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Recht und Steuern > Umstellungsschwierigkeiten bei Unternehmen

Mehrwertsteuersenkung: Fehler können gravierende Auswirkungen haben

Seit dem 1. Juli gelten wegen der Corona-Krise reduzierte Mehrwertsteuersätze. Wie gut den Unternehmen die Umstellung gelungen ist und welche Folgen Fehler bei der Rechnungsstellung haben, erklärt Stefan Böhler, Rechtsanwalt und Steuerberater bei KPMG, im Interview.

Die Mehrwertsteuersenkung ist nun seit etwas mehr als einem Monat in Kraft. Wie fällt Ihre Bilanz aus? Hat die Umstellung bei den Unternehmen gut funktioniert?

Ich stelle fest, dass die Umstellung nach wie vor bei vielen Unternehmen nicht komplett abgeschlossen ist. Die Rechnungen für das operative Kerngeschäft dürften inzwischen nahezu alle Firmen angepasst haben. Doch gerade kleinere Unternehmen ohne eigene Steuer- und IT-Experten haben teilweise noch nicht die Rechnungsstellung bei weiteren betrieblichen Sachverhalten, wie zum Beispiel Leasing- und Mietverträgen, Lizenzen oder anderen Dauerschuldverhältnissen umgestellt. Hier gibt es immer noch Handlungsbedarf bei vielen Unternehmen.

Weshalb dauert dies so lange? Wo liegen die Probleme?

Unternehmen können nicht einfach für sechs Monate bei allen Rechnungen die reduzierten Sätze verwenden. Denn für die Festlegung des Steuersatzes kommt es nicht darauf an, wann die Rechnung gestellt oder der Betrag bezahlt wurde, sondern wann die Leistung aus umsatzsteuerlicher Sicht erbracht wurde. Hierfür gibt es im deutschen Steuerrecht komplexe Regelungen. Das ERP-System so anzupassen, dass es den Sachverhalt automatisch richtig beurteilt, ist eine Herausforderung.

 

Wie sollten Unternehmen bei der Umstellung vorgehen?

Als Erstes sollten sie eine Bestandsaufnahme machen, welche verschiedenen Vertragsarten und Rechnungsvorgänge im Unternehmen vorkommen und was es dabei steuerrechtlich in diesem Zusammenhang zu beachten gilt. Bei Leistungen über einen lange andauernden Zeitraum, wie zum Beispiel Bauarbeiten, müssen die Firmen beispielsweise kontrollieren, ob es abgeschlossene Teilleistungen gibt, die im Zeitraum der reduzierten Mehrwertsteuer fertiggestellt wurden. Dann gilt für diese Leistungen auch der gesenkte Steuersatz. Wichtig ist auch, dass die Unternehmen das ERP-System so anpassen, dass die Änderungen in der Software leicht wieder rückgängig gemacht werden können. Schließlich gilt die Steuersenkung nach jetzigem Stand nur bis zum 31. Dezember.

 

Was passiert, wenn Unternehmen es noch nicht geschafft haben, alle Rechnungsvorgänge korrekt anzupassen?

Für im Monat Juli unzutreffend fakturierte Umsätze werden die Rechnungen von der Finanzverwaltung in bestimmten Fällen noch nicht beanstandet. Unternehmen, die jetzt noch eine Rechnung mit 19 Prozent Umsatzsteuer stellen, obwohl eigentlich nur 16 Prozent fällig wären, müssen dann auch 19 Prozent an den Fiskus abführen. Der Kunde darf jedoch nur 16 Prozent als Vorsteuer abziehen. Im Regelfall wird er auch nur verpflichtet sein, 16 Prozent als Teil des Kaufpreises zu zahlen. So bleibt das Unternehmen auf der Differenz von drei Prozentpunkten wahrscheinlich sitzen – bis zu einer Rechnungskorrektur, die sich im Einzelfall als schwierig oder nicht umsetzbar herausstellen kann. Ebenso stellt ein eventuell erfolgter zu hoher Vorsteuerabzug ein Problem für den Kunden dar. Er muss diesen Fehler gegenüber dem Finanzamt unverzüglich korrigieren. Wenn von derartigen Fehlern viele Posten betroffen sind, kann durch die Differenz schnell ein größerer Schaden entstehen. Unternehmen, die noch nicht fertig mit der Umstellung sind, sollten dies deshalb zeitnah angehen. 

Eigentlich soll die Mehrwertsteuersenkung den Binnenkonsum stärken und damit letztlich den Unternehmen helfen. Tut sie das überhaupt, wenn viele Betriebe Schwierigkeiten mit der Umstellung haben?

Ob die Konjunktur tatsächlich dadurch angekurbelt wird, muss sich noch zeigen. Es kann sein, dass der Aufwand und die Kosten für die Umstellung in einer Gesamtschau für die Unternehmen größer sind als das Ertragswachstum durch die Steuersenkung. Deshalb fordern einige Wirtschaftsverbände, dass die Mehrwertsteuersenkung verlängert wird, damit sich der Aufwand für die Umstellung lohnt.

Genau das will Bundesfinanzminister Olaf Scholz aber offenbar nicht tun. Sollten sich die Unternehmen daher bereits damit beschäftigen, wie sie die Änderungen wieder rückgängig machen können?

Ich denke, den Firmen sollte die zweite Umstellung prinzipiell leichter fallen, da sie auf den gemachten Erfahrungen aufbauen können. In jedem Fall sollten den Unternehmen auch hierbei keine Fehler unterlaufen. Zahlen sie zu wenig Steuern oder ziehen zu viel Vorsteuer ab, dann greifen die Finanzämter oft hart durch. Werden die Fehler im Rahmen einer Betriebsprüfung erst Jahre später entdeckt, führt dies zudem zu Nachzahlungszinsen.

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