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Finanzierung > Tarifverhandlungen

Tarifstreit in der Metallindustrie: IG Metall und Arbeitgeber suchen Ausweg aus dem Stillstand

Die Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie stecken fest, während IG Metall und Arbeitgeber um Lohnzuschläge und finanzielle Differenzierungen ringen.

Die IG Metall Jugend demonstriert mit der Lieferung von Pizzakartons zum Auftakt der dritten Runde der Tarifverhandlungen der Metall- und Elektroindustrie. (Foto: picture alliance/dpa, Rolf Vennenbernd)

„Wir liegen noch weit auseinander.“ Egal ob Kiel, München Wiesbaden oder Böblingen: Dieser Satz ist die einzige Übereinstimmung, den die Tarifparteien der Metall- und Elektroindustrie nach der dritten Verhandlungsrunde zu verkünden haben. Während die IG Metall weiter für die 3,9 Millionen Beschäftigten auf einen Lohnzuschlag von sieben Prozent beharrt, bleiben die Arbeitgeber bundesweit auf ihrer Position. Verteilt auf eine Laufzeit von 27 Monaten soll es erst 1,7 und Später 1,9 Prozent mehr Geld geben. Wobei das Angebot eine Nullrunde bis zum kommenden Juli vorsieht.

„Das ist nicht einmal ein Ausgleich der Inflation“, lehnt die Stuttgarter IG-Metall-Chefin Barbara Resch den Vorschlag der Arbeitgeber als völlig unzureichend ab. „Einige Unternehmen fordern bereits, dass wir dieses Angebot zurückziehen, weil es zu hoch ist“, kontert Harald Marquardt, Verhandlungsführer von Südwestmetall. Inzwischen würden 44 Prozent der Betriebe im Südwesten nicht einmal eine Rendite von zwei Prozent erreichen. Bei vielen Unternehmen gehe es inzwischen um die Existenz. Da bleibe für Erhöhungen kein Spielraum.

„Wir sind in Strukturfragen weitergekommen.“

In Böblingen hatten sich die Tarifparteien am vergangenen Donnerstag schon nach weniger als zwei Stunden nichts mehr zu sagen. Ganz anders zuvor am Dienstag in Kiel und am Mittwoch in München. Dort wurde deutlich länger verhandelt. In Bayern teilte sich die Runde zeitweilig in mehrere Arbeitsgruppen. Die versuchten bei verschiedenen Fragen ins Detail zu gehen. Worum es da genau ging, wollten die Beteiligten im Anschluss nicht verraten.

Auffallend ist jedoch die wesentlich positivere Stimmung im Vergleich zur festgefahrenen Runde im Ländle. Angelique Renkhoff-Mücke, Verhandlungsführerin des Verbands der Bayrischen Wirtschaft (vbw) verbreitete in München auch wesentlich mehr Zuversicht, als ihr Kollege im Südwesten: „Wir sind in Strukturfragen weitergekommen.“ Ihr Gegenüber, Bayerns IG Metall-Chef Horst Ott, zeigte sich nach der knapp viereinhalbstündigen Runde ebenfalls sehr optimistisch.

Eher ungewöhnlich: in München saßen auch die Verhandlungsführer des Tarifbezirks Küste, Daniel Friedrich von der IG Metall und Lena Ströbele von Nordmetall mit am Tisch. Tags zuvor waren die jeweiligen Spitzen aus Bayern in Kiel an den Verhandlungen mitbeteiligt. Dies deutet darauf hin, dass sich die beiden Bezirke bereits in enger Abstimmung befinden. Das will die IG Metall nun im Endspurt zum Abschluss offenbar verstärken. So hat der Vorstand der mächtigen Gewerkschaft die beiden Bezirke beauftragt, gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Verhandeln mit Doppelwumms sozusagen. Das ist ein Novum bei den Tarifverhandlungen der Metaller.

 

Die nächste Runde ist für den 11. November in Hamburg vorgesehen

„Wir stehen für einen Pilotabschluss bereit“ betätigte Ott in München nach der dritten Runde. Er weiß, dass sein Bezirk eher selten zu dieser Aufgabe kommt. Zuletzt war 2013 ein Durchbruch in Bayern erzielt worden. Normalerweise handeln die Kollegen in Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfahlen die neuen Tarifverträge aus.  Noch seltener wird im hohen Norden Tarifgeschichte geschrieben. Zuletzt war dies 1957 der Fall: Damals erkämpften die Metaller nach einem 114 Tage dauernden Streik vor allem auf den Werften einen Einstieg in die Lohnfortzahlung bei Krankheit auch für Arbeiter. Der Bezirk Küste gehört mit knapp 180.000 Mitgliedern zu den mittelgroßen Einheiten der IG Metall und umfasst die Länder Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Bremen sowie das nordwestliche Niedersachsen.

Die Tarifparteien betonen immer wieder, dass sich beide Seiten über den Ernst der aktuellen Lage bewusst sind. Man habe Verständnis für die Nöte der Gegenseite. Nun geht es aber darum nach Lösungen zu suchen die über den 3,6 Prozent der Arbeitgeber liegen und doch die gebeutelten Betriebe nicht zu sehr belasten. Nicht jedes Unternehmen kann zusätzliche Kosten stemmen. „Differenzierung ist uns deshalb besonders wichtig“, gibt Renkhoff-Mücke, Chefin des Sonnenschutzherstellers Warema, die Richtung vor. Dem Vernehmen nach ist eine Rendite-Grenze von 2,3 Prozent die Reden. Liegen Betriebe darunter, dürfen sie bestimmte Leistungen aus dem Tarifvertrag kürzen.

Dieser Hebel könnte aber rechnerisch einen Abschluss mit einer vier vor dem Komma ermöglichen, womit die IG Metall bei der Basis das Gesicht wahren könnte. Denn von den sieben Prozent hat sich die Gewerkschaft trotz aller lautstarken Proteste der vergangenen Tage längst verabschiedet. So haben auch mehrere Betriebsratschefs großer Konzerne zu verstehen gegeben, dass sie intern seit Wochen die Erwartungen herunterfahren.

Weitere Stellschrauben könnten tarifliche Freistellungszeiten sein. Es geht dabei um die Umwandlung des tariflichen Zusatzgeldes (T-Zug) von 27,5 Prozent des Monatsgehalts in freie Zeit. Bisher können so Schichtarbeiter bis zu acht Tagen zusätzlich frei nehmen, um beispielsweise Kinder unter acht Jahren zu betreuen oder Angehörige zu pflegen. Zur Diskussion steht die Anhebung der Altersgrenze der Kinder, mehr Zeit für die Pflege sowie Freistellung für den „ehrenamtlichen Einsatz für die Demokratie“. Vor allem den letzten Punkt sehen die Arbeitgeber allerdings skeptisch. Dabei wollen auch die Unternehmensvertreter aus dem Südwesten weiter mitreden. „Wir sitzen mit am Tisch“, bestätigt Verhandlungsführer Marquardt, der später einen Abschluss auch bei den Mitgliedern von Südwestmetall verkaufen muss.

 

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