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Recht und Steuern > EU-Richtlinie

Reparaturpflicht: Neue Anforderungen für Hersteller ab 2026

Ab 2026 müssen Hersteller in Deutschland laut "Recht auf Reparatur"- Richtlinie Produkte reparieren und Ersatzteile bereitstellen. MuM sprach mit der Rechtsexpertin Miriam Richter der Anwaltssozietät Bird & Bird.

Ein Computer-Prozessor Ersatz oder Reparatur. Die Hand eines Servicetechnikers hält eine CPU
Gesetzliche Reparaturpflicht: Herausforderungen und Potenziale für Unternehmen (Foto: Ruslan Rizvanov)

Wie wird die konkrete Gesetzesgestaltung in Deutschland aussehen?

Bei der sog. „Recht auf Reparatur“-Richtlinie handelt es sich um einen Rechtsakt der EU, der zunächst von den Mitgliedsstaaten der EU in nationales Recht umgesetzt wird. Denn anders als Verordnungen richten sich Richtlinien primär an die Mitgliedstaaten selbst. Bei der Umsetzung wiederum sind die Mitgliedsstaaten eng an die Vorgaben der Richtlinie gebunden. Die „Recht auf Reparatur“-Richtlinie sieht sogar vor, dass die Mitgliedsstaaten keine von der Richtlinie abweichenden nationalen Vorschriften beibehalten oder einführen dürfen. Spielraum verbleibt den Mitgliedsstaaten jedoch bei der Durchsetzung der Umsetzungsgesetze, einschließlich der Festsetzung voBußgeldern und etwa bei der Auswahl einer Maßnahme zur Förderung von Reparaturen.

Zudem darf man gespannt abwarten, wie sich die Richtlinie auf das von der Bundesumweltministerin Steffi Lemke geplante Vorhaben auswirken wird, noch in diesem Jahr einen Entwurf für ein eigenständiges deutsches Reparaturgesetz vorzulegen. Das Gesetz soll Hersteller verpflichten, Reparaturinformationen für Verbraucher, fachlich kompetente Reparateure und mindestens zehn Jahre lang Ersatzteile für Produkte bereitzustellen und diese innerhalb von 14 Tagen zu einem angemessenen Preis zur Verfügung stellen. Aus Sicht der Unternehmen in Deutschland wäre zu hoffen, dass dieses Vorhaben nicht weiterverfolgt wird. Denn ein Alleingang würde, ähnlich wie beim deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, zu einer Mehrbelastung deutscher Unternehmen führen – jedenfalls bis die „Recht auf Reparatur“-Richtlinie umgesetzt und angewendet wird.

 

Wann werden die Vorschriften der „Recht auf Reparatur“-Richtlinie Anwendung finden?

Das Gesetz verpflichtet die Mitgliedsstaaten, die „Recht auf Reparatur“-Richtlinie bis zum 31. Juli 2026 in nationales Recht umzusetzen. Ab dann sind die in den nationalen Gesetzen umgesetzten Vorschriften der „Recht auf Reparatur“-Richtlinie verbindlich anzuwenden.
 
Welche genauen Rechte/Pflichten – aber auch vielleicht Chancen – ergeben sich durch das neue Gesetz?

Zum einen, und das bildet den Kern der Richtlinie, werden Hersteller verpflichtet, auf Verlangen eines Verbrauchers ihre Produkte außerhalb der Gewährleistungsfrist zu reparieren. Dies gilt aber nur für bestimmte Produktgruppen. Die Reparatur soll kostenlos oder zu einem angemessenen Preis und innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolgen. Diese Pflicht kann auch nicht durch vertragliche Vereinbarungen ausgeschlossen werden. Zudem müssen Hersteller Ersatzteile und Werkzeuge zu einem Preis bereithalten, „der nicht von der Reparatur abschreckt“, um es mit den Worten der Richtlinie auszudrücken. Verbraucher müssen künftig auf der Homepage der Hersteller über die für die typische Reparatur von Waren anfallenden Richtpreise klar und verständlich informiert werden.
 
Zum anderen soll die Gewährleistungsfrist verlängert werden, wenn der Verbraucher im Rahmen der Nacherfüllung die Nachbesserung wählt. Damit soll für den Verbraucher ein Anreiz geschaffen werden, ein Produkt reparieren zu lassen. Die Pflicht zur Nachbesserung betrifft hier die Verkäufer, was bei einem Direktvertrieb auch der Hersteller sein kann.
 
Chancen ergeben sich für Hersteller durch die Möglichkeit, ihr Qualitätsbewusstsein zu unterstreichen und Produkte mit langer Lebensdauer anzubieten. Hersteller, deren Produkte besonders hochwertig, beziehungsweise reparaturarm, sind oder die freiwillige Garantien anbieten, könnten von den neuen Regelungen auf jeden Fall profitieren.
 

 

Worauf müssen Unternehmen in Bezug auf das Gesetz jetzt achten, wie können sie sich jetzt schon vorbereiten?

Unternehmen sollten zunächst prüfen, ob ihre Produkte von den neuen Vorschriften betroffen sind. Denn das Herzstück der „Recht auf Reparatur“-Richtlinie, das Recht des Verbrauchers auf Reparatur seines Produktes außerhalb der Gewährleistungsfrist, ist auf ganz bestimmte Produkte beschränkt. Bei den betroffenen Produkten handelt es sich aktuell insbesondere um

  • Haushaltsgroßgeräte,
  • elektronische Displays,
  • Schweißgeräte,
  • Datenspeicher,
  • Mobiltelefone und
  • Waren, die Batterien für leichte Verkehrsmittel enthalten, etwa E-Bikes.

Darüber hinaus sollten Hersteller die Entwicklungen hinsichtlich der Europäischen Ökodesign-Verordnung im Auge behalten. Hier ist in Zukunft ist mit der Verabschiedung von weiteren EU-Rechtsakten zu rechnen, die Anforderungen an die Reparierbarkeit für verschiedene Produktgruppen festlegen werden. Dies wird zu einer Erweiterung des Anwendungsbereichs der „Recht auf Reparatur“-Richtlinie führen.
 
Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit den Anforderungen der Richtlinie und das Aufsetzen entsprechender Prozesse sind essenziell. Hersteller müssen sicherstellen, dass sie über einen längeren Zeitraum Ersatzteile bereitstellen können und deshalb entsprechende Vereinbarungen mit Zulieferern überprüfen. Strategisch sollten Unternehmen sich mit der Entscheidung auseinandersetzen, ob die Reparatur intern oder durch Partnerbetriebe durchgeführt werden soll.
 
Diese Vorbereitungen sollten übrigens nicht nur diejenigen Hersteller treffen, die bereits jetzt vom Anwendungsbereich der Richtlinie betroffen sind. Denn die Richtlinie betrifft potentiell alle Hersteller bzw. Verkäufer, sodass zukünftig insgesamt vermehrt mit Reparaturen zu rechnen sein dürfte.

Wie bewertet eine Juristin diese Entwicklung? Bringt das Gesetz wirklich etwas und wie realistisch ist die Umsetzung?

Als Juristin sage ich… es kommt drauf an!
Aus Verbraucherperspektive würde ich die Entwicklung grundsätzlich positiv bewerten, da sie das Potenzial hat, Nachhaltigkeit zu fördern und Verbraucherrechte zu stärken. Die Effektivität der Richtlinie hängt jedoch entscheidend von der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe wie "angemessene Reparatur in angemessener Zeit" ab.
 
Aus Herstellerperspektive bedeutet das Gesetz hohen finanziellen und organisatorischen Aufwand, was Forschung und Innovation beeinträchtigen könnte. Dies dürfte auch dann gelten, wenn die EU-Kommission – wie in der Richtlinie angedacht – ggf. Leitlinien erlässt, um kleine und mittlere Unternehmen bei der Einhaltung der Anforderungen und Verpflichtungen zu unterstützen. Ein Fallstrick der neuen Richtlinie ist zudem: Ein längerer Produktlebenszyklus führt nicht zwangsläufig zu einer ökologischen Verbesserung, da neue Produkte oft energieeffizienter sind und eine bessere Umweltbilanz aufweisen können. Zur Müllvermeidung wird das Gesetz sicherlich beitragen, der genaue ökologische Nutzen wird sich in Summe aber gegebenenfalls nur schwer messen lassen.

 

Miriam Richter, herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte David Harnasch
 

 

Über Bird & Bird

Bird & Bird ist eine international führende Anwaltssozietät mit über 1.400 Anwältinnen und Anwälten in 32 Büros in 22 Ländern in Europa, Afrika, dem Nahen Osten, dem Asien-Pazifik Raum und Nordamerika. In Deutschland sind wir mit mehr als 250 Anwältinnen und Anwälten in Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München vertreten. Wir fokussieren unsere Beratung insbesondere auf Industriesektoren, die neue Technologien entwickeln und die Digitalisierung mitgestalten. Unsere Anwältinnen und Anwälte decken die gesamte Bandbreite des Wirtschafts- und Unternehmensrechts ab, insbesondere in Bereichen, in denen Technologie, Daten, Regulierung und gewerblicher Rechtsschutz eine besondere Rolle spielen. Mehr über uns erfahren Sie unter 

www.twobirds.com.

 

 

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