Selbstständig und steuerpflichtig: Was Gründer über die Steuerregeln wissen müssen
| Midia Nuri
Selbstständig? Dann kennen Sie besser die Steuerregeln. Wer Umsatzsteuer & Co. ignoriert, riskiert Nachzahlungen, Prüfungen – und hohe Kosten.
Umsatz, Einkommen, Ertrag: Der Staat kassiert mit und prüft oft nach. Die Regeln halten viele Tücken bereit. Was Selbstständige über ihre Besteuerung wissen sollten.
Von Midia Nuri
Wer ein Unternehmen gründet, denkt meist an Produkt, Leistung, Absatzchancen und weniger an Steuern. Doch das Unternehmerdasein stellt steuerlich weitaus höhere Anforderungen als eine Festanstellung. Manches Wahlrecht sollte beachtet werden. Und dann sind da einige Tücken bei grundlegenden Dingen. Wer sie nicht kennt, zahlt später womöglich teuer drauf. Das gilt auch für Selbstständige im Nebenberuf.
Zunächst einmal müssen Selbstständige und Freiberufler – Ärztinnen, Steuerberater, Anwältinnen, Journalisten etwa – einen Erfassungsbogen beim Finanzamt ausfüllen. Das geht über das Portal Elster.de (Elektronische Steuererklärung). Er ist nötig, um eine Steuernummer zu bekommen. Die reicht zwar grundsätzlich, ist aber auch eine Art Quasi-Pin-Nummer im Umgang mit dem Finanzamt. Deshalb sollten Gründer am besten gleich – oder später beim Bundeszentralamt für Steuern – auch die Umsatzsteuer-ID beantragen.
Umsatzsteuer
Kleinunternehmen können nach Paragraf 19 Umsatzsteuergesetz (UStG) unter Umständen von Umsatzsteuer befreit werden. Darunter fallen alle Selbstständigen, Gewerbetreibende ebenso wie Freiberufler. Die Ausnahmeregelung kann sich vor allem für Selbstständige mit überwiegend Privatkunden lohnen. Sie müssen keine Umsatzsteuer ausweisen und abführen. Auf den Ausgangsrechnungen muss dann darauf hingewiesen werden, dass man die Kleinunternehmerregelung nutzt und nicht umsatzsteuerpflichtig ist. Vorteil: Ohne Umsatzsteuer sieht die Rechnung niedriger aus. Nachteil: Kaufen Kleinunternehmer etwas, einen Computer etwa, können sie die dafür gezahlte Umsatzsteuer nicht mit der selbst eingenommenen verrechnen.
Kleinunternehmer ist, wer im vorangegangenen Kalenderjahr einen Netto-Gesamtumsatz von nicht mehr als 25.000 Euro hat und im laufenden Kalenderjahr nicht mehr als 100.000 Euro umsetzt. Übersteigt der Umsatz den Wert, gilt während des gesamten Jahres Regelbesteuerung. Für die bis zum Übergang erzielten Umsätze bleibt es seit 2025 bei der Steuerbefreiung, darüber wird der Regelsteuersatz fällig. Üblich sind 19 Prozent, bei Journalisten zum Beispiel sieben Prozent, bei Landwirten 7,8 Prozent. Kleinunternehmer müssen also ab der Höchstgrenze anfangen, Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen Und Umsatzsteuer-Voranmeldungen abzugeben.
Seit 2025 können Selbstständige sich auch für ihre Umsätze im EU-Ausland beim Bundeszentralamt für Steuern für die EU-Kleinunternehmerregelung registrieren, sofern der Gesamtumsatz im EU-Ausland im Vorjahr und im aktuellen Jahr jeweils nicht mehr als 100.000 Euro netto beträgt. Das Amt erteilt dann eine Kleinunternehmer-Identifikationsnummer. Wichtig: Wer die EU-Kleinunternehmer-Regelung in Anspruch nimmt, muss quartalsweise die Umsatzsteuer-Voranmeldung abgeben.
Wurde bisher die Umsatzsteuer von Kleinunternehmern nach dem Gesetzeswortlaut „nicht erhoben“, sind sie seit 2025 ausdrücklich von der Umsatzsteuer befreit. Klingt spitzfindig – und ändert für Kleinunternehmer auch praktisch nichts. Von der Umsatzsteuer sind betragsunabhängig nicht nur Kleinunternehmer befreit, sondern auch Berufsgruppen vor allem aus dem medizinischen Bereich. Regulär sind Selbstständige sonst umsatzsteuerpflichtig.
Manche Berufs- oder Warengruppen werden ermäßigt umsatzbesteuert – also statt mit regulär 19 Prozent, mit meist sieben Prozent Umsatzsteuersatz. Das gilt grob gesprochen für Sport, Medien und Kultur, also beispielsweise Journalisten und Zeitungen oder Bücher, aber auch Lebensmittel und Mahlzeiten zum Mitnehmen.
Die Umsatzsteuer bietet zahlreiche Kuriositäten: So fallen auf Hörgeräte sieben und auf Brillen 19 Prozent Umsatzsteuer an. Beim Kaffee zum Mitnehmen kommt es auf den Milchanteil an: Kaffee schwarz oder mit kleinem Schuss Milch wird mit 19 Prozent besteuert, für Kaffee mit viel Milch sind es sieben Prozent, bei Kaffee mit Milchersatz – egal, ob Hafer-, Soja- oder Mandelmilch – wiederum 19 Prozent. Auf Pferde aller Art fallen sieben Prozent Mehrwertsteuer an, auf Esel 19 Prozent. Bei Maultieren, der Kreuzung aus Pferd und Esel, sind es sieben Prozent. Die Liste ist lang und wenig verständlich. Wichtig: Umsatzsteuerpflichtige Selbstständige sollten den korrekten Umsatzsteuersatz für ihr Angebot und auch größere Einkäufe penibel abklären.
Wer nicht aufpasst, muss womöglich Umsatzsteuer auf die erste selbst ausgestellte Rechnung an das Finanzamt zahlen, bevor der Kunde überhaupt die Rechnung beglichen hat. Das liegt am gesetzlich vorgesehenen Regelfall für die Umsatzsteuer, der Soll-Versteuerung. Danach ist die Umsatzsteuervoranmeldung in dem Monat oder Quartal fällig, in dem das Unternehmen die Rechnung ausstellt. Dem können Selbstständige durch einen Antrag auf Ist-Besteuerung entgehen, also dann, wenn eine Rechnung bezahlt ist. Möglich ist das für Freiberufler oder Unternehmen mit bis zu 600.000 Euro Gesamtumsatz im Vorjahr.
Gewerbesteuer
Selbstständige zahlen neben der Umsatzsteuer auch Einkommensteuer. Das Äquivalent dazu für Kapitalgesellschaften, Vereine und Genossenschaften ist die Körperschaftsteuer. Und dann ist da noch die Gewerbesteuer, die ebenfalls Überraschungen bereithält. Unternehmer führen sie an die Kommune ihres Gewerbesitzes ab. Die Gewerbesteuerpflicht gilt unabhängig von der Rechtsform. Nur Freiberufler sind grundsätzlich ausgenommen. Gewerbesteuer wird für Einkünfte über dem Gewerbesteuerfreibetrag von 24.500 Euro fällig – der für natürliche Personen und Personengesellschaften gilt, nicht für Kapitalgesellschaften. Die Gewerbesteuererklärung ist über Elster möglich, aber es gelten andere Fristen für Erklärung und Gewerbesteuervoranmeldungen.
Die Gewinnermittlung funktioniert zunächst ähnlich wie bei jeder anderen Steuerart. Unternehmer oder Steuerberater ermitteln einen Gewerbeertrag. 3,5 Prozent vom Ertrag bilden laut Gewerbesteuergesetz den sogenannten Gewerbesteuermessbetrag. Der wird mit dem von der jeweiligen Kommune in Deutschland für die Gewerbesteuer festgelegten Hebesatz multipliziert. Doch dass Unternehmer Betriebsausgaben steuermindernd ansetzen können, gilt bei der Gewerbesteuer nicht uneingeschränkt. Das Zauberwort lautet „gewerbesteuerliche Hinzurechnungen“. Damit müssen sie für die Gewerbesteuererklärung rechnerisch einige zuvor zur Berechnung der Körperschaftsteuer oder Einkommensteuer abgezogene Betriebsausgaben wieder aufschlagen, unter anderem Zinsaufwendungen, Pensionsverpflichtungen, Gewinnanteile stiller Gesellschafter sowie beispielsweise auch Miet- und Pachtzinsen.
Dass per Hinzurechnung in Deutschland bei der Gewerbesteuer eigentlich abzugsfähige Ausgaben besteuert werden, sorgt schon länger für Ärger, beispielsweise mit Blick auf Miet- und Pachtzahlungen eines Hotelbetreibers. Der Bundesfinanzhof hielt 2018 eine Vorlage beim obersten Gericht nicht für nötig – so bleibt es bei der Hinzurechnung. Immerhin gilt sie nur voll, wenn ein Freibetrag von 200.000 Euro überschritten wird – darunter anteilig.
Die Gewerbesteuerpflicht kann auch abfärben und so auch an sich nicht steuerpflichtige Freiberufler betreffen. Infektionsgefahr droht, wenn Freiberufler neben ihrer Kerntätigkeit zu hohe gewerbliche Umsätze haben. Kommen mehr als drei Prozent gewerbliche Umsätze vom Gesamtumsatz oder mehr als 24.500 Euro herein, färbt die Gewerbesteuer auf alle Einnahmen ab, wie der Bundesfinanzhof (BFH) in mehreren Fällen urteilte. Gewerbesteuerpflicht kann auch Ärzte treffen, die nur in geringem Umfang Patienten beraten und behandeln, weil sie mehr mit Führungsaufgaben betraut sind. Steuerlich heikel kann auch sein, Berufskollegen in Praxis, Kanzlei oder Büro anzustellen, wenn diese nicht eigenverantwortlich tätig sind, wie der BFH höchstrichterlich urteilte.
Wer mehrere unternehmerische Standbeine hat – beispielsweise Kiosk oder Schreibwarengeschäft mit Paketshop –, kann rechtlich voneinander unabhängige Einheiten schaffen – und so den Gewerbesteuerfreibetrag mehrmals nutzen. Saubere Gestaltung vorausgesetzt, können Unternehmer so legal weniger Gewerbesteuer zahlen. Gerade für kleinere Unternehmen ist das keine einfache Lösung. Und sie fordert Nachfragen des Finanzamts heraus.
Betriebsprüfung
Solche Nachfragen sind immer ungünstig. Und wird häufig nachgefragt, ist das ein Anzeichen für eine Betriebsprüfung. Auch der im Bescheid enthaltene Satz „Der Bescheid ist nach Paragraf 164 AO vorläufig“ deutet darauf hin. Eine reguläre Außenprüfung kündigt das Finanzamt in der Regel mit mindestens vier Wochen Vorlauf an. Unternehmer können etwa wegen hoher Auftragslast oder Krankenstand Verschiebung beantragen. Manchmal kommt der Betriebsprüfer aber auch zum Überraschungsbesuch: zu einer Umsatzsteuer-, Lohnsteuer- oder Kassennachschau. Diese Art Betriebsprüfungen beschränken sich auf bestimmte Sachverhalte und können in eine reguläre Außenprüfung übergehen.
Am besten sind Selbstständige gewappnet, indem sie Geschäftsvorfälle zeitnah erfassen und Bücher wie Kasse vorbildlich führen. Hinweise für den Fall einer Nachschau, am besten mit einem USB-Stick für die Herausgabe elektronischer Daten und Telefonnummer von Chef und Steuerberater, sollten auch für Aushilfen immer zur Hand sein. Der Prüfer bekommt im Idealfall einen eigenen Raum mit Arbeitsplatz und allen erbetenen Unterlagen. Der Chef oder ein eigens abgestellter Mitarbeiter sollte bei einer Betriebsprüfung stets unmittelbar ansprechbar sein.
Seit einigen Jahren setzen Betriebsprüfer routinemäßig die 2002 eingeführte Prüfsoftware Idea ein. Damit werten sie große Datenmengen blitzschnell nach ihren Wünschen und Vorstellungen aus. Unstimmigkeiten oder Fehler sowie fehlende Ausgangsrechnungen fallen so schnell auf.
Betriebsausgaben
Existenzgründer können vorgezogene Betriebsausgaben geltend machen, die sich auf die Planung und Organisation der Gründung oder auf den konkreten Beginn der Geschäftstätigkeit beziehen, außerdem Betriebsausgaben, die für Ihren Betrieb auch nach der Betriebseröffnung erforderlich sind. Vorweggenommene Betriebsausgaben sind selbst dann steuerlich ansetzbar, wenn die geplante Betriebsgründung nicht stattfindet und können mit Einnahmen aus anderen Einkunftsarten verrechnet werden. Allerdings erkennt das Finanzamt die Betriebsausgaben nur an, wenn es eine ernsthafte Gründungsabsicht auf Nachfrage belegt bekommt. Selbstständige müssen auch gegebenenfalls erläutern, warum sie Gegenstände für Ihre spätere Geschäftstätigkeit benötigen.
Auch nach der Gründung kann Planung die Steuerlast mindern: dank des Investitionsabzugsbetrags aus Paragraf 7g Einkommensteuergesetz (EStG). Den können Unternehmer drei Jahre vor Kauf oder Bau eines neuen oder gebrauchten beweglichen Wirtschaftsgutes geltend machen – in Höhe von 50 Prozent der geplanten Anschaffungssumme geltend machen und bis 200.000 Euro insgesamt. Bleibt die Investition aus, muss der Betrag rückwirkend aufgelöst werden. Die Unternehmer bekommen einen neuen Steuerbescheid für das jeweilige Jahr. Eventuell müssen Steuern nachgezahlt werden, gegebenenfalls mit Zinsen. Natürlich können Unternehmer nicht benötigte Investitionsabzugsbeträge auch vor Ablauf der Höchstdauer auflösen. Nur ein aktiver inländischer Betrieb kann einen Investitionsabzugsbetrag bilden – auch in der Startphase, wie das Bundesfinanzministerium mit Verweis auf ein BFH-Urteil klarstellte (Az.: VIII R 126/86). Auch Sonderabschreibungen bis 40 Prozent können Unternehmer ansetzen.
Für die reguläre Abschreibung von Wirtschaftsgütern inklusive Gebäude können Unternehmer die anzusetzende Laufzeit den AfA-Tabellen (Absetzung für Abnutzung) beim Bundesfinanzministerium entnehmen. Geringwertige Wirtschaftsgüter können Unternehmer im Anschaffungsjahr voll gewinnmindernd ansetzen. Das gilt für abnutzbare, bewegliche und selbstständig nutzbare Wirtschaftsgüter mit einem Wert bis zu 800 Euro netto.
Altersübergang
Selbstständige, die als Nachfolger in einer Praxis oder Kanzlei den Vorgänger mit Altersteilzeitmodell beschäftigen, klären oft penibel alle steuerlichen Finessen und übersehen, dass sie für den angestellten Arzt im Ruhestand unerwartet viel Sozialversicherung zahlen müssen. Denn nur der Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung fällt weg. Der neue Praxisinhaber muss den Arbeitgeberanteil zahlen – auch wenn Arbeitnehmer versicherungsfrei in der gesetzlichen Rentenversicherung sind. Ist der angestellte Arzt oder Zahnarzt nicht Altersrentner, muss der Arbeitgeber den Rentenversicherungsbeitrag an die gesetzliche Rentenversicherung zahlen – nicht an das Versorgungswerk.
Mutige Selbstständige
Dieser Artikel stammt aus unser Juli-Ausgabe 2025, in den denen wir mutigen Selbstständigen ein Spezial gewidmet haben, den: 3,6 Millionen Kleinstunternehmerinnen und Unternehmern. Es gibt – leider keine guten – Gründe, warum diese Gruppe in der breiten Medienlandschaft kaum besprochen wird. Und warum sie kaum Lobby in der großen Politik hat.
Hier finden Sie die weiteren Artikel dazu:
- imdo-Gründer Matthias Henze: Warum Selbstständigkeit Menschen gut täte
- Joko Winterscheidt - einer von 3,6 Millionen, die Deutschland zusammenhalten
- Selbstständig und steuerpflichtig: Was Gründer über die Steuerregeln wissen müssen
- Franchising in Deutschland: Chancen für Gründer, Konzepte für Regionen