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Finanzierung > Benko zeigt Risiken

Nach dem Signa-Debakel: Benko-Pleite als Warnung - so sichern Unternehmen ihre Liquidität

Zahlungsausfälle wie bei Benko und Signa vermeiden: So sichern Mittelständler mit gutem Forderungsmanagement ihre Liquidität und Zukunft.

BU: Harter Absturz: René Benko hat mit seiner signa Holding das ganz große Immobilienrad gedreht – bis die Gruppe 2022 pleite ging. Jetzt warten viele Unternehmen auf Geld. (Foto: © picture alliance / ATP photo agency | NOGER Manfred)

Von Midia Nuri

Zahlungsverzüge bereiten dem Mittelstand zunehmend Probleme. Viele ließen sich durch ein gutes Forderungsmanagement vermeiden. Eine Anleitung.

Zahlungsverzug ist ein Alarmsignal. Und gerade in schlechten Zeiten nicht selten Anzeichen für eine bevorstehende Insolvenz. Die kann rasch auch die Existenz der Zulieferer bedrohen. So befürchteten mit Blick auf die Insolvenz des Immobilienkonzerns Signa Ende 2023 manche Bauinnung und mancher Baugewerbeverband, dass Firmen, die auf ihr Geld warteten und es wohl nicht bekommen werden, in Schwierigkeiten geraten könnten. Inhaber von Baubetrieben, die für Signa oder eines der Tochterunternehmen gearbeitet hatten, berichteten, sie seien händeringend beschäftigt, offene Rechnungen in sechsstelliger Höhe mit anderen Aufträgen auszugleichen – teils mit, teils ohne Erfolg. Auch Alexander Kappes vom Ingenieurbüro Kappes verlor durch die Pleite einer Signa-Tochter fast 470.000 Euro. „Für uns ist es zum Glück eine Forderung, die wir als Unternehmen verarbeiten können“, sagt Kappes. Dank hoher Rücklagen aus guten Jahren und weil schon sein Vater ihn darauf vorbereitet hatte, auf die Pleite eines Großkunden alle zehn Jahre eingestellt zu sein.

 

Ganz wichtig: Ein gutes Forderungsmanagement beginnt nicht erst mit der ersten Mahnung, sondern weitaus früher. Zwar geraten Unternehmen nicht wegen jeder sich verzögernden oder ausbleibenden Rechnung gleich in finanzielle Schieflage. Doch die Gefahr droht, zumindest bei größeren Beträgen, Außenständen mehrerer Kunden oder wenn sich, wie oft im kleineren Mittelstand, eine Vielzahl kleinerer oder mittlerer Außenstände summieren. Den meisten Unternehmern ist bewusst, dass sie ihren Kunden mit jeder offenen Forderung Kredit geben. Das zeigt der Boom bei Warenkreditversicherungen und die seit Jahren gestiegene Nachfrage auch kleinerer Mittelständler nach Finanzierungsinstrumenten wie Factoring, dem Verkauf offener Forderungen gegen Liquidität und oftmals auch Service beim Forderungsmanagement. Den Rat, Rechnungen zügig zu stellen, braucht man Mittelständlern heute nicht mehr zu geben.

Schon in guten Zeiten ist ein straffes Debitorenmanagement das A und O soliden Wirtschaftens. In Krisenzeiten sichert es die Liquidität. Um den Geldfluss zu beschleunigen, verringerten viele Lieferanten ihre Zahlungsziele, wie der Creditreform Zahlungsindikator Deutschland für den Winter 2024/25 zeigt, für den die Wirtschaftsauskunftei rund 3,9 Millionen Rechnungsbelege aus dem Crefo-Debitorenregister Deutschland ausgewertet hat. Unternehmen räumten 2024 eine durchschnittliche Zahlungsfrist von 31,22 Tagen ein. Im Vorjahr geduldeten sie sich im Schnitt 32,05 Tage. Gleichzeitig sank die durchschnittliche Überfälligkeit von Rechnungen im B2B-Geschäft leicht auf 8,41 Tage. „Ein Zeichen für ein strengeres Kreditmanagement“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung. Lieferanten und Kreditgeber seien alarmiert gewesen und hätten ihren Fokus auf das Forderungsmanagement geschärft. Denn die Insolvenzzahlen stiegen 2024 um rund 25 Prozent auf den höchsten Stand seit 2015. Auch die Außenstände im zweiten Halbjahr 2024 legten zu. Rechnungen im Wert von durchschnittlich 22.239 Euro pro Kreditnehmer wurden verspätet bezahlt – nach 20.847 Euro im selben Zeitraum 2023. Der durchschnittliche Wert verspätet bezahlter Rechnungen stieg laut Creditreform Zahlungsindikator im zweiten Halbjahr 2024 auf 2034 Euro gegenüber 1955 Euro ein Jahr zuvor.

Zahlungsmoral sinkt

80 Prozent der Befragten räumten ihren Kunden 2024 Zahlungsziele ein, ergab die Zahlungsmoralstudie der Warenkreditversicherung Coface – nahezu genau so viel wie im Vorjahr. Sorge bereitete Unternehmen demnach der sprunghaft gestiegene Anteil von Rechnungen, die länger als sechs Monate nicht beglichen wurden. „16 Prozent der befragten Unternehmen sind von extrem lange überfälligen Zahlungen betroffen, die einen Anteil von zwei oder mehr Prozent ihres Jahresumsatzes ausmachen“, heißt es in der Studie, sieben Prozentpunkte mehr als ein Jahr zuvor.

Besonders stark trifft das Coface zufolge den Maschinenbau. Hier berichten 30 Prozent von sehr lange überfälligen Zahlungen, die zwei Prozent oder sogar mehr ihres Jahresumsatzes ausmachen. Die größte Verschlechterung im Hinblick auf Zahlungsmoral verzeichnet 2024 die Textil- und Bekleidungsbranche, in der 88 Prozent der Befragten über Zahlungsverzug klagen – nach 58 Prozent im Vorjahr. Die stärkste Verschlechterung musste die Transportbranche hinnehmen, in der 68 Prozent der Firmen länger auf ihr Geld warteten.

Trotz verstärkter Bemühungen im Forderungsmanagement ist der Anteil von Unternehmen, die von Zahlungsverzögerungen berichten, seit 2021 von 59 Prozent auf nun 78 Prozent stark gestiegen. Ein spürbares Geschäftsrisiko, das zur Insolvenz führen kann, wie das starke Plus bei Firmenpleiten in den vergangenen Monaten zeigt. Von acht auf zehn Prozent legte laut Kreditversicherer Atradius der Anteil uneinbringlicher Forderungen im B2B-Bereich in den vergangenen zwölf Monaten zu.

„Unserer Erfahrung nach werden weltweit rund 80 Prozent der Forderungen, die länger als 180 Tage überfällig sind, nie bezahlt“, stellt Coface-Volkswirtin Christiane von Berg fest. Gerade im internationalen Geschäftsverkehr müssen Unternehmen offene Forderungen eng überwachen und säumige Zahlungen schnellstmöglich und professionell eintreiben. „Die gestiegenen Risiken machen eine konsequente Überwachung des Forderungsmanagements unverzichtbar“, sagt Hantzsch von Creditreform.

Konkret gehört zu einem konsequenten Forderungsmanagement ein funktionierendes Rechnungswesen, das neben Zahlungsfristen und Lieferantenkrediten vor allem drohende Verjährungsfristen und Forderungsausfälle sowie Termine für Mahnbescheide oder Mahnverfahren ebenso selbstverständlich im Blick behält, wie die damit verbundenen Verträge oder Auftragsbestätigungen. Gute und auch rechtssichere Verträge sorgen für klare Verhältnisse und fixieren schriftliche Absprachen, die Lieferant und Kunde miteinander treffen. Auch klar definierte Leistungen und Gegenleistungen sowie Zeiträume für Lieferung, Abnahme und Zahlung erleichtern selbst kleinen Mittelständlern den Umgang mit Außenständen.

Ganz wichtig ist auch Kommunikation. Schon vor Vertragsabschluss zahlt sich ein funktionierender Austausch der Abteilungen oder verschiedenen Verantwortlichen im Betrieb aus – und die routinemäßige Prüfung, wie ein Kunde genau firmiert. Spätestens für die Rechnung braucht die Buchhaltung diese Angaben sowieso. Und ein frühzeitiger Check schon vor Beginn einer geplanten Geschäftsbeziehung schützt nebenbei davor, möglichen Betrügern aufzusitzen. Wer Firmen wann überprüft, sollte intern klar geregelt sein.

Auch die Bonität möglicher Kunden sollten Unternehmer vor Vertragsabschluss prüfen – idealerweise immer bei größeren Beträgen oder längerfristig geplanten, engen Beziehungen. Sind potenzielle Kunden noch unbekannt, ist eine Recherche bei Auskunfteien wie etwa Creditreform, Crif Bürgel, Schufa, Creditsafe, Bisnode, Datev, Genios oder auch etwa Northdata ratsam. Auch ein Blick in die Insolvenzbekanntmachungen lohnt sich. So können Auftragnehmer das Schlimmste ausschließen, bevor sie einen Vertrag unterschreiben oder Waren liefern. Eine ­solche Kurzrecherche sollte zumindest vor größeren oder regelmäßigen Aufträgen bei jedem Neukunden anstehen – vor Beginn der Vertragsgespräche.

Dokumentieren ist essenziell

Stehen Folgeaufträge an, sollten Erfahrungen mit der Zahlungsmoral eines Kunden berücksichtigt werden. Dafür muss ein Unternehmen das Zahlungsverhalten dokumentieren und Informationen über den Kunden allen beteiligten Mitarbeitern zwischen Auftragsabwicklung und Forderungsmanagement zugänglich machen. Auch hier schützt interne Kommunikation vor schlechten Erfahrungen. Bei wichtigen Kunden sollten Unternehmer auch von Zeit zu Zeit die Bonität prüfen lassen – zumindest bei großen Einzelaufträgen, im laufenden Geschäft am besten regelmäßig. Hilfreich ist vorab und klar zu entscheiden, von welchen Kunden oder für welche Aufträge das Unternehmen die Bonität der Kunden prüft. Auch die Kriterien sollten Unternehmer vorab festlegen.

Bleiben trotz aller Maßnahmen dann Rechnungen offen, sollten Mitarbeiter rasch beim Kunden nachfragen. Auch das sollte klar geregelt sein. Oft ist die Rechnung liegengeblieben und wird nach der kurzen Erinnerung rasch beglichen. Bleibt freundliches Nachfassen allerdings erfolglos, sollten Unternehmen auch rasch mahnen.

Zwar ist rein rechtlich die Schriftform nicht nötig. Kunden geraten bereits am Tag nach Ablauf der gesetzlichen Zahlungsfrist von 30 Tagen nach Rechnungseingang in Verzug. Theoretisch können Unternehmen ab Fälligkeit der Forderung Verzugszinsen in festgelegter Höhe über dem Basiszinssatz kalkulieren. Doch schriftliche Mahnungen sind schon aus taktischen Gründen ratsam. Sollte es später vor Gericht gehen, etwa in einem Mahnverfahren, kommen Kunden dann nicht so leicht mit der Behauptung durch, sie hätten die Forderung ja sofort gezahlt, wenn sie nur davon gewusst hätten. Wenn sie wollen, dürfen Unternehmen eine schriftliche Mahnung auch reimen. Rechtlich hat das Bestand, wie das Landgericht Frankfurt 1982 in einem gereimten Urteil feststellte.

Langer Weg zur Vollstreckung

Mehr als zwei Mahnungen, gereimt oder nicht, sollte auch das geduldigste und kreativste Forderungsmanagement nicht einplanen. Lassen Kunden Mahnungen unbeachtet, versprechen Mahnschreiben vom Anwalt, der Steuerkanzlei, einer Inkassogesellschaft, einem Factoringanbieter oder der Warenkreditversicherung mehr Nachdruck. Zahlt der Kunde auch dann nicht, könnte der nächste Schritt ein gerichtliches Mahnverfahren sein. Nach dem Mahnbescheid und dem Ablauf einer bestimmten Frist lässt sich dann der Vollstreckungsbescheid beantragen. Mit dem kann der Lieferant – falls der Kunde keinen Einspruch einlegt – auch die Zwangsvollstreckung veranlassen. Spätestens für das gerichtliche Mahnverfahren empfiehlt sich, eine Anwaltskanzlei hinzuzuziehen, damit der Antrag richtig ausgefüllt ist. Außerdem kann der Anwalt oder die Anwältin später Anträge begründen und gegebenenfalls ein Klageverfahren führen. Das kommt in Gang, wenn der Kunde im gerichtlichen Mahnverfahren einen Einspruch einlegt oder nicht auf die Mahnung der Anwaltskanzlei reagiert beziehungsweise ihr widerspricht.

Für ein gutes Forderungsmanagement ist es auch nicht übertrieben, schriftliche Verträge oder Auftragsbestätigungen stets griffbereit zu halten – schon wegen der Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff, die für alle steuerrelevanten Unterlagen greift. Diese Aufgabe sollten Unternehmer in jedem Fall einplanen – auch wenn sie Teile des Forderungsmanagements beispielsweise einem Factor, ihrer Warenkreditversicherung oder ihrem Steuerberater überlassen. 

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