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Finanzierung > Corona-Krise

„Ohne KfW-Mittel ist das der Knock-out für die Automobilzulieferindustrie“

Die Automobilindustrie befand sich schon vor Corona in einer Krise. Das Virus setzt die mittelständischen Zulieferer noch weiter unter Druck. Christian Walter, Geschäftsführer von Siebenwurst, erklärt im Interview, wie er sein Unternehmen vor der Zahlungsunfähigkeit bewahren will.

Herr Walter, Sie sind Geschäftsführer bei einem deutschen Automobilzulieferer. Wie stark hat das Coronavirus Ihren Arbeitsalltag verändert?

Ich bin dieses Denken von Tag zu Tag nicht gewöhnt. Als Unternehmer habe ich das nicht gern, aber ich muss es akzeptieren. Es sterben Menschen, und darum geht es. Nicht um irreführende Diskussion darüber, wann wir wieder arbeiten gehen können. 

Aber Sie arbeiten noch, oder?

Ja, natürlich, aber eben anders. Vor der Corona-Krise habe ich 80 Prozent meiner Zeit mit Reisetätigkeiten verbracht, aktuell arbeite ich zu 100 Prozent im Homeoffice. Viel Zeit verbringe ich in Gesprächen mit Banken, um neue Kreditlinien zu eröffnen oder bestehende zu erweitern. Zudem habe ich Anträge für derzeit verfügbare Beihilfen gestellt.

Und, hatten Sie Erfolg?

Geht so. Bislang haben wir weder Förderungen noch KfW-Mittel erhalten.

 

Ihre persönliche Erfahrung: Wie sind die Gespräche mit den Banken abgelaufen?

Wir haben unsere Förderanträge an dem Tag eingestellt, an dem es möglich war, und auch die KfW-Hilfen bei den Banken beantragt. Grundsätzlich sind die Ansprechpartner auf Bankenseite bemüht, uns zu unterstützen. Ich war ja bereits Anfang März in den Gesprächen, als sich das alles langsam abzeichnete. Schon da wollten die Institute helfen; sie sahen, dass da was kommen könnte, hatten damals aber keine Instrumente in der Hand, um mir zu helfen. Das war alles noch sehr abstrakt. 

 

Jetzt ist das anders. Die Nothilfen wurden mehrfach konkretisiert und nun auf unterschiedliche Unternehmensgrößen ausgerichtet.

Naja, aber abstrakt ist das eigentlich immer noch. Mir sind aktuell weder Konditionen wie Zinsen noch Rückzahlbarkeiten bekannt. Und ich glaube nicht, dass es den Banken anders geht. Wie soll ich nun verlässliche Szenarien entwickeln für die Darlehen?

 

Wie macht sich die Corona-Krise in Ihren Bilanzen bemerkbar?

Ein konkretes Beispiel aus der Siebenwurst Gruppe ist unser Tochterunternehmen Solid Solution, ein Produktentwickler. Hier brauchen wir rund eine Million Euro an Liquidität, bei einem Umsatz von rund drei Millionen Euro. In unseren Berechnungen haben wir die Krise als ein sechs Monate anhaltendes „Worst-Case-Szenario“ modelliert, diese Annahme ist natürlich ein Blick in die Glaskugel. 

 Ist die Ertragsseite komplett weggebrochen?

Sagen wir es so: Ich sehe noch kein Licht am Ende des Tunnels. Aktuell haben wir im Bereich der Produktentwicklung von Exterior-Komponenten in München bis in den Oktober hinein genügend Aufträge. Diese arbeiten wir mit all unseren Mitarbeitern ab. Sie befinden sich zwar im Homeoffice, sind aber komplett ausgelastet. Unsere Kunden gehen allerdings nach und nach in Kurzarbeit, deshalb werden Projekte nicht abgenommen und Rechnungen nicht oder erst später bezahlt. Also arbeiten unsere Leute, aber ich habe kaum Liquidität, um die laufenden Kosten zu decken. Dieser Spagat, abarbeiten und finanzieren, der schmerzt.

Können Sie Ihre Liquidität schonen?

Ja, wir nutzen Kurzarbeit für gewisse Bereiche, das hilft. Im Bereich des Formenbaus, unserem größten Geschäftsbereich, befinden wir uns beispielsweise in Kurzarbeit. Für die Produktentwicklung in München können wir aktuell keine Kurzarbeit anmelden, da wir, wie gesagt, noch viele offene Aufträge haben. Hier drücken uns die Liquiditätssorgen. Wir sprechen deshalb proaktiv mit unseren Banken und nehmen Angebote zum Aussetzen von Darlehensratenverpflichtungen an, um unsere Liquidität zu schonen.  

Das Unternehmen: Siebenwurst Gruppe

 

Das Unternehmen Christian Karl Siebenwurst GmbH & Co KG ist ein deutscher Modell- und Formenbauer und zählt zur Siebenwurst Gruppe. Siebenwurst fertigt und vertreibt Werkzeuge für die Automobilindustrie. Darüber hinaus hat der Zulieferer das Komponentengeschäft um zahlreiche Servicebereiche erweitert, unter anderem um Supportleistungen zur Prozessoptimierung. Die Siebenwust Gruppe beschäftigt rund 700 Mitarbeiter und hat zuletzt einen Umsatz von rund 100 Millionen Euro erwirtschaftet.

Was würde Ihnen noch helfen?

Höhere und flexiblere Zuschüsse für Mittelständler wie uns. Um mein Geschäft zu retten, bräuchte ich also eine Zuschussregelung, die sich am Kapitalbedarf des Unternehmens ausrichtet. Ich habe derzeit drei Probleme: Kurzfristig ist das der Wegfall der kompletten Kundennachfrage, mittelfristig verebbt die Liquidität, und langfristig verfallen die Preise. Dieser Preisrückgang bei Automobilprojekten wird die Branche nochmals erschüttern. 

Woran liegt das?

Ich gehe davon aus, dass es am Markt künftig kaum neue Projekte geben wird. Diese Entwicklung begann bereits mit der Branchenkrise im vergangenen Jahr. Dort zeichnete sich ab, dass die OEMs weniger Entwicklungsprojekte vornehmen. Die Corona-Krise dürfte die bereits ausgedünnte Projektplanung nochmals auf den Prüfstand stellen. Und bei sinkender Nachfrage und steigendem Angebot verfallen die Preise. Jeder Zulieferer muss also noch härter als schon vor der Krise um neue Aufträge kämpfen. Und selbst wenn er welche ergattert, lassen diese sich nicht gewinnbringend realisieren. 

Wie könnten Sie Ihr Unternehmen damit vor der Zahlungsunfähigkeit bewahren?

Ich sehe zwei Möglichkeiten: Zuschüsse entweder flexibel monatlich anpassen oder den Kapitalbedarf für sechs Monate decken. Aber die Hochrechnung hat natürlich eine Unschärfe, denn man kann nur von Monat zu Monat die Liquidität hochrechnen. Ich habe mit Banken gesprochen, die von drei Monaten ausgehen; meine Hausbank nimmt wiederum an, dass die Corona-Krise sechs Monate dauert. Anhand dieser Berechnung muss irgendwo ein Zuschuss von 50 Prozent her. Und wenn ich das Geld nicht gebraucht habe, zahle ich es natürlich zurück. 

Für Mittelständler wie Sie gibt es Kredite, für deren Ausfall mittlerweile die KfW komplett haftet.

Ja, ich weiß, nur hilft mir das nicht. Ich habe die Anträge am erstmöglichen Tag gestellt, bislang aber kein Geld bekommen und kämpfe noch immer darum. Ich selber kenne drei Unternehmen aus dem Autobereich, die von der KfW kein Geld bekommen haben – mit der Folge, dass sie nun Insolvenz beantragen mussten. Die Begründung lautete in allen drei Fällen: Euch ging es doch letztes Jahr schon schlecht. 

Ist da nicht etwas Wahres dran?

Ja, es stimmt. Aber das Coronavirus ist zum Brandbeschleuniger für die Krise der Automobilbranche geworden. Wenn nun seitens der KfW gesagt wird, all den Zulieferern, die 2019 schon in der Krise waren, geben wir keinen Kredit – dann ist das der Knock-out in der Zulieferindustrie.

 

Geht das allen Unternehmen der Autobranche so?

Die großen Konzerne können auf Finanzpolster zurückgreifen, das zeigen ja auch die Ergebnisse der deutschen OEMs aus dem vergangenen Geschäftsjahr. Mir bereitet die Vielzahl kleinerer Zulieferer sorgen. Je weiter man in der Zulieferkette nach unten geht, desto schlimmer wird es. Nach der Krise der Automobilindustrie 2019 und der aktuellen Corona-Krise ist unschwer zu erkennen, dass die Kapitaldecke dünn oder nicht mehr vorhanden ist. Da muss der Eigentümer private Bürgschaften stellen, sofern er dazu überhaupt noch in der finanziellen Lage ist. Das würde ich ja auch machen. Aber wenn jetzt die Politik von Mitteln spricht, die für alle da seien, nur für uns nicht, dann tut das weh.  

Dann gehen wir mal von einer steilen These aus: Sie können sich Geld besorgen. Wie wollen Sie die Schulden denn wieder abbauen?

Das ist eine meiner größten Sorgen. Denn wenn ich jetzt keine Umsätze habe, habe ich auch keinen Nachholeffekt. Wer bestellt denn nach der Krise zwei Autos? 

Könnten Sie nach der Krise neue Geschäftsfelder aufbauen?

Wir haben ja unlängst damit begonnen und sind in die Beratung eingestiegen. Also weg vom Komponenten- hin zum Servicegeschäft, da geht es beispielsweise um Machbarkeitsanalysen bei Bauteilen. Aktuell erzielen wir hier rund eine Million Euro Umsatz im Jahr.

Haben Sie schon mal mit anderen Mittelständlern gesprochen, wie die solche Probleme lösen?

Nein, nicht wirklich. Und das finde ich problematisch. Im Mittelstand sind wir bislang nicht im Zeitalter der Netzwerke angekommen. Und das wird bei der Bewältigung der Corona-Krise zu einem kritischen Faktor. 

Inwiefern?

Ich höre von anderen Mittelständlern meist, dass alles gut sei. Aussagen wie: „Sechs Monate keine Umsätze? Für uns kein Ding, das kriegen wir schon hin.“, sind dabei typisch. Gleichzeitig sind die Unternehmen aber ständig von der Sorge getrieben, dass jemand ihnen etwas abspenstig machen könnte. Und diese beiden Eigenschaften – tarnen und täuschen – sowie dieses „das machen wir unter uns aus“, die könnten uns jetzt killen.   

 

Dann gehen Sie doch einen Schritt voran.

Ja, ich arbeite daran. Wir starten bald einen Mittelstandspodcast, um Wissen zu teilen. Aber ganz ehrlich: Ich wüsste aktuell nicht einmal, an welche Stelle ich mich in Hessen oder im Bund wenden müsste, um anderen Unternehmen unsere Fertigungskapazitäten anzubieten. Jeder igelt sich ein, um Kräfte zu schonen, das merke ich auch bei mir. Ich bin nicht zugänglich. Da ist der Anruf bei der Bank, das sind zusätzliche Anträge zu stellen, mit den Mitarbeitern zu sprechen, währenddessen gehen die Zahlen ständig nach unten – und jetzt soll ich Netzwerkpflege betreiben? Ich habe gerade keine Kapazitäten frei für große Strategien. 

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