW aus strategischen Gründen eine Sperrminorität von 25,1 Prozent. Weitere 25,1 Prozent besitzt der italienische Leonardo-Konzern. Die restlichen Anteile sind im Streubesitz. Die Eigenkapitalquote beträgt 20,3 Prozent.

Trotz der positiven Entwicklung erwarten die Analysten vorerst keine großen Kurssprünge. Die US-Bank J.P. Morgan hat die Einstufung nach den Quartalszahlen auf „neutral" mit einem Kursziel von 32 Euro belassen. Hensoldt sei solide ins Jahr gestartet, urteilt Analyst David Perry. Die Aktien erschienen, verglichen mit der Konkurrenz, angemessen bewertet. Warburg Research sieht ein Kursziel von 34 Euro, Deutsche Bank Research von 35 Euro.

Manch ein Investor dürfte sich trotz der lukrativen Wachstumschancen erinnern, dass Rüstungsbetriebe auch mit zweifelhaften Kunden Geschäfte machen und dabei nicht immer zimperlich sind. So wurde im vergangenen Jahr bekannt, dass Hensoldt trotz eines Embargos der Bundesregierung Waffen nach Saudi-Arabien verkaufte. Die Bundesregierung hatte 2018 einen Exportstopp als Reaktion auf die Ermordung Jamal Kashoggis verhängt. Der regierungskritische Journalist soll in der saudischen Botschaft in Istanbul umgebracht worden sein.

Hensoldt wickelte die Geschäfte über die Tochtergesellschaften in Großbritannien, Frankreich und Südafrika ab, da diese nicht von dem deutschen Waffenembargo betroffen waren. Darüber hinaus hatten die Taufkirchener als Subunternehmer Komponenten an spanische und französische Hersteller geliefert, die dann die Waffenexporte nach Saudi-Arabien vollzogen. Zudem gründete ­Hensoldt bereits 2019 ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem staatlichen Waffenhersteller Saudi Arabian Military Industries. Das macht deutlich: Trotz der „Zeitenwende“ bleibt Waffenhandel ein Geschäft mit vielen moralischen Schattenseiten.

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