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In der Inflation müssen die Steuern runter

Angesichts explodierender Preise fordern Arbeitnehmer Lohnerhöhungen, von denen ein Großteil dann aber beim Finanzamt landet. Der Präsident des Steuerzahlerbundes Reiner Holznagel prangert das an. Er meint: Regierung und Zentralbank machen das falsche, um die Inflation in den Griff zu bekommen und den Menschen zu helfen. Richtig wütend wird er beim Entlastungspaket: Das Neun-Euro-Ticket kommt ihm ein bisschen „gaga“ vor.

Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler: In der Inflation müssen die Steuern runterpicture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Reiner Holznagel: Das trifft wohl auf die wenigsten Bürgerinnen und Bürger zu. Die meisten leiden darunter, dass ihre Einkommen real lange nicht so steigen wie die Preise, die sie im Supermarkt und anderswo zahlen müssen.

Aber für den Staat ist es gut: Sein Schuldenberg, den der Bund der Steuerzahler ja in Echtzeit misst, schmilzt von allein.

Reiner Holznagel: Die Möglichkeit ist begrenzt. Die Schulden, die der Staat zur Bewältigung der Coronakrise aufgenommen hat, sind tilgungspflichtig. Hinzu kommen Schulden für den Wiederaufbaufonds der EU, die die EU-Staaten ab 2028 ebenfalls zurückzahlen sollen – allen voran Deutschland. Da kann man nicht allzu sehr auf die Inflation hoffen. Ein Großteil der Staatsschulden ist außerdem so kurzfristig strukturiert, dass sich in Inflationszeiten steigende Zinsen schnell in der Finanzierung bemerkbar machen. Politisch ist es auch kein tragbares Konzept, beim Kampf gegen Schulden auf Inflation zu setzen. Vor allem aber trifft die Inflation die Wirtschaft. Dass sie ihr hohes Niveau halten kann, ist zweifelhaft, was dann wiederum Folgen für alle hat.

Wenn alles teurer wird, verlangen Arbeitnehmer bessere Bezahlung. Sehen sie da eine Lohn-Preis-Spirale in Gang kommen?
Reiner Holznagel:
 Wir stehen unter extremer Spannung: Der Preisanstieg für Energie und Rohstoffe ist gewaltig. Die Lieferketten sind gerissen. Wenn Shanghai hustet, liegt Europa mit Grippe im Bett. Dazu kommt der Fachkräftemangel und eben auch die Inflation. Der Spielraum für höhere Löhne ist klein. Umso schlimmer ist es dann, wenn Lohnerhöhungen wegbesteuert werden.

Sie sprechen von der kalten Progression . . .
Reiner Holznagel:
 … ich gebe Ihnen ein Beispiel: Bei den Gebäudereinigern will die Gewerkschaft eine Lohnerhöhung von 11,55 auf 13,73 Euro durchsetzen, das entspricht einer Erhöhung um 19 Prozent. Die monatliche Lohnsteuer, die fällig wird, würde dann aber von 153,- auf 235,- Euro steigen. Das ist eine Erhöhung um 54 Prozent! Deshalb fordern wir, zumindest die kalte Progression komplett abzuschaffen.

Ist das politisch durchsetzbar?
Reiner Holznagel:
 Andere Länder schaffen das. Sie sorgen über die Lohnsteuer für Entlastung, wenn die Inflation steigt. Schweden zum Beispiel: Dort werden die Eckwerte im Einkommensteuertarif regelmäßig an die Inflation angepasst. Das wäre auch in Deutschland wichtig! Deshalb fordern wir einen „Tarif auf Rädern“. Das wäre wirklich eine sinnvolle Veränderung.

Nun gibt es die Entlastungspakete: Bahnfahren für neun Euro, Rabatt beim tanken . . .
Reiner Holznagel:
 Die Entlastungspakete werden doch keinem wirklich gerecht. Vielen Menschen steht das Wasser bis zum Hals, weil die Preise überall steigen – und dann kommt die Politik mit einem Neun-Euro-Ticket fürs Regionalbahnfahren im Sommer und glaubt, dass dadurch alle auf den Geschmack kommen, Bahn zu fahren. Das wird langsam ein bisschen gaga.

Können Sie den Maßnahmen aus dem Entlastungspaket gar nichts abgewinnen?
Reiner Holznagel: 
Diese Maßnahmen sind ein schlechter politischer Kompromiss. Besser wäre es zum Beispiel gewesen, auf Strom nur noch den reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent zu erheben. Strom braucht nun wirklich jeder – er ist ein Grundbedürfnis, das eine ermäßigte Mehrwertsteuer rechtfertigen würde. Und bei der Stromerzeugung kommt zunehmend regenerative Energie zum Einsatz. Es hätte also eine gute Lenkungswirkung, Strom zu verbilligen.

Immerhin schafft die Regierung ja die Umlage für Erneuerbare Energien ab.
Reiner Holznagel: 
Das hatte die Vorgängerregierung beschlossen, es ist keine Erfindung der Ampel. Vor allem aber: Die EEG-Umlage auf den Strompreis wird abgeschafft, weil die Besteuerung des CO2-Ausstoßes eingeführt worden ist. Die Subventionen an die Betreiber der Ökostromanlagen sind damit aber nicht aus der Welt – stattdessen werden sie dem Steuerzahler aufgebürdet, denn die Finanzierung wird künftig über den Bundeshaushalt abgewickelt.

Wenn Sie Finanzminister wären, wo würden Sie sparen?
Reiner Holznagel: 
Überall. Jeder, der im Kabinett einen Platz hat, muss die Pflicht haben, sich auch als Sparminister zu profilieren. Und das geht.

Die Bundeswehr wurde kaputtgespart.
Reiner Holznagel:
 Nein. Missmanagement hat dazu geführt, dass die Bundeswehr nicht funktionstüchtig ist. Mein Beispiel ist immer das Segelschulschiff „Gorch Fock“, das mit Unsummen saniert wurde. Wir könnten Tausend Mal die „Gorch Fock“ reparieren und damit das viele Geld ausgeben, ohne dass dies den Zustand der Bundeswehr verbessern würde. Oder nehmen Sie den Deutschen Bundestag mit seinen historisch vielen Abgeordneten: Inzwischen hat das Parlament Gesamtkosten von mehr als einer Milliarde Euro! Man sagt, das seien die Betriebskosten der Demokratie. Aber wenn ich sparen muss, senke ich meine Betriebskosten auch und heize nicht im Winter nachts bei offenem Fenster.

Mein Eindruck ist, dass die Schuldenbremse auch nicht mehr funktioniert. Jedenfalls ist sie dauernd ausgesetzt.
Reiner Holznagel:
 Die Regierung macht Ausnahmetatbestände geltend. Das kann sie auch. Die Pandemie war so ein Ausnahmetatbestand. Was aber nicht geht, ist, Geld in einer Ausnahmesituation locker zu machen und es später für anderes auszugeben, als zur Behebung genau jenes Problems, für das die Schuldenbremse gelockert wurde. Doch leider versucht das die Politik immer wieder.

Nächstes Jahr soll die Schuldenbremse wieder gelten, sagt Finanzminister Christian Lindner. Glauben Sie daran?
Reiner Holznagel: 
Das kann klappen. Der Staat hat deutliche Steuermehreinnahmen. Und es gibt noch ruhende Kreditermächtigungen aus der Asylrücklage. Der Tilgungsplan für die Rückzahlung der Corona-Schulden wurde jetzt getreckt. Im Haushalt steckt genügend Luft, um die Schuldenbremse 2023 wieder einhalten zu können.

Ein Rückgang der Inflation ist nicht wirklich in Sicht. Warum tut die Europäische Zentralbank nichts?
Reiner Holznagel: 
Die EZB hat politisch motivierte Geldpolitik betrieben und sich damit in eine Sackgasse manövriert. Eigentlich müsste sie die Zinsen deutlich erhöhen! Das träfe dann aber auch Haushalte, die in der Krise mit Krediten ihre Existenz sichern mussten. Vor allem aber: Sehr hochverschuldete Staaten Südeuropas kämen aufgrund explodierender Zinskosten schnell ins Straucheln. Die Niedrigzinspolitik der EZB hat die Saat für die nächste Staatsschuldenkrise gelegt. Dennoch muss die EZB jetzt handeln und die Ankaufprogramme von Staatsanleihen stoppen und somit zumindest die Geldvermehrung etwas aufhalten!

oli

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