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Recht und Steuern > Rechtstipp zum Arbeitszeitgesetz

Elektronische Arbeitszeiterfassung wird zur Pflicht

In Unternehmen mit über zehn Beschäftigten sollen die täglichen Arbeitszeiten künftig tagesaktuell elektronisch erfasst werden. Viele Betriebe werden ihre bisherigen Regeln zur Zeiterfassung überprüfen und anpassen müssen. Details zum Gesetzentwurf.

Tagesaktuelle, digitale Arbeitszeiterfassung soll bald für Unternehmen ab zehn Mitarbeiter zur Pflicht werden.
Tagesaktuelle, digitale Arbeitszeiterfassung soll bald für Unternehmen ab zehn Mitarbeiter zur Pflicht werden. ©Shutterstock

Nach dem Referentenentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium soll es für Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten zur Pflicht werden, Beginn, die Dauer und das Ende der täglichen Arbeitszeit am jeweiligen Tag elektronisch zu erfassen. Die Aufzeichnungen müssen zwei Jahre aufbewahrt und für Auskunftsverlangen von Behörden, Betriebsräten oder dem Arbeitnehmer bereitgehalten werden. 

Für die korrekte Handhabung ist und bleibt der Arbeitgeber verantwortlich, darf die Aufzeichnung aber wie bisher schon an die Beschäftigten oder an Dritte delegieren. „Es kann also auch der Arbeitnehmer selbst oder eine Führungskraft die Arbeitszeit elektronisch erfassen“, bestätigt der Arbeitsrechtler Bernd Pirpamer von der Kanzlei Eversheds Sutherland in München.

Erfasst werden soll grundsätzlich elektronisch, sprich über Zeitaufzeichnungsgeräte, Laptops, Mobiltelefone und entsprechende Apps, auch eine Exceltabelle dürfte aus Sicht von Arbeitsrechtlern weiterhin erlaubt sein. 

Werden die Arbeitszeiten nicht korrekt erfasst, aufbewahrt oder bereitgestellt, soll das als Ordnungswidrigkeit geahndet werden, allerdings ist keine Strafbarkeit vorgesehen.
 

Ausnahmen über Tarifverträge und für Kleinunternehmen

Der Referentenentwurf sieht zwei wesentliche Öffnungsklauseln vor. „Zum einen sollen Tarifverträge Form und Zeitpunkt der Aufzeichnung und sogar die Aufzeichnungspflicht an sich verändern können“, beschreibt Bernd Pirpamer. „Zum anderen gibt es Erleichterungen abhängig von der Unternehmensgröße.“

Für die Tarifvertrags- und Betriebsparteien sieht der Referentenentwurf Gestaltungsspielraum vor, was die Form, den Zeitpunkt oder sogar einen Ausschluss der Aufzeichnungspflicht betrifft. Anstelle der elektronischen Form soll eine händische Form auf Papier geregelt werden können. Anstelle der täglichen Aufzeichnungspflicht kann eine Verzögerung auf bis zu sieben Tage nach der Arbeitsleistung erfolgen. Am weitreichendsten ist die Möglichkeit die Aufzeichnungspflicht vollständig auszuschließen für diejenigen Mitarbeiter, bei denen die gesamte Arbeitszeit praktisch nicht gemessen und nicht im Voraus festgelegt werden kann oder wenn die Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten selbst festlegen können. „Ob und wie die Tarifvertragsparteien von dieser Klausel Gebrauch machen, bleibt abzuwarten“, meint Arbeitsrechtler Pirpamer. „Zu erwarten, dass dies sehr eingeschränkt erfolgt und nur gewisse Führungskräfte, Wissenschaftler oder Expertenfunktionen betreffen wird. An einem tarifvertraglichen Vertrauensarbeitszeitmodell dürfte bei den Gewerkschaften wohl auch ein teures Preisschild hängen.“

Wichtig in diesem Zusammenhang auch: Die Öffnungsklausel kann nur durch einen Verbandstarifvertrag oder einen Haustarifvertrag genutzt werden. Ohne die Tarifvertragsparteien bleibt diese Tür verschlossen. „Entweder ergeben sich zukünftig Flächentarifverträge, die die Form, den Zeitpunkt oder für bestimmte Mitarbeitergruppen sogar die Aufzeichnungspflicht ausschließen“, meint Bernd Pirpamer. „Oder die Unternehmen werden diese Themen direkt mit den Gewerkschaften über Haustarifverträge verhandeln. Ebenso denkbar ist, dass die Flächentarifverträge oder Haustarifverträge Öffnungsklauseln für Betriebsvereinbarungen zulassen.“ Ausgeschlossen scheine diese Öffnungsklausel für tarifungebundene Unternehmen ohne einen Betriebsrat zu sein. „Diese können einen dieser speziellen Tarifverträge nicht durch arbeitsvertragliche Bezugnahmeklauseln nutzen. Diese Möglichkeit ist bislang zumindest nicht erkennbar“, so der Arbeitsrechtler. 

Übergangsfristen vorgesehen

Abhängig von der Anzahl der Mitarbeiter sind Übergangsfristen vorgesehen. Für Unternehmen mit weniger als zehn Arbeitnehmern besteht grundsätzlich keine elektronische Aufzeichnungspflicht. Alle anderen erhalten nach dem Inkrafttreten des Gesetzes Zeit zur Umstellung auf die elektronische Zeiterfassung. Ein Jahr Zeit zur Umstellung sollen alle Unternehmen erhalten, Unternehmen mit weniger als 250 Arbeitnehmern zwei Jahre, Unternehmen mit weniger als 50 Arbeitnehmer fünf Jahren. „Die Ausnahmen nach Unternehmensgröße betreffen nur die Form der Aufzeichnung. Alle anderen Pflichten bleiben bestehen“, betont Bernd Pirpamer. Zwar würden viele Betriebe schon heute die Arbeitszeiten festhalten. „Bestehende Regelungen, beispielsweise entsprechende Betriebsvereinbarungen, werden aber zu überprüfen und im Zweifel anzupassen sein.“

Wie geht es weiter?

Ob der Referentenentwurf Gesetz wird, ist noch nicht ausgemacht. Er geht zunächst ins Bundeskabinett und muss dann das übliche Gesetzgebungsverfahren durchlaufen. Dass die elektronische Arbeitszeiterfassung kommt, ist jedoch sicher, denn der Gesetzgeber ist schon lange gefordert, entsprechende Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts und der EuGH-Rechtsprechung umzusetzen. 

Kritisch sehen Experten, dass der Referentenentwurf eben diese Vorgaben nochmals verschärft. Neben der Pflicht zur elektronischen Form sind nun Verstöße gegen die Vorgaben zur täglichen Erfassung, der Aufbewahrungsfrist und der Bereithaltung der Aufzeichnungen für Auskunftsansprüche auch mit einem Bußgeld bewährt. Zudem: „Für Unternehmen mit mehr als zehn Arbeitnehmern, die nicht tarifgebunden sind und keinen Betriebsrat haben, ist derzeit keine Abweichungsmöglichkeit ersichtlich“, kritisiert Bernd Pirpamer. Die bisherige Form einer echten Vertrauensarbeitszeit sei nur noch für bestimmte Arbeitnehmergruppen und mit einem Tarifvertrag möglich. „Ohne Tarifvertrag bleibt nur noch ein Vertrauensarbeitszeitmodell, bei dem die Arbeitszeit dennoch erfasst werden muss.“

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