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Recht und Steuern > Beschlüsse von Meseberg

Wie genau profitieren Unternehmen vom geplanten Bürokratieabbaugesetz?

Die Bundesregierung ging auf Schloss Meseberg in Klausur und versprach Großes. Unternehmen sollten sich nicht zu früh freuen, wie die Analyse des Eckpunktepapiers aus dem Blickwinkel des Mittelstandes zeigt.

Finanzminister Christian Lindner (FDP), Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor Schloss Meseberg.

„Wir werden hämmern und klopfen, aber mit Schalldämpfer.“ So beschrieb diese Woche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die nächsten Arbeitsschritte der Bundesregierung nach ihrer Klausurtagung in Brandenburg. Eine seltsam verhaltene Ankündigung in einem Land, dessen Wirtschaft unter enormen internationalem Wettbewerbsdruck steht.

Eine Baustelle, an der das Scholz-Team werkeln will, ist die dringend nötige Entlastung der deutschen Unternehmen von unnötigem, zeitraubendem Papierkram. Die Regierung will nun mit dem von Bundesjustizminister Marco Buschmann zur Klausur vorgelegtem Eckpunktepapier für ein Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) umsetzen, was sie vor langem im Koalitionsvertrag vereinbart und angekündigt hat.

Ein Strauß von fast 30 Maßnahmen querbeet durch alle Lebensbereiche und Branchen wird darin verhandelt. Die Pflicht zum Meldeschein für Deutsche bei Hotelbesuchen soll einkassiert werden. Flughafenkontrollen sollen verkürzt werden, wenn Reisende zustimmen, dass ihre im Chip von Reisepässen hinterlegten Daten an Luftfahrtunternehmen übermittelt werden dürfen. Mieter sollen ihre Wohnung  elektronisch per Email kündigen dürfen. Und die Küstenschifffahrt soll es demnächst auch einfacher haben. Kein großer Wurf, sagen viele. Ein echter Fortschritt ist dagegen die geplante Gleichstellung von elektronischer Kommunikation zum klassischen Schriftverkehr und Aushang.

Konkrete Maßnahmen
Diese für Unternehmen besonders relevanten Punkte kündigt das Eckpapier unter anderem an.
Eine umfassende Digitalisierung und Vereinfachung des Visaverfahrens. Das wäre eine Verbesserung für ausländische Fachkräfte und ihre deutschen Arbeitgeber.

  • Beim Ausbau erneuerbarer Energien soll das Vergabeverfahren vereinfacht werden.
  • Bei Rüstungsexporten soll die Kontrolle vereinfacht und beschleunigt werden.
  • Verwaltungsverfahren und Genehmigungsverfahren für Verkehrsinfrastrukturprojekte sollen beschleunigt und digitalisiert werden.
  • Der Zugang zu Fördermaßnahmen soll vereinfacht und beschleunigt werden.
  • Zudem sollen die monetären Schwellenwerte der EU-Bilanzrichtlinie zur Bestimmung der Größenklassen von Unternehmen angehoben werden, um der Inflation der vergangenen Jahre Rechnung zu tragen.
  • Im GmbH-Recht soll klargestellt werden, dass im Falle der Beschlussfassung der Gesellschafter außerhalb einer Versammlung eine Abgabe der Stimme in Textform genügt, wenn sämtliche Gesellschafter einverstanden sind. Zudem sollen Schriftformerfordernisse im Schuldverschreibungsgesetz sowie im Depotgesetz aufgehoben werden.
  • Die handels- und steuerrechtliche Pflicht zur Aufbewahrung von Belegen soll von zehn auf acht Jahre reduziert werden.
  • Des Weiteren heißt es: „Wir überprüfen die in Zuständigkeit des Bundeswirtschaftsministeriums liegenden Informationspflichten auf Aktualität, Harmonisierungsmöglichkeiten und sonstige Ansatzpunkte zur Entlastung für den Mittelstand. Dabei werden die Informationspflichten im Energierecht, im Außenwirtschaftsrecht, im Mess- und Eichwesen sowie im Rahmen der Wirtschaftsstatistik, Gewerbe- und Handwerksordnung als auch in branchen- und berufsspezifischen Verordnungen auf den Prüfstand gestellt.“

Ein Kessel Buntes also auch für Unternehmen. Entsprechend fällt die Resonanz der Wirtschaft aus. Ludwig Veltmann, Hauptgeschäftsführer des Mittelstandsverbunds, beklagt: „Wirtschaftliches Wachstum werden die Unternehmen im Mittelstand nur durch attraktive strukturelle Rahmenbedingungen erzielen. Dazu gehört zwingend ein für die Unternehmen spürbarer Bürokratieabbau – für den die gleichzeitig vom Kabinett verabschiedeten Eckpunkte nur ein zaghafter Anfang sind.“

Die Pharma­in­dus­trie bewertet das Ergebnis unterschiedlich: Für den Verband der forschen­den Pharma­un­ter­neh­men (VFA) setzen die Vorha­ben an den richti­gen Stellen: „Die Beschlüs­se von Meseberg sind gute, aller­dings nur kleine erste Schrit­te“, sagt VFA-Chefvolks­wirt Claus Michel­sen. Das finanzielle Volumen sei noch zu gering. Auch der mittel­stän­disch gepräg­te Verband der pharma­zeu­ti­schen Indus­trie (BPI) sieht nicht den erhoff­ten großen Wurf. „Wir dürfen von der Bundes­re­gie­rung erwar­ten, tatkräf­tig die notwen­di­gen Weichen zu stellen, um den Pharma­stand­ort Deutsch­land zu verbes­sern“, sagt Verbands­chef Hans-Georg Feldmei­er. Ihm fehlt aber der dringend benötig­te Bürokra­tie­ab­bau. „Die Anrei­ze reichen noch nicht aus, um die pharma­zeu­ti­sche Indus­trie zu motivie­ren, nachhal­tig in den Pharma­stand­ort Deutsch­land zu investieren.“

Grundsätzlich begrüßt auch der Handels­ver­band Deutsch­land (HDE) den Abbau der Bürokra­tie, auch wenn vieles davon abhän­gen würde, „wie und vor allem wie schnell das umgesetzt wird“, sagt HDE-Haupt­ge­schäfts­füh­rer Stefan Genth. Der begrüßt, dass die steuer­li­chen Abschrei­bungs­mög­lich­kei­ten erwei­tert und dass die „Dauer­bau­stel­len bei der Digita­li­sie­rung“  angegan­gen werden soll. Zu früh kommt ihm allerdings die Einfüh­rung der verpflich­ten­den elektro­ni­schen Rechnung bei den B2B-Geschäf­ten bis 2025. Es brauche zunächst einmal eine staat­li­che Platt­form zur Übermitt­lung von elektro­ni­schen Rechnun­gen.

Neben dem Aspekt Bürokratieabbau blieb bei den Unternehmern viel Enttäuschung für das Wachs­tums­chan­cen­ge­setz insgesamt, vor allem beim Thema Industriestrompreis, zu dem es bekanntlich keine Entscheidung gab. BASF-Chef Martin Bruder­mül­ler nannte das Ergebnis ein „Zeichen der Hilflo­sig­keit“ und einen „Tropfen auf die heiße Herdplat­te“. Für ihn wäre es wichti­g, für die nötigen Mengen Strom aus erneu­er­ba­ren Energi­en und eine funktio­nie­ren­de Netzin­fra­struk­tur zu sorgen. Die Produk­ti­on der chemi­schen Indus­trie in Deutsch­land sei um rund 25 Prozent zurück­ge­gan­gen, auch weil sie wegen der hohen Energie­kos­ten an Wettbe­werbs­fä­hig­keit verlie­re.
Widerstand im Bundesrat

Der Entwurf muss noch den Bundesrat passieren, bis er zum Gesetz wird. Auffällig oft ist deshalb im Eckpunktepapier des Justizministers die Rede von „wir möchten, wir planen, wir haben vor“. Bremen kündigte als erstes Bundesland schon Widerstand im Bundesrat an. Womöglich wäre die Arbeitszeit mancher beteiligter Minister in Brüssel besser investiert gewesen. Dort bürokratische Maßnahmen aufs Machbare und Sinnvolle einzugrenzen - siehe Lieferkettengesetz oder die Chemikalienverordnung PFAS -  würde nicht nur deutschen Unternehmen noch mehr nützen.

Das komplette Eckpunktepapier mit allen vorgeschlagenen Bürokratieabbau-Maßnahmen finden Sie hier.

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