Private Equity: Für wen sich eine solche Finanzierung lohnt
Immer mehr Private-Equity-Gesellschaften steigen bei Mittelständlern über eine Minderheitsbeteiligung ein. Diese Art der Finanzierung kann sich lohnen - für beide Seiten.
Anfang der neunziger Jahre musste Peter Overlack ernüchtert feststellen: Das von seinem Großvater 1922 gegründete und von ihm nach dem Studium übernommene gleichnamige Handelshaus für Basischemikalien und Spezialitäten mit Sitz in Mönchengladbach war zu klein, um langfristig den Anforderungen des Marktes genügen zu können. Doch Overlack wollte bleiben: „Dafür mussten wir alles tun, um Wachstum herbeizuführen.“
Die Chance dafür boten die fünf neuen Bundesländer. Die Mauer war gerade gefallen. Also traf Overlack eine unternehmerische Entscheidung: keine Gewinnausschüttungen an ihn und die anderen Erben, stattdessen floss alles ins Eigenkapital. Die Strategie ging zunächst voll auf. Mit eigenem Geld und Bankdarlehen eroberte das Familienunternehmen die ehemalige DDR. Zwischen 1990 und 2010 konnte Peter Overlack den Umsatz seiner Firma um das Zehnfache auf 300 Millionen Euro katapultieren.
Irgendwann aber stieß das Unternehmen an seine finanziellen Wachstumsgrenzen. Neben Unternehmenskrisen und Gesellschafterwechseln ist schnelles Wachstum ein klassischer Anlass für den Minderheitseinstieg einer Beteiligungsgesellschaft. Und doch war es ein Gedanke, mit dem sich Peter Overlack und seine Miteigentümer nicht ohne weiteres anfreunden konnten: „Wir hatten vor Private Equity die übliche Scheu – wir hatten viel Kritisches über Investoren gehört, wussten aber eigentlich nichts über sie.“
1,4 Billionen Dollar
Immer mehr Beteiligungsgesellschaften suchen nach deutschen Mittelständlern, in die sie investieren können. Denn: Nach Expertenschätzungen sitzen die PE-Finanziers weltweit auf 1,4 Billionen US-Dollar nicht investiertem Kapital und wissen kaum, wohin damit. Das sorgt für einen verschärften Wettbewerb um die besten Investitionsobjekte und treibt - zusammen mit der guten Konjunktur - die Unternehmenspreise nach oben. PE-Gesellschaften müssen für ihre Beteiligungen also immer mehr Geld auf den Tisch legen.
Nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) wurde im Jahr 2015 in Deutschland rund 5,3 Milliarden Euro Private-Equity-Geld (PE-Geld) in gut 1.200 Unternehmen investiert. Damit wurde zwar das Rekordvolumen von 2014 in Höhe von 7,1 Milliarden Euro nicht erreicht. Jedoch hielten sich die Investitionen auf einem hohen Niveau: 2013 waren 5,1 Milliarden Euro investiert worden.
Der Beteiligungsmarkt ist ein Mittelstandsmarkt, betont der BVK. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen würden durch PE-Investoren unterstützt: 96 Prozent der im Jahr 2015 finanzierten Unternehmen beschäftigten weniger als 500 Mitarbeiter, 86 Prozent weniger als 100 Mitarbeiter. Drei Viertel der Unternehmen, in die Beteiligungsgesellschaften investierten. Beim Blick auf das Investitionsvolumen dreht sich das Bild. Denn die größten Einzelinvestitionen entfallen auf Unternehmen mit hohen Mitarbeiter- und Umsatzzahlen: 41 Prozent der 5,3 Milliarden Euro PE-Geld flossen in Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Auf Mittelständler mit weniger als 100 Mitarbeitern entfiel nur ein knappes Viertel.
„Gern auf dem Rücksitz“
Bei seiner Suche nach einem passenden Investor stieß Peter Overlack schließlich auf Hannover Finanz. Der niedersächsische Eigenkapitalpartner hat eine lange Historie von Minderheitsbeteiligungen, ein gutes Zeichen für Unternehmer und ein wichtiges Kriterium für die Auswahl eines Investors, wie Moritz Freiherr Schenck betont. Als Managing Director bei Deloitte berät er Käufer und Verkäufer in M&A-Deals. „Ein klassischer Mehrheitsinvestor möchte in der Regel auch bei Minderheitsinvestments mitreden. Wirklich erprobte Minderheitsinvestoren dagegen sind es gewohnt, Unternehmer machen zu lassen.“
Overlack war also offen für einen Deal mit Hannover Finanz. Doch Jürgen von Wendorff, Geschäftsführer des niedersächsischen Investors, schien nicht überzeugt: Denn Overlack bot keine Beteiligung an seinem Handelsunternehmen selbst an, sondern nur an einem Joint Venture, mit dem er - zusammen mit einem Partner - die Expansion durch Europa betrieb. Das passte nicht zu den Prinzipien von Hannover Finanz, erinnert sich von Wendorff: „Wir sind gern auf dem Rücksitz, aber ungern in einem anderen Auto oder im Anhänger.“
Erst als der Joint-Venture-Partner plötzlich absprang, wurden die beiden sich handelseinig: 2014 stieg Hannover Finanz ein, zunächst mit einer stillen Beteiligung und einem Wandlungsrecht in eine Minderheitsbeteiligung. Zugesichert wurden dem Investor Mitspracherechte - so stellt Hannover Finanz einen von drei Aufsichtsräten, ein weiterer kommt aus der Familie, einer ist ein gemeinsam ausgewählter Dritter. Außerdem verständigten sich Overlack und von Wendorff auf eine gemeinsam verabredete Ausschüttungspolitik, gemeinsame Entscheidungen bei der Expansion sowie die Möglichkeit, nach 10 bis 15 Jahren auszusteigen.
Mehrheitseigner wollte verkaufen
Wie Overlack hat auch der saarländische Verpackungshersteller KTP Kunststoff Palettentechnik einen Investor mit einem Minderheitsanteil am Unternehmen beteiligt. Und wie Overlack brauchte auch KTP das Eigenkapital, um sein weiteres Wachstum zu finanzieren. Und doch war die Lage bei dem Saarländer Unternehmen eine andere.
Denn bei KTP hatte mit Axa Private Equity zuvor eine Beteiligungsgesellschaft einen Mehrheitsanteil besessen. Nach fünf Jahren wollte der Investor die 60 Prozent verkaufen. Die Gründerfamilie sollte wieder in die Mehrheit gehen. Einen „Investor für den Rücksitz“ fand Andreas Wintrich, geschäftsführender Gesellschafter und Sohn des Firmengründers von KTP, in VR Equitypartner. Die Beteiligungsgesellschaft der genossenschaftlichen DZ Bank stieg Ende 2011 mit 49,8 Prozent beim Unternehmen ein.
VR Equitypartner ist ein urdeutscher Investor mit einer langen Tradition von Minderheitsbeteiligungen. Die Genossen investieren dabei so wie Hannover Finanz nicht aus Fonds mit begrenzter Laufzeit, sondern direkt aus der Bilanz. KTP-Chef Wintrich zeigt sich zufrieden: „Die auch dank der Beteiligung solide Eigenkapitalbasis hat uns dabei geholfen, unsere Expansionspläne schnell umzusetzen“, resümiert der Firmenlenker.
Abschlag auf die Bewertung
Bei KTP hat VR Equitypartner Mitspracherechte bei strategischen Entscheidungen. Aus dem Tagesgeschäft hält der Investor sich hingegen heraus. Das sind ähnliche Bedingungen wie von Hannover Finanz - und damit der größte Grad an Freiheit, den sich ein Unternehmer wünschen kann. „Ohne gewisse Mitspracherechte wird kein Private-Equity-Haus Eigenkapital in das Unternehmen geben“, betont Marcel Herter, Gründer und Geschäftsführer der Corporate-Finance-Beratung Herter & Co.
Über einen zentralen Aspekt des Themas Minderheitsbeteiligungen reden Unternehmen wie Investoren freilich höchst ungern: das Geld. Nur in den wenigsten Fällen machen die Partner bekannt, wie viel der Investor für den Anteil an der Firma hingeblättert hat. Grundsätzlich gilt: Es gibt bei Minderheitsbeteiligungen einen Abschlag auf die Bewertung des Anteils. Je mehr Rechte der Investorhingegen etwa im Zusammenhang mit einer möglichen späteren Mehrheitsübernahme bekommt, desto mehr ist er bereit, für seinen Anteil zu bezahlen. Doch dann muss der Unternehmer damit rechnen, dass der Private-Equity-Manager plötzlich vom Rücksitz aus nach dem Lenkrad greift.
Bei Overlack funktioniert die Beziehung: Bislang hat sich die Partnerschaft für Unternehmer wie für Investor gelohnt. Wie geplant expandiert das Unternehmen nach Westeuropa, der letzte Zukauf war in Großbritannien. Den Umsatz konnte der Chemikalienhändler auf zuletzt 650 Millionen Euro steigern. Die Überzeugungsarbeit, die Overlack in der eigenen Familie für das Modell Minderheitsbeteiligung leisten musste, hat sich also bezahlt gemacht.
Das sollten Mittelständler bei der Suche nach Kapitalgebern beachten
Wann lohnt es sich? Bei starkem Wachstum, einer Krise oder wenn ein Gesellschafter abgelöst werden soll.
Welchen Vorteil hat das Ganze? Der Verkauf einer Minderheit bedeutet keinen Kontrollverlust über das Unternehmen. Zugleich kann damit deutlich mehr Kapital aufgenommen werden als mit einem Bankkredit oder Mezzanine-Finanzierung.
Wo ist der Haken? Manche Investoren wollen auch in der Minderheit viel (mit-)bestimmen.
Was ist der erste Schritt? Mit einem M&A-Berater sprechen - oder direkt Investoren einladen. Als minderheitserprobt gelten neben Hannover Finanz und VR Equitypartner etwa Afinum oder BWK.