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Finanzierung > Interview mit Torsten Lucas

Rettung im Cluster

Viele Mittelständler suchen Nachfolger, doch die fehlen. Beteiligungsspezialist Torsten Lucas setzt auf ein besonderes Konzept. Zentrale Aufgaben werden gebündelt.

Torsten Lucas
Torsten Lucas hat langjährige Erfahrung als ­Strategie­­berater für Vermögensanlagen. Er ist persönlich haftender Gesellschafter von ­Realkapital Mittelstand. Die Beteiligungsgesellschaft will den regionalen Mittelstand erhalten. Die Braunschweiger Unternehmensgruppe hat in den vergangenen sechs Jahren 13 Firmen übernommen. © Kruszewsk

Das Gespräch führte Thorsten Giersch.

Wie beurteilen Sie die Situation rund um die Nachfolge in Familienunternehmen?

Falls wir nicht gegensteuern, wird der Mittelstand in der jetzigen Form in 15 Jahren nicht mehr existieren. Wenn wir uns nicht um die Nachfolge als Hauptproblem Nummer 1 kümmern, werden bis dahin ausländische Investoren das Rückgrat der deutschen Wirtschaft übernommen haben. Dann dominieren Konzerne und Ketten – wie heute schon viele Geschäfte in den Innenstädten.

Warum drängt das Thema Nachfolge stärker denn je?

Es gibt bei den Unternehmern einen großen Abgabedruck und die Zahl derjenigen, die nachfolgen können, ist übersichtlich. Viele, die unternehmerische Verantwortung übernehmen könnten, winken ab. Die Lücke zwischen Nachfrage nach und Angebot an Nachfolgern wird immer größer. Man kann absehen, dass wir einen Großteil des Mittelstands verlieren werden, wenn wir nicht kurz­fristig Lösungen schaffen.

Welcher Typus von den Betrieben ist besonders betroffen?

Wir konzentrieren uns auf ein Segment, das in der Regel überall durchs Raster fällt: der inhabergeführte Mittelstand mit Firmengrößen von einer bis zehn Millionen Euro Umsatz. Diese Unternehmen sind typischerweise zu groß für einen internen Nachfolger, aber zu klein für die institutionellen Beteiligungsgesellschaften.

Woran mangelt es den Firmen?

Der erste Schritt ist die Erkenntnis, dass es zu spät sein kann, wenn der Eigentümer zu lange untätig bleibt. Wer wartet, bis das Alter den Wechsel zwingend notwendig macht, hat oft in dem Moment keinen Nachfolger parat stehen. Ohne Vorbereitung spielt er oder sie mit der Existenz des Unternehmens. Wir sehen aber immer häufiger, dass bereits Eigentümer mit Ende 50 sich zu dem Schritt entscheiden, weil sie eben sagen: Ich möchte gar nicht in diesen Druck geraten.

Nachfolgerinnen oder Nachfolger werden seltener. Auch wegen der Bürokratie.

Wer 50 Prozent seiner Zeit neue Verordnungen lesen muss, anstatt das Geschäft zu gestalten, verliert die Lust. Bürokratie, Komplexität, Fragilität der Märkte – das sind Themen, die junge Leute davor zurückschrecken lassen, eine Firma weiterzuführen. Der typische Mittelstand mit 20 bis 100 Mitarbeitern wird oft von einem Einzelkämpfer geleitet, der Vertrieb macht, Technik, Mitarbeiterführung, Bankenkommunikation und so weiter. Wer hier nachfolgen will, muss nicht nur Geld mitbringen.

Sondern?

Er oder sie muss konzeptionell eine Lösung finden, wie das alles zu regeln ist in Zeiten, wo administrativer und strategischer Aufwand kräftig steigen. Uns ist deshalb sehr wichtig, dass wir nicht nur eine Beteiligungsgesellschaft sind, die Geld gibt und einmal pro Jahr zum Kassieren der Dividende vorbeischaut.

Was bringen Sie ein?

Die entscheidende Frage ist: Wir schaffen wir es, einen neuen Mittelstand zu schaffen, der gemeinschaftlich getragen ist? Der Ressourcen in der Gruppe nutzt. In der Landwirtschaft gibt es das seit Jahrhunderten im Rahmen von Maschinenringen: Nicht jeder braucht einen eigenen Mähdrescher, sondern es reicht, wenn ich einen mit meinem Nachbarn zusammen kaufe. Diesem Konzept folgend bündeln wir Buchhaltung, Controlling, Marketing und andere, um sie zu professionalisieren. Eine Firma mit 30 Mitarbeitern hat keine Recruiterin und ist mittlerweile mit den sich verändernden Marktbedingungen überfordert.

Die Idee ist, Nachfolger zu begeistern, weil regionale Cluster viel Organisation übernehmen?

Genau. Das folgt der Überzeugung, dass diese inhabergeprägten Unternehmen von ihren Strukturen her Defizite haben gegenüber Konzernen. Wenn es nicht gelingt, diese Kompetenzlücken zu schließen, dann ist die Wettbewerbsfähigkeit dieser kleineren Unternehmen gefährdet. Das funktioniert nur in der Region. Wenn das eine Unternehmen in Hamburg sitzt und das andere in München, dann wird es schwer, auf gemeinsame Personalressourcen zurückzugreifen und sich gegenseitig auszuhelfen.

Wie funktioniert das im Detail, wenn sie so ein regionales Cluster bilden?

Wir sind in die Breite gegangen und wollen nicht an einer Branche hängen. Wir haben Unternehmen aus der Industrie genauso dabei wie solche aus dem Handwerk und dem Handel. Natürlich ist es möglich, sich auch über verschiedene Branchen hinweg auszuhelfen. Wir haben beispielsweise drei Unternehmen im Metallbereich. Wenn in dem einen Unternehmen der Fräser krank wird, dann kann jemand aus dem anderen Unternehmen einspringen. Folglich muss ich nicht auf Reserve Mitarbeiter einstellen für Urlaub oder Krankheitsausfälle.

Nun ist es erfahrungsgemäß nicht leicht, regionale Wettbewerber zur Zusammenarbeit zu bewegen. Warum machen die mit?

Wenn die Vision stark genug ist – und der verbindende Gedanke. Wir betreuen zwei Fahrradhändler in einer Region, aber die sind immer noch weit genug auseinander, sodass sie nicht um dieselben Kunden konkurrieren. Wir versuchen gleich am Anfang herauszufiltern, ob der Eigentümer oder die Eigentümerin in unser Modell passt. Denn es ist sicher nicht für jeden das geeignete System. Wenn jemand Einzelkämpfer ist und auch bleiben möchte, dann kann er es gerne tun.

Wie haben Sie Investoren überzeugt, Ihnen für Ihre Projekte Geld zu geben?

Das Charmante ist, dass wir uns in einem Segment befinden, wo ein sehr großer Abgabedruck herrscht. Das Angebot an zur Nachfolge stehenden Unternehmen und die Nachfrage klaffen nun einmal weit auseinander. Typischerweise investieren wir das vier- bis sechsfache des Vorsteuerergebnisses und haben von daher eine sehr attraktive Renditeperspektive. Wir gehen von einem Return on Investment auf unser eingesetztes Kapital von 20 Prozent aus. Bei uns sind ungefähr 70 Aktionäre beteiligt, von der Bank über die Bürgerstiftung bis zu Privatinvestoren, also auch viele aktive und ehemalige Unternehmer. Die meisten haben nicht nur wegen der sich abzeichnenden Rendite bei uns investiert, sondern weil sie daran interessiert sind, Geld in die Region zu stecken. Diese Verbindung von Impact und Rendite überzeugt.

 

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