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Finanzierung > Übernahmegefahr

Deutsche Wirtschaft in Gefahr? Mittelstand warnt vor Übernahme der Commerzbank durch Unicredit

Tunnelbauer Herrenknecht schlägt Alarm: Unicredit-Übernahme der Commerzbank könnte Mittelstand, deutsche Firmenfinanzierung und Wettbewerbsbedingungen erschüttern.

Eine Tunnelbohrmaschine ("Gripper-TBM") steht auf dem Werksgelände der Firma Herrenknecht. Die Tunnelbohrmaschine ist für die Eisenbahnverbindung zwischen Lyon und Turin bestimmt. Der Hersteller Herrenknecht hat bereits mehrere Maschinen für das Projekt geliefert. (Foto: picture alliance, Philipp von Ditfurth)

Im Interview mit dem Handelsblatt äußert Martin Herrenknecht, CEO des Tunnelbauunternehmens Herrenknecht AG, deutliche Bedenken hinsichtlich einer möglichen Übernahme der Commerzbank durch die italienische Unicredit. Herrenknecht sieht insbesondere den Mittelstand gefährdet, sollte die Commerzbank, die für viele Familienunternehmen ein wichtiger Finanzierungspartner ist, in die Hände von Unicredit fallen. Er befürchtet, dass sich die Kreditbedingungen verschlechtern könnten und bis zu 100 Milliarden Euro an Finanzierungsvolumen dem deutschen Markt verloren gehen.
Ähnlich kritisch äußert sich auch Arndt Kirchhoff, Aufsichtsratschef der Kirchhoff-Gruppe. Er sieht in einer Übernahme nicht nur eine Schwächung des Finanzplatzes Deutschland, sondern auch eine Gefahr für den Mittelstand, der einen Großteil der deutschen Wirtschaft ausmacht. Beide Unternehmer sind sich einig, dass eine Fusion der Commerzbank mit der Unicredit gravierende Folgen für den deutschen Bankensektor und die Finanzierung von mittelständischen Unternehmen haben könnte.

 

Wichtige Entscheidungen künftig aus Mailand?

Herrenknecht selbst ist seit 30 Jahren Kunde der Commerzbank und arbeitet zudem mit anderen Banken wie der Deutschen Bank, der Landesbank Baden-Württemberg und HSBC zusammen. Dennoch betont er die besondere Bedeutung der Commerzbank, insbesondere für die Finanzierung seiner internationalen Projekte. Er kritisiert, dass bei einer Übernahme durch Unicredit viele Entscheidungen zukünftig aus Mailand getroffen werden könnten, was das Vertrauensverhältnis, das über Jahre aufgebaut wurde, gefährden würde.

Im Gespräch spart Herrenknecht nicht mit Kritik an der deutschen Bundesregierung, insbesondere an Finanzminister Christian Lindner und Staatssekretär Jörg Kukies. Diese hätten seiner Meinung nach beim Verkauf des staatlichen Anteils an der Commerzbank „gepennt“ und wichtige strategische Entscheidungen vernachlässigt. Herrenknecht wirft der Ampelkoalition vor, keinen klaren Plan zu verfolgen, was sich nicht nur bei der Bankenpolitik, sondern auch bei anderen Themen wie dem Lieferkettengesetz oder der Energiewende zeige.

Herrenknecht fordert faire Wttbewerbsbedingungen

Der CEO des Tunnelbauunternehmens weist darauf hin, dass der italienische Staat in den kommenden Jahren Milliardenbeträge von der EU für Infrastrukturprojekte erhalten wird, während Deutschland, das einen Großteil der Mittel bereitstellt, kaum Einfluss auf die Vergabe der Aufträge habe. So würden italienische Unternehmen häufig chinesische Maschinen kaufen, obwohl europäische Anbieter zur Verfügung stünden.

Herrenknecht fordert daher, dass bei EU-finanzierten Projekten ein größerer Teil der Aufträge an europäische Unternehmen gehen sollte, um faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Im Interview thematisiert Herrenknecht auch seine Erfahrungen auf dem internationalen Markt, insbesondere in China. Er beschreibt die Wettbewerbsnachteile, mit denen deutsche Unternehmen im Vergleich zu chinesischen Anbietern konfrontiert sind, da diese in vielen Fällen günstigere Produktionskosten und weniger regulatorische Auflagen haben. Herrenknecht berichtet, dass sein Unternehmen gezwungen war, Teile der Wertschöpfung ins Ausland zu verlagern, um konkurrenzfähig zu bleiben. Besonders hebt er die Bedeutung von „local content“ in Märkten wie China hervor, um überhaupt Aufträge zu erhalten.

Auch zur aktuellen politischen Lage in Deutschland und Europa nimmt Herrenknecht Stellung. Er äußert sich kritisch zur Grünen-Politik und dem Umgang der Regierung mit Themen wie der Elektromobilität und der Energiepolitik. Insbesondere die Förderung von E-Autos sieht er skeptisch und hält die derzeitige Subventionspolitik für ineffizient. Er plädiert stattdessen für den Ausbau der Infrastruktur, insbesondere der Ladeinfrastruktur, und fordert eine stärkere europäische Ausrichtung bei öffentlichen Aufträgen.

Insgesamt vermittelt Herrenknecht ein düsteres Bild von der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Lage in Deutschland. Er betont, dass sein Unternehmen trotz der widrigen Umstände weiterhin erfolgreich ist und in den nächsten Jahren hohe Umsätze erwartet. Dennoch sieht er in vielen Bereichen dringenden Handlungsbedarf, insbesondere was die Unterstützung des Mittelstands und den Schutz vor unfairen Wettbewerbsbedingungen angeht.

zum Handelsblatt

dh

Herrenknecht AG

  • Gründung: 1977 als Herrenknecht GmbH durch Martin Herrenknecht
  • Umwandlung: 1998 zur Aktiengesellschaft
  • Firmensitz: Schwanau-Allmannsweier, Nähe Lahr, Baden-Württemberg
  • Erste Tochtergesellschaft in den USA gegründet 1992
  • Eigentumsstruktur: Seit 2015 in Familienstiftung überführt
  • Produkte: Hersteller von Tunnelvortriebsmaschinen
  • Beteiligung an Großprojekten: z.B. Gotthard-Basistunnel, Vortriebsmaschine TRUDE für Elbtunnel-Erweiterung

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