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Finanzierung > Insolvenzen

Neue Insolvenzwelle erfasst deutschen Mittelstand und Automobilbranche

Warum die Zahl der Firmeninsolvenzen in Deutschland 2025 so stark steigt – und was das für Mittelstand, Industrie und Politik bedeutet.

11.900 Unternehmen melden im ersten Halbjahr 2025 Insolvenz an. Besonders betroffen: Mittelständische Firmen und das verarbeitende Gewerbe. (Foto: shutterstock)

Es ist eine Entwicklung, die sich schleichend angekündigt hat – und jetzt mit voller Wucht durch die Wirtschaft rauscht: Im ersten Halbjahr 2025 mussten laut Creditreform 11.900 Unternehmen Insolvenz anmelden. Ein Anstieg um 9,4 Prozent – doch hinter dieser Zahl steckt mehr als nur Statistik. Sie ist Symptom einer tiefer liegenden Erschütterung im Fundament der deutschen Ökonomie.

Besonders die Säulen des deutschen Mittelstands beginnen zu bröckeln. In der Gruppe der Unternehmen mit 11 bis 50 Beschäftigten liegt der Anstieg der Insolvenzen bei satten 17 Prozent. Fast doppelt so hoch wie im Durchschnitt. Was einst als "Rückgrat der Wirtschaft" galt, wird zur Problemzone. Und das in einer Phase, in der Flexibilität und Innovationskraft gefragt wären wie selten zuvor.

Wenn Rücklagen versiegen und Kreditlinien versanden

Die Ursachen sind bekannt – und dennoch schwer greifbar in ihrer Kumulation: eine schwächelnde Nachfrage, explodierende Kosten, geopolitische Unsicherheiten und vor allem: fehlender Zugang zu frischem Kapital. Patrik-Ludwig Hantzsch von Creditreform bringt es nüchtern auf den Punkt: „Rücklagen werden aufgebraucht, Kreditlinien nicht verlängert.“ Die Luft wird dünn – selbst für Unternehmen, die jahrelang solide gewirtschaftet haben.

Das verarbeitende Gewerbe – wo es besonders kracht

Noch düsterer das Bild im verarbeitenden Gewerbe: Mit einem Plus von 17,5 Prozent bei den Insolvenzen trifft es ausgerechnet jenen Sektor, der lange als Innovationsmotor galt. Vor allem der Maschinenbau und die Automobilindustrie sind gebeutelt. Lieferengpässe, geopolitische Brüche, eine zähe Transformation hin zur Elektromobilität – und das alles bei abnehmender Marge und zunehmender Skepsis von Investoren.

Automobilindustrie: Im Tunnel ohne Licht

Dass die Automobilbranche in der Krise steckt, ist keine Neuigkeit. Doch der Tiefpunkt ist offenbar noch lange nicht erreicht. Eine aktuelle Analyse des Kreditversicherers Atradius prognostiziert nicht nur weiter sinkende Produktionszahlen bis 2026, sondern auch eine Welle an Stellenstreichungen und Werksschließungen.

„Deutschlands Autobranche hat die Talsohle noch nicht erreicht“, warnt Atradius-Risikomanager Jens Stobbe. Besonders dramatisch: Selbst große Player wie ZF Friedrichshafen stellen ihr Lieferantenmanagement um – weg vom reinen Preisfokus, hin zu einem härteren Blick auf Bonität und Resilienz. Liquidität wird zur neuen Währung der Glaubwürdigkeit.

141.000 gefährdete Jobs und Milliardenschäden

Die volkswirtschaftliche Dimension der aktuellen Insolvenzlage ist enorm: 33,4 Milliarden Euro Forderungsausfälle allein im ersten Halbjahr – mehr als in manchen Gesamtjahren zuvor. Und 141.000 bedrohte oder bereits verlorene Arbeitsplätze. Was nach trockenen Zahlen klingt, steht in Wahrheit für persönliche Schicksale, zerplatzte Träume, stillgelegte Produktionshallen.

Ein Blick zurück – für den Blick nach vorn

Wer die Geschichte wirtschaftlicher Brüche kennt, erkennt Muster: Die Ölkrisen der 1970er, die Wiedervereinigungskrise in Ostdeutschland, die Dotcom-Blase oder die Finanzkrise 2008. Immer wieder waren es Schockmomente, die letztlich Innovationsschübe hervorriefen. Wandel ist selten freiwillig – aber oft überlebenswichtig.

Auch heute gilt: Die Rezession zwingt zur Neuausrichtung. Und genau darin liegt – trotz aller Härte – eine Chance. Die Transformation der Industrie, die Förderung klimafreundlicher Technologien, neue digitale Geschäftsmodelle: All das könnte den Strukturwandel in einen Aufbruch verwandeln. Doch das braucht mehr als nur Durchhalteparolen.

Drei Lehren für die Gegenwart

  • Krisen sind Katalysatoren – wenn sie mit Innovationsmut beantwortet werden.

  • Staatliche Hilfen müssen gezielt, begrenzt und investiv wirken.

  • Strukturwandel darf kein Schreckgespenst sein, sondern eine Gestaltungsaufgabe.

Handlungsempfehlungen:

  • Für Unternehmen: Geschäftsmodelle hinterfragen, flexibel aufstellen, in Innovation und Qualifikation investieren.

  • Für die Politik: Verlässliche Rahmen schaffen, Bürokratie abbauen, gezielte Investitionsanreize geben – insbesondere im Mittelstand.

  • Für Verbände und Kammern: Weiterbildung und Beratung als Kernaufgabe – vor allem bei Digitalisierung und Fachkräftesicherung.

Fazit

Diese Insolvenzwelle ist mehr als ein zyklisches Tal – sie ist ein Warnsignal. Deutschland droht nicht nur der Verlust von Unternehmen, sondern von ökonomischer Substanz. Wenn jetzt nicht gegengesteuert wird – mit Mut, Weitblick und strategischer Unterstützung – könnte diese Krise tiefer greifen als viele vor ihr. Doch noch ist es nicht zu spät, daraus einen Neustart zu machen. Entscheidend wird sein, wer ihn wagt.

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Markt und Mittelstand ist Deutschlands größtes Magazin für Familienunternehmen und unser Podcast berichtet aus nächster Nähe für und über den Mittelstand.

Unser Ziel ist, (potenzielle) Führungskräfte in mittelständischen Unternehmen auf Ideen zu bringen, wie sie ihr Unternehmen zukunftsfester machen können.

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