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Finanzierung > Pleite-Abwehr?

Radikaler Rettungsversuch bei Varta

Böse Überraschung für Aktionäre und Gläubiger von Varta. Der Batteriehersteller will mit einem Radikalschnitt der Pleite entgehen.

Batterien und Akkus von der Marke VARTA in einem Regal in einem Geschäft.
Der Batteriehersteller Varta will verhindern, dass das Unternehmen in die Pleite rutscht. (Foto: picture alliance, CHROMORANGE, Michael Bihlmayer)

Der schwer angeschlagene schwäbische Batteriehersteller Varta versucht mit einem überraschenden Manöver zulasten der Aktionäre einen Befreiungsschlag. Jetzt soll das Ellwanger Unternehmen mit einem Restrukturierungsvorhaben nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) wieder Tritt fassen. Damit soll eine Insolvenz verhindert werden. Das Amtsgericht Stuttgart bestätigte, dass eine „Anzeige für ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren“ eingegangen ist. Die Pläne sehen unter anderem vor, das Grundkapital auf null Euro zu setzen. Anschließend soll durch neue Aktien eine Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss folgen. Konkret will Varta also die Alt-Aktionäre aus dem Unternehmen drängen. Zudem sollen die Gläubiger auf einen Großteil ihrer Ansprüche verzichten. Die Reaktion an den Börsen ist eindeutig: Die Varta-Aktie sackte auf zwei Euro ab und verlor damit auf einen Schlag 80 Prozent ihres Wertes.

„Die neuesten Entwicklungen verschlechtern die Situation für Aktionäre nochmals deutlich", kommentierte Analyst Michael Punzet von der DZ Bank. „Die angestrebte finanzielle Neuaufstellung der Varta AG geht deutlich zulasten der bestehenden Aktionäre und Gläubiger." Der Analyst hat den „fairen Wert“ der Aktie von acht auf null Euro gesenkt. Den Batteriehersteller steht mit einer halben Milliarde Euro bei Banken und Hedgefonds in der Kreide. Einen genauen Einblick in das Zahlenwerk von Varta ist nicht möglich, denn das Unternehmen hat immer noch keinen Abschluss für 2023 vorgelegt. Im Mai nahm die Deutsche Börse deshalb die Varta-Aktie aus dem Kleinwerteindex S-Dax.
Laut Vorstandschef Michael Ostermann, der als Sanierer nach Ellwangen geholt wurde, benötigt Varta 100 Millionen Euro an frischem Kapital. Angedacht ist, dass Großaktionär Michael Tojner, der 50 Prozent der Anteile hält, und Porsche das Geld beisteuern. Eine andere Variante sieht eine Beteiligung der Gläubiger an der Sanierung vor. Die erwarten allerdings mehr Mitsprache und kündigten bereits Widerstand an. Laut Varta stimmen die Gläubiger dem Schuldenschnitt nur zu, wenn das Eigenkapital auf null Euro gesetzt wird. In diesem Jahr will das Unternehmen nach einer Mitteilung vom Juni mit 4200 Beschäftigten einen Umsatz von bis zu 870 Millionen Euro erreichen.

Grund für die Schieflage von Varta sind laut Ostermann Investitionen aus den Jahren 2021 und 2022, die sich bisher nicht ausgezahlt hätten. Dazu zählen großen Lithium-Ionen-Batterien, aber auch in die Mini-Akkus für Kopfhörer. So hat Varta keinen Ersatz für das Das einst brummende Geschäft mit wiederaufladbaren Lithium-Ionen-Knopfzellen gefunden. Hautmarkt waren kabellose Kopfhörer. Der Markt stagniert und die Batterien kommen inzwischen aus Asien. Zudem ist das Geschäft mit Wallboxen zum Speichern von Strom für Elektroautos nie richtig angelaufen.

 

Der Stuttgarter Sportwagenhersteller hatte erst vor wenigen Wochen die Übernahme der E-Autobatterie-Sparte in Aussicht gestellt. Die Tochter V4Drive fertigt sogenannte Booster-Batterien, die für mehr Schub und Fahrdynamik sorgen. Einziger Kunde ist Porsche, der damit die schrittweise Elektrifizierung das berühmten Modells 911 vorantreiben will. Ein kurzfristiger Wechsel des Lieferanten gilt als schwierig. „Wir können bestätigen, dass Porsche in Verhandlungen (mit Varta) steht“, sagte ein Sprecher des Sportwagenbauers. Den Stuttgartern geht es vor allem um die großen Lithium-Ionen-Batteriezellen, die im nächsten Porsche 911 GTS verwendet werden sollen. „Das Ziel unseres Engagements wäre, diese Schlüsseltechnologie am Standort Deutschland zu erhalten.“ Die Pläne von Porsche hatten unter den leidgeplagten Aktionären neue Hoffnung genährt. Varta wurde 2017 für 17,50 Euro an die Börse gebracht. Lange Zeit war das Papier an der Börse gefragt und wurde sogar im M-Dax notiert. Anfang 2021 erreichte der Kurs 181,30 Euro. Seitdem kennt der Wert allerdings nur eine Richtung – nach unten.

 

Das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) gibt es seit drei Jahren in Deutschland. Mit diesen Verfahren soll verhindert werden, dass ein operativ lebensfähiges Unternehmen in die Pleite rutscht. Dabei kann der Widerstand einzelner Gläubiger, aber auch der Aktionäre ausgehebelt werden. Damit wird umgangen, dass eigentlich die Anteilseigner mit einer Mehrheit von 75 Prozent dem Totalverlust und Herausdrängen zustimmen müssen. Auf diesem Weg hatte sich im vergangenen Jahr der Nürnberger Autozulieferer Leoni saniert. Auch dort verloren die Aktionäre alles. Darum wird dieser Schritt von Anlegerschützern heftig kritisiert. Auch Börsianer sind davon nicht begeistert, kann ein Unternehmen doch jederzeit seine Aktionäre ausbooten. Das schade dem Ansehen deutscher Aktien, so ein Händler.

 

Kritiker verbinden die Krise bei Varta mit Großaktionär Tojner. Sie monieren seit Jahren, dass die Strategie des Batterieherstellers auf Kante genäht ist. Zu lange habe man auf boomende Markte rund um die E-Mobilität gesetzt. Doch diese Wette ist nicht aufgegangen. Dabei kennt sich Aufsichtsratschef und seit 2007 Hauptaktionär Michael Tojner mit Wetten gut aus. Der Österreicher ist Mitbegründer des Zocker-Portals Bwin. Tojner zählt zu den bekanntesten Unternehmern in Österreich. Im Alter von 20 Jahren betrieb er Eisverkaufsstände an beliebten Plätzen in Wien. Die brachten ihm damals die ersten Millionen ein. Der 59-Jährige hat sich mit teil wagemutigen Geschäften immer wieder Konflikte mit der österreichischen Justiz eingebracht. Betrug, Steuerhinterziehung und intransparenter Immobiliengeschäfte lauten die Vorwürfe. Insgesamt ist der Milliardär über seine Industriegruppe Montana Tech Components an 50 Unternehmen beteiligt. Ein viel beschäftigter Mann also, der auch andere Sorgen hat, als Varta auf Kurs zu halten. Zwar hat er in Ellwangen immer wieder das Führungspersonal ausgetauscht und bereits vor einem Jahr 51 Millionen Euro nachgeschossen. Doch den Kurzschluss bei dem Batteriehersteller konnte das alles nicht abwenden.

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