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Finanzierung > Inflation und Löhne

Metall beginnt schwierige Tarifrunde

In der Metall- und Elektroindustrie haben die Tarifverhandlungen begonnen. Es wird eine sehr schwierige Runde erwartet, denn die Vorstellungen gehen auseinander, wie selten zuvor. Warum gerade Baden-Württemberg Hoffnung macht.

Metall beginnt schwierige TarifrundeBild: picture alliance / NurPhoto | Ying Tang

 „Das ist die herausforderndste Tarifrunde, die ich in den vergangenen Jahrzehnten mitgemacht habe.“ Roman Zitzelsberger, Chef der IG Metall Baden-Württemberg, richtet sich auf schwierige Verhandlungen ein. Tatsächlich liegen Gewerkschaft und Arbeitgeber so weit auseinander, wie schon lange nicht mehr. Geht es nach der IG Metall sollen die Beschäftigten der Branche für die kommenden zwölf Monate acht Prozent mehr Geld bekommen. Die Arbeitgeber halten das für völlig unrealistisch. „Viele Betriebe in der Branche und außerhalb müssten sogar schließen, erklärt Peer-Michael Dick Hauptgeschäftsführer von Südwestmetall und warnt: „Es wackelt inzwischen richtig.“ Der Verband hat zur ersten Verhandlungsrunde in Kornwestheim kein Angebot vorgelegt. Gleiche Strategie auch in den anderen Bundesländern. Signal der Arbeitgeber: in dieser Krisenlage können sich die Unternehmen keine Lohnerhöhungen leisten.

Einig sind sich die Tarifparteien darum nur in einem Punkt: Es werden schwierige Gespräche, denn aus den jeweiligen Reihen sind die Erwartungen diesmal besonders hoch. „Im Vergleich zum Vorjahr haben die Leute 3500 Euro weniger in der Tasche. Das ist mehr als ein ganzer Nettolohn“, rechnet Zitzelsberger vor. Entsprechend ist die Stimmung an der Basis: „Würden wir die Forderung jetzt formulieren, wäre sie sicher zweistellig“, beschreibt der IG-Metall-Boss die Gemütslage seiner Basis. Man erwarte einen kräftigen Schub, um beispielweise die hohen Nachzahlungen für Energie stemmen zu können. Dieser Erwartungsdruck werde die Gespräche in den kommenden Wochen mitprägen: „Je länger es dauert desto schwieriger wird es“, warnt Zitzelsberger das Arbeitgeberlager davor, auf Zeit zu spielen.

 

Die Unternehmerseite verkennt nicht, dass die Beschäftigten unter Inflation und hohen Energiekosten leiden. „Die Inflation der Unternehmen ist aber noch signifikant höher. Eine vernünftige Planung ist kaum mehr möglich“, erklärt Dick. Doch die Unternehmen steuerten einer Rezession entgegen. Man müsse darum alles tun, um die Betriebe nicht weiter zu belasten. Entsprechend ist die Erwartung der Mitglieder an Südwestmetall: Lohnerhöhungen so gut wie möglich verhindern. Verbandschef Joachim Schulz hatte bereits im Frühjahr offen damit gedroht, dass viele Unternehmen das Tarifdach verlassen könnten, falls der Abschluss zu hoch ausfällt. Die IG Metall kann das Wehklagen nicht nachvollziehen. Sie verweist auf die Rückmeldung von Betriebsräten, wonach es vielen Unternehmen weiterhin gut gehe. Die signalisieren allerdings auch, dass vielerorts die Gewinne deutlich abgeschmolzen sind. „Das müssen wir beobachten“, räumt Zitzelsberger ein.


Signalwirkung für andere Branchen

Die Tarifparteien haben nicht nur die eigenen Mitglieder im Nacken. Auf sie richtet sich auch der Blick anderer Branchen. Denn Metall gilt von je her als Schrittmacher für die Abschlüsse in anderen Bereichen. So stehen für den Herbst auch Verhandlungen in der Chemie an, eine Branche die derzeit ebenfalls besonders unter den hohen Kosten für Gas und Strom leiden. Dem Vernehmen nach macht die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi Druck, die Metaller mögen nicht von ihrer Forderung abrücken und den Weg für hohe Abschlüsse ebnen. „Wir spielen eine betriebliche und eine gesellschaftspolitische Rolle“, ist sich Zitzelsberger dieser Rolle bewusst.

Stellschraube Einmalzahlung

Eine mögliche Stellschraube könnten Einmalzahlungen sein. Die Bundesregierung hat in Aussicht gestellt, dass bis zu 3000 Euro ohne Abzüge wie Steuern oder Sozialabgaben von den Unternehmen ausbezahlt werden können. „Das wäre für beide Seiten ein interessanter Punkt“, meint Zitzelsberger. Die Unternehmer würden so die Lohnnebenkosten sparen. Allerdings liegen aus Berlin bisher nur Absichtserklärungen vor.  Eine schnelle und klare Entscheidung der Bundesregierung über die Gestaltung einer „Startzahlung“ würde die Gespräche sicher erleichtern, sind sich die Verhandlungspartner einig. Wobei Zitzelsberger einschränkt: „Mit Einmalzahlungen alleine, wird man diese Tarifrunde nicht lösen können.“ Ziel sei eine nachhaltige Entwicklung der Entgelte.

Verbandchef Schulz führt Südwestmetall zwar erst seit Mai an, bringt jedoch viel Erfahrung aus früheren Verhandlungen mit. Man kennt sich also und begegnet sich trotz aller Kontroverse in der Sache mit gegenseitigem Respekt. Das ist typisch für den Bezirk Baden-Württemberg, wo in der Vergangenheit wichtige Abschlüsse wie die 35-Stunden-Woche oder die legendäre „Steinkühler-Pause“ vereinbart wurden.  

In Pforzheim wurden jene Stellschrauben entwickelt, die eine Öffnung des Tarifvertrags ermöglichen und die wirtschaftliche Lage einzelner Betriebe berücksichtigen. Mit dieser Erfahrung rücken die Verhandler aus dem Südwesten regelmäßig in Spitzenpositionen ihrer Organisationen auf. BDA-Präsident Rainer Dulger und Gesamtmetallchef Stefan Wolf saßen zuvor für Südwestmetall am Verhandlungstisch wie auf der anderen Seite IG Metall-Chef Jörg Hofmann oder dessen Vorgänger Bertold Huber, Klaus Zwickel oder Franz Steinkühler.

Geht es nach dem Stuttgarter IG Metallchef Zitzelsberger soll auch 2022 im Südwesten ein Pilotabschluss für ganz Deutschland gefunden werden. „Das liegt in unserer DNA“, meint er selbstbewusst. Ob das wirklich so kommt, hängt vom Verlauf der Gespräche in den verschiedenen Bundesländern ab. Dabei könnten auch andere IG-Metall-Spitzenfunktionäre daran interessiert sein, den Abschluss zu erzielen. Denn so mancher würde gern im kommenden Jahr Hofmann beerben und so Chef der mächtigsten Einzelgewerkschaft der Welt werden.

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