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StaRUG Risikomanagement: Mittelständler gefährden ihre Existenz - Kontrollen sind Pflicht

Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) fordert von Unternehmern ein proaktives Risikomanagement. Erfahren Sie, wie Sie Haftungsrisiken vermeiden können.

Zusammenstürzender Turm aus Bausteinen an einem Schreibtisch
Wackelige Konstruktion: Manch Leuchtturmprojekt erweist sich letztlich doch als akut einsturzgefährdet. (Foto: shutterstock)

Kontrolle, Kontrolle, Kontrolle

Unternehmer sind Unternehmer, weil sie unternehmen – und nicht unterlassen. Wie oft denken oder sagen gestandene Mittelständler diese Worte? Doch Unternehmer sind auch nur Menschen – und damit auch Meister im Verdrängen ihrer Schwachstellen. So unterlassen viele für sie wichtige Sicherheitsvorkehrungen. Das bemängelt Josef Scherer, Jura-Professor für Risiko- und Krisenmanagement an der Hochschule Deggendorf in Niederbayern und Rechtsanwalt für Wirtschaftsrecht in Regensburg.

„Gute Unternehmer kennen ihre Schwachstellen, verdrängen sie aber manchmal und gehen Probleme nicht proaktiv an“, sagt er. Wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, verlassen erfahrene Unternehmer oft ihre eingefahrenen Muster nicht. Dass das ein Problem ist, weiß der ehemalige Insolvenzverwalter nur zu gut.

Gerade wenn Mittelständler beispielsweise schnell wachsen, hinkt die interne Organisationsstruktur oft hinterher. Das ist ein Risiko. Doch auf den Hinweis, dass sie stringente Instrumente wie etwa eine Projektkalkulation oder andere Methoden des Risikomanagements einsetzen müssen, reagieren Unternehmer Scherers Erfahrung nach häufig beratungsresistent. 

Vorschrift: Krisenfrüherkennung und -management

Seit 2021 bietet das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) nicht nur gesunden Unternehmen mit hoher Schuldenlast eine vergleichsweise einfache Sanierungsmöglichkeit außerhalb der Insolvenz an und ist damit aus Sicht vieler auch ein Segen in Zeiten zahlreicher wirtschaftlicher und politischer Krisen sowie steigender Insolvenzzahlen.

Daneben hat das StaRUG auch noch einen Paragrafen 1, den Unternehmer bislang vielfach ignorieren – oder zumindest unterschätzen. Dieser schreibt Geschäftsführern haftungsbeschränkter Gesellschaften Krisenfrüherkennung und -management vor. Ein Risikomanagement war den meisten Mittelständlern schon vorher vorgeschrieben. Aber das StaRUG erhöht die Anforderungen deutlich. Auch das Risiko, für Versäumnisse haften zu müssen, ist gestiegen. 

„Der Zeithorizont für dieses mit dem Starug für alle verpflichtende Risikomanagement entspricht mit wenigstens zwei Jahren dem Prognosezeitraum für die drohende Zahlungsunfähigkeit als Voraussetzung für ein Recht auf Insolvenzantragstellung“, sagt Martin Heidrich, Partner der Kanzlei Taylor Wessing Deutschland und Experte für Restrukturierung und Insolvenzrecht. Das Unternehmen muss mit aussagekräftigen und vor allem auch fortlaufenden Kennzahlen arbeiten, die Aufschluss über die jeweils branchentypisch durchaus unterschiedlichen, aber für das Unternehmen relevanten Risikofaktoren geben. „Und sie müssen hierfür Schwellenwerte festlegen, über deren Eintreten das Aufsichtsgremium informiert werden muss“, sagt Hans Haarmeyer, Vorstand des Deutschen Instituts für angewandtes Insolvenzrecht und darauf spezialisierter Rechtsanwalt.

Studie Risikomanagement im deutschen Mittelstand

Einerseits ist Risikomanagement im Mittelstand heute gelebte Unternehmenspraxis in Deutschland, wie eine Studie von Funk RMCE, Rödl & Partner sowie Weissman & Cie. über Risikomanagement im deutschen Mittelstand ergibt. Befragt wurden Unternehmer aus 14 Branchen, 51 Prozent davon inhabergeführt. Andererseits haben viele mittelständische Unternehmen beim Risikomanagement noch erheblichen Aufholbedarf. Es zeigen sich Mängel. „Risikomanagement wird in der Praxis oft ,mitgemacht‘, weil es gemacht werden muss“, heißt es in der Studie. „Dem Anspruch, ein Unternehmensführungsinstrument zu sein, wird Risikomanagement damit nicht gerecht.“  

Die Mehrheit der Befragten (90 Prozent) befürchtet Risiken aus dem direkten Wettbewerbs- und Marktumfeld. 88 Prozent der Unternehmen betrachten das Risiko, die Wertschöpfungs-, Liefer- und Logistikkette könnte unterbrochen werden, als bestandsgefährdend. An dritter Stelle wurden Reputations- und Imagerisiken als wichtige Risiken genannt (87 Prozent). Außerdem hielten die Befragten IT-Ausfallrisiken, Risiken aus konjunkturellen Schwankungen sowie Rohstoffpreisschwankungen für bedeutsam. Außerdem Risiken aus Produkthaftung, regulatorische Risiken, Liquiditätsrisiko sowie Personalmarktrisiken. 

Erst auf Rang 11 der wichtigsten Risiken sehen Unternehmer Risiken aus Compliance-Verstößen. „Das ist mit Blick auf das StaRUG die große Schwachstelle“, sagt Scherer. Dass Paragraf 1 des Gesetzes ausschließlich in Krisenzeiten relevant sei, sei ein Missverständnis. Das wiederum führe dazu, dass wichtige Managementpflichten in Form gesetzlicher Compliance-Vorgaben negiert würden, erklärt Scherer.

Und das bringe Geschäftsführer leicht in haftungsrechtlich riskantes Fahrwasser. Paragraf 1 StarRUG mit der Pflicht zum Risikomanagement gelte immer, sagt der Anwalt. „Die an alle Kapitalgesellschaften gerichteten Anforderungen aus Paragraf 1 StaRUG gehen über die vormaligen Anforderungen nach Paragraf 91 Abs. 2 Kontroll- und Transparenzgesetz erheblich hinaus“, hält Anwalt Haarmeyer fest. 

Das StaRUG verlange, Risiko kontinuierlich und proaktiv zu überwachen und zu bewältigen, unabhängig von der Größe und vom aktuellen Zustand des Unternehmens, sagt Scherer. „Die Pflichten treffen Unternehmen aller Größen, von börsennotierten Aktiengesellschaften bis hin zu kleinen und mittelständischen Unternehmen und Ein-Mann-GmbHs“, erklärt er.

Hinzu kommen Anforderungen aus höchstrichterlicher Rechtsprechung. „Nach dem Willen des BGH muss ein Geschäftsführer oder Vorstand die wirtschaftliche Situation seines Unternehmens laufend beobachten und für eine Organisation sorgen, die ihm jederzeit eine Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation ermöglicht“, fasst Scherer ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) von Juli 2024 zusammen (Az.: II ZR 206/22). Dabei kann „jederzeit“ je nach Branche und Unternehmen anders ausgelegt werden. „Unabhängig von einem festen zeitlichen Rhythmus ist eine Aktualisierung aber in jedem Fall dann geboten, wenn sich Risiken von bedeutender Relevanz massiv erhöhen“, hält Scherer fest. Im Zeitalter von Polykrisen dürfe daher eine Periodizität von „einmal im Halbjahr“ oder „einmal im Quartal“ nicht angemessen sein, warnt er.

Organrechtliche Dauerpflicht

Wichtig ist, dass Unternehmer ihr Risikomanagement nach StarRUG-Vorgaben als organrechtliche Dauerpflicht verstehen – und nicht als Aufgabe für den Fall absehbarer Schwierigkeiten. „Laut BGH kann sogar ein ausgeschiedener Geschäftsführer bei Insolvenzverschleppung für Schäden haften, die erst nach seinem Ausscheiden, zum Beispiel durch Vertragsschlüsse Dritter mit der Gesellschaft nach diesem Zeitraum, entstanden sind“, sagt Scherer. Das steht so weder im StaRUG, noch im Aktiengesellschafts- oder auch dem GmbH-Gesetz. „Aber es ergibt sich aus der Pflicht eines gewissenhaften Geschäftsführers oder Vorstands, der das Gesellschaftsvermögen und die Gesellschaft vor Schaden bewahren muss“, sagt Scherer. Daraus folge, dass die Risikosteuerung früher einsetzen muss, als es im Starug direkt gefordert wird. „Während das Starug primär darauf abzielt, eine Insolvenz abzuwenden, erfordert die Sorgfaltspflicht eines Geschäftsführers oder Vorstandsmitglieds, wie sie in Paragrafen 43 GmbHG und 93 AktG verankert ist, ein wesentlich proaktiveres Handeln.“ Kein sorgfältiges und zeitnahes Risikomanagement zu führen, kommt einem Compliance-Verstoß gleich, warnt Scherer. 

Geschäftsführer haben zwar einen Ermessensspielraum. „Der erstreckt sich aber nicht auf die Frage, ob sie ein Starug-konformes Risikomanagement installieren“, sagt Scherer. „Das ist ihre Pflicht als Geschäftsführer.“

Nutzen können Geschäftsführer ihr Ermessen bei der Betrachtung der für sie relevanten Risiken. „Aber nicht beliebig“, sagt Restrukturierungsexperte Heidrich. „Er muss die Entscheidung sachgerecht treffen.“ Dass das Risikomanagement eine große Bandbreite an Risiken ins Auge fasst, fordert das Starug dabei durchaus. „Neben wichtigen Finanzkennzahlen wie zum Beispiel der Eigenkapitalquote oder der Rentabilität kann auch die Fluktuation und Verweildauer der Mitarbeiter eine wichtige Kennzahl für ein Krisenfrüherkennungssystem sein“, sagt Heidrich. Ihren Mandanten geben die Rechts- und Sanierungsfachleute von Taylor Wessing stets eine Liste unterschiedlicher Kennzahlen an die Hand, aus denen diese dann für ihr Unternehmen relevante Schwellenwerte ableiten sollen.

Zahlreiche Warnsignale

„Materielle Unterkapitalisierung, nachhaltiger Umsatzrückgang, abnehmende Rentabilität, Erhöhung des Verschuldungsgrades, sinkender Cashflow, abnehmende Liquidität, abnehmender Marktanteil, abnehmende Termintreue oder Produktivität“, zählt Heidrich auf. „Kreditunwürdigkeit, rückläufiger Auftragseingang, abnehmender Beschäftigungsgrad, Arbeitsunzufriedenheit und Streiks, hohe Personalumschlagsrate, zunehmende Belastung durch Fixkosten, ineffizientere Arbeitsabläufe. Auch wenn Waren länger auf Lager liegen, sich Fehler häufen oder es häufiger zu Lieferverzögerungen kommt, sollten im Risikomanagement die Alarmglocken läuten“, sagt der Experte. Auch ein Rückgang des Investitionsgrades oder der Forschungsintensität zeige gegebenenfalls ein steigendes Risiko an. 

Die Unternehmen entwickeln für diese Bereiche dann selbst zu ihrem Geschäft passende Kennzahlen, die dann in ein stetig aktuelles Monitoring einfließen. „Hierfür legen wir mithilfe unseres Ampelsystems Gewinnschwellen, Kipppunkte und Meilensteine fest“, sagt Heidrich. „Jedes Unternehmen sollte wenigstens um die zehn Faktoren haben, aus denen man ablesen kann, wie es um das Unternehmen steht.“ In einer Firma einer regulierten Branche wie beispielsweise den erneuerbaren Energien gehörten ins Monitoring etwa auch Gesetze, die für oder gegen ihr Angebot arbeiten, sagt Heidrich. Ein Autozulieferer müsse dagegen auch Technologien im Blick behalten. „Oder eine Bank oder sonstiger Anbieter für Kunden aus dem landwirtschaftlichen Bereich muss sich auch über mit dem Klimawandel verbundene Risiken Gedanken machen“, sagt Heidrich.

Das Managen wichtiger Risiken einfach zu unterlassen, ist spätestens mit dem StaRUG keine Option mehr. 

 

Lesen Sie auch unseren Beitrag: Für den Fall der Fälle vorbereitet sein: Sanierungsstrategien im Fokus

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